Mitweltschutz durch Übung der Achtsamkeit
Zum Gedenken an Nyanaponika Mahathera

Am Vollmondtag des 19. Oktober 1994 ist der deutsche buddhistische Mönch und Theravada-Lehrer Nyanaponika Mahathera von uns und 'in die Verwandlung eingegangen'. Der ehrwürdige Nyanaponika erreichte das Alter von 93 Jahren. 57 Jahre davon (seit 1937) lebte er als Bhikkhu (Mönch) in Sri Lanka und seit 1946, von einigen Reisen abgesehen, ununterbrochen in seiner Einsiedelei 'Island Hermitage', später 'Forest Hermitage' bei Kandy.

Nyanaponika, mit Geburtsname Siegmund Feniger (geb. 1901 in Hanau, Hessen; aus jüdischem Elternhaus stammend) gehörte zur großen ersten Generation deutscher Buddhisten, die vom intellektuellen Studium klassischer buddhistischer Texte und Philosophie zum praktizierenden Leben in der Nachfolge des Buddha übergegangen waren. Zu jenem Kreis buddhistischer Pioniere gehörten auch der ältere und 1957 in Sri Lanka verstorbene Mönchslehrer Nyanatiloka (Anton Gueth) sowie der weltbekannte Vermittler des tibetischen Buddhismus und Gründer des Ordens Arya Maitreya Mandala (AMM) Lama Anagarika Govinda (Ernst Lothar Hoffmann, gestorben 1985).

Nyanaponika sowie Nyanatiloka, die zahlreiche wichtige Texte des klassischen buddhistischen Lehrkanons ins Deutsche übertrugen und kommentierten, leisteten nicht nur für die Herausbildung eines westlichen Buddhismus herausragende Arbeit, sondern erwarben sich durch ihre Tiefgründigkeit und umfassende Bildung auch große Anerkennung im Buddhismus Asiens.

Dem ehrwürdigen Nyanaponika insbesondere ist der Hinweis auf die Bedeutung der Lehre und Praxis der Achtsamkeit als der Grundlage buddhistischer Übung und Weisheit zu verdanken. Sein Buch: "Geistestraining durch Achtsamkeit" gehört heute zu den Basistexten für authentische buddhistische Praxis. Nyanaponika wies auch als einer der ersten auf die Bedeutung der Achtsamkeitsschulung für die Entfaltung der Ethik des Buddha hin.

Einer jener durch ihn bekannt gemachten und besonders oft zitierten Lehrtexte, welcher für einen gesellschaftlich und ökologisch engagierten Buddhismus zentrale Bedeutung hat, ist jene oben wiedergegebene Lehrrede Sakyamuni Buddhas aus der Sammlung der Texte zur Schulung der Achtsamkeit.

Nyanaponika selbst ging diesen Weg zeitlebens furchtlos und wahrhaftig. Bereits langjährig Buddhist, engagierte er sich von 1933 bis 1936 im 'Zentralausschuß der Juden für Aufbau und Hilfe' im damaligen Berlin des Nazi-Deutschland.

In einem ausführlichen Kommentar zu diesem Text sagte Nyanaponika abschließend: "Selbstschutz und Schutz des anderen entsprechen den beiden großen Zwillingstugenden Weisheit und Mitleid. Rechter Selbstschutz ist ein Zeichen von Weisheit, und der rechte Schutz anderer ist eine Folge des Mitleids.

Weisheit und Mitleid, die charakteristischen Elemente von Bodhi und Erleuchtung, haben im vollkommen Erwachten, dem Buddha, ihre höchste Vollendung gefunden. Der Nachdruck, der auf ihre harmonische Entwicklung gelegt wird, ist ein charakteristischer Zug der ganzen Buddha-Lehre."

"Diese beiden großen Prinzipien des Selbstschutzes und des Schutzes von anderen sind von gleichgroßer Wichtigkeit, sowohl für die Ethik des Einzelnen als auch der Gemeinschaft, und bewirken die Harmonie zwischen beiden. Ihr heilsames Zusammenwirken endet jedoch nicht auf der ethischen Ebene, sondern fuhrt den Einzelnen hinauf bis zum höchsten Ziel der Buddha-Lehre, während es gleichzeitig eine sichere Grundlage für das Wohl der Gesellschaft schafft."



Lehrtext und Kommentar Nyanaponikas zitiert nach: Detlef Kantowsky. Von Südasien lernen, Campus-Verlag, 1985, Anhang, S. 175)


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