Baummeditation


Ich suche einen Baum, im Wald, in einem stillen Park oder einem Garten.

Ich stehe dem Baum gegenüber.

Nach einer Weile der ruhigen Beobachtung und Aufnahme schließe ich die Augen oder lasse sie halb geöffnet.
Die gesamte Aufmerksamkeit richtet sich auf meinen Atem. Ich beobachte still, wie die Luft durch die Nase in den Körper aufgenommen wird, wie sich die Bewegung umwandelt und die Luft wieder aus der Nase ausgeatmet wird. Die Beobachtung verändert den Atem nicht. Ist der Atem lang, dann beobachte ich nur: Atem ist lang. Ist der Atem kurz, dann beobachte ich nur: Atem ist kurz. Ist der Atem flach oder tief, ist der Atem fließend oder stockend, weich oder hart - in allem, was ich beobachte, lasse ich meinen Atem so sein, wie er gerade ist, atme so eine Weile in Sammlung und Achtsamkeit.

Nun dehnt sich meine Aufmerksamkeit mit jedem Ausatmen hin zum Baum vor mir, wandelt sich dort um und fließt in einem stetigen Fluß zu mir zurück.

Ich gebe mich ganz dieser Beobachtung hin ...
Einatmend bin ich mir bewußt... Baum atmet aus.
Ausatmend bin ich mir bewußt... Baum atmet ein.
Gemeinsam atmend ... Leben.

Meine Aufmerksamkeit wandert nun vom Atem hinein in die menschliche Form meines Körpers. Ich reise durch den Kopf... Hals ... Schultern ... Arme ... Hände, in den Rumpf, fühle die Beine, die Füße und reise immer weiter hinab, fühle, wie die Fußsohlen die Erde unter mir berühren, betrachte die Festigkeit des Bodens unter meinem Körper, bis sich meine Zehen langsam in den Boden hineindehnen, zu wachsen beginnen und als Wurzeln in den Boden hineingreifen. Ich stehe fest und elastisch da - ein Baum mit Wurzeln, Stamm und Baumkrone. Meine Wurzeln nehmen die Stoffe im Boden auf, die in Wasser gelöst durch die feinen Poren der kleinsten Wurzeln dringen. Langsam fließen die Nährstoffe nach oben, durch die dicken Wurzeln in den Stamm, höher und höher hinauf in die Zweige, hin zu den kräftigen sattgrünen Blättern, in die riesige Baumkrone, die sich dem lichten Himmel und der Sonne entgegenstreckt. Hier, im Blatt mit den Nährstoffen aus dem Boden entsteht Sauerstoff. Hier verbleibe ich für eine Weile ...

Ausatmend bin ich mir bewußt... Mensch atmet ein.
Einatmend bin ich mir bewußt... Mensch atmet aus.
Gemeinsam atmend ... Leben.

Langsam wandert meine Aufmerksamkeit hinunter von den Blättern zu den Zweigen, in die Aste und weiter, weiter hinunter in den Stamm. Vom Stamm weiter hinunter in die Wurzeln. Hier verabschiede ich mich von der Baumform und kehre zurück zur Menschenform, fühle, wie meine Zehen sich zurückverwandeln, spüre meine Füße fest auf dem Boden, nehme meine menschliche Form wieder bewußt auf, fühle Beine, Rumpf, Arme und Hände, fühle Hals und Kopf und fühle mich ganz hinein in das Menschsein.

Ich freue mich, Mensch zu sein, der vom Baumsein weiß.
Ich freue mich, Baum zu sein, der vom Menschsein weiß.
Gemeinsam atmen wir Freiheit von Gier, Haß und Unwissenheit
Gemeinsam atmen wir Frieden.

Ich öffne meine Augen und kehre zurück zu meinem normalen Menschenleben.

Evelyn Peters



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