Achan Buddhadasa Bhikkhu
Buddhistischer Naturschutz
Zusammenfassung eines Vortrags anläßlich der Jahreskonferenz des International Network of Engaged Buddhists in What Suan Mokkh, Thailand 1990
Wir können mindestens zwei Aspekte von Natur unterscheiden und müssen sie richtig verstehen, um vernünftig mit ihnen umgehen zu können. Die innere Natur, die Natur des Geistes, sie ist (für uns) von größerer Bedeutung als die äußere Natur der verschiedenen Phänomene, die die Welt um uns ausmachen.

Wenn wir über diese innere, geistige Natur sprechen, sollten wir wie der Buddha ein anderes Wort benutzen, das Wort Dhammadhatu, die natürliche Essenz des Dhamma. Diese Essenz oder dieses Element (Dhatu) ist der Ursprung oder das Fundament des Dhamma, aller Natur. Der Buddha spezifizierte weiterhin, daß diese Essenz der Natur nichts anderes ist als Itapaccayata, die Tatsache des Ursache-Wirkung-Zusammenhanges, die der Existenz zugrunde liegt,  gleich ob es Buddhas oder Buddhisten gibt oder nicht. Wenn wir diese Gesetzmäßigkeit der Natur in uns schützen und erhalten, dann kann sich auch die äußere Natur schützen.

Befinden wir uns im Einklang mit Itapaccayata, ist es für Selbstsucht und Egoismus unmöglich zu entstehen. Und wenn es keine Selbstsucht gibt, gibt es nichts, das die Natur mißbrauchen, ausnutzen und zerstören würde. Dann ist die externe Natur sehr wohl im Stande, sich selbst zu schützen.

Darum ist die reine Sorge um die äußere Natur dem Stand oder der Ehre eines Buddhisten nicht angemessen, und wir fordern Euch alle auf, Euch vorrangig mit der inneren Natur, dem Gesetz der gegenseitigen Bedingtheit zu befassen, um die Selbstsucht aus der Welt zu schaffen. Dann wird die Natur in der ihr eigenen Reinheit und Schönheit erblühen.

Wenn wir Buddhisten darüber nachdenken, daß der Buddha in der Natur, unter Bäumen, geboren wurde, daß er erwachte, während er unter einem Baum saß, daß er unter Bäumen lehrte und auch unter Bäumen starb, so ist es uns unmöglich, Bäume nicht zu lieben und sie nicht schützen zu wollen.

Das bringt uns zu der Frage, welche Form der Macht oder Autorität uns in unseren Bemühungen um den Naturschutz zur Verfügung stehen. Die Art von Macht, die die Menschen direkt dazu zwingt, etwas zu tun, findet sich zum Beispiel unter König Ashokas Säulenedikten. Einer dieser Erlasse verpflichtete bestimmte Familien dazu, verschiedene Baumarten zu pflanzen und sich um sie zu kümmern.

Aber es gibt auch die Macht der Überzeugung. Man kann mit den Menschen reden, bis sie die richtige Einstellung entwickelt haben und dann von sich aus verantwortlich handeln. In den Palitexten werden immer wieder Parks erwähnt. Es scheint, daß fast jeder Angehörige der Königshäuser und der reichen Bürgerschaft seinen eigenen Park hatte. Viele davon wurden der Sangha zu Verfugung gestellt und auch der Buddha starb in einem von ihnen. In diesem Beispiel wurde niemand zum Naturschutz gezwungen, er entstand aus einer bestimmten Art zu denken. Die Autorität oder Macht, die das Handeln der Menschen lenkte, entsprang einfach nur der richtigen Einstellung. Es scheint, daß diese Leute die Dhammadhatu, die Essenz des Dhamma, schützten, und weil diese erhalten wurde, gab es wenig Selbstsucht, was wiederum dazu führte, daß diese Parks angelegt und erhalten wurden.

Jedoch finden wir auch schon in den frühen Palischriften Belege dafür, daß die Menschheit die Natur ausgebeutet und zerstört hat. Es wird berichtet, daß jemand an einem fruchtbeladenen Baum vorbeikam und ihn fällte, weil er ihn nicht erklettern konnte, um die reifen Früchte zu pflücken. Nachdem er seine Taschen gefüllt hatte, ging er seines Weges und ließ den Rest verrotten. Diese Art der Selbstsucht und der Zerstörung ist also nichts Neues, es gibt sie schon seit langer Zeit. Sie hat aus dem dichtbewaldeten Land, von dem die Schriften sprechen, eine vertrocknende  Kulturlandschaft werden lassen.

Auch in manchen Gebieten Thailands herrscht nun schon Dürre und Hunger und die Bäume werden immer noch abgeholzt. Schiebt die Schuld nicht dem Bevölkerungswachstum zu, die Bevölkerung wächst sowieso. Die Schuld liegt in Wirklichkeit beim Wachstum der Selbstsucht. Diese ist viel schneller als die Bevölkerung gewachsen und die Zerstörung resultiert daraus. So lange wir Sklaven des wirtschaftlichen Fortschritts, des Materialismus sind, wird es sehr schwer, wenn nicht unmöglich sein, grüne Wälder zu haben.

Als ich vor fünfzig Jahren nach Suan Mokkh kam, war der Bach an der Südseite des Klosters so tief, daß das Wasser den Rücken eines Elefanten bedeckte, der ihn durchquerte. Heute werdet ihr ihn nicht einmal mehr finden, wenn ihr nicht wißt, wo er war. Das wirtschaftliche Wachstum ist nach Suan Mokkh gekommen, hat die Wälder zerstört und den Bach ausgetrocknet. Als die Gummiindustrie sich von Malaysia nach Südthailand ausbreitete, holzten die Leute hier trotz unserer Warnungen und Bitten den ganzen ursprünglichen Wald ab und pflanzten ihre Gummibäume. Da Gummibäume keine richtige Wasserscheide bilden können, ist der Grundwasserspiegel im ganzen Umkreis abgesunken und manche Dorfbrunnen führen einige Monate im Jahr kein Wasser mehr. Kurz gesagt fiel unser natürlicher Wald der Anbetung des industriellen Fortschritts zum Opfer. Wenn die Zerstörung der Natur so weitergeht, wie wird unter diesen Bedingungen Friede möglich sein?

Laßt uns also nochmal unsere Aufmerksamkeit den verschiedenen Aspekten der Natur (Dhamma, Dhammadhatu) zuwenden und unser Bestes tun, um sie zu verstehen. Die vier grundlegenden Aspekte von Dhamma sind: die Natur an sich, die natürliche Ordnung der Dinge oder die Naturgesetze, die Pflicht, die der natürlichen Ordnung entspringt oder ihr innewohnt, und die Ergebnisse, die aus der Erfüllung dieser Pflicht entstehen. Nehmen wir unsere menschlichen Körper als Beispiel. Der Körper ist ein Ausdruck der Natur an sich. In diesem Körper mit seinen Organen und Systemen operieren die ihm entsprechenden Gesetzmäßigkeiten. Fortwährend besteht die Pflicht, sich um all das zu kümmern, die Pflicht zur Lebenserhaltung. Daraus entstehen die verschiedenen Resultate, die manchmal angenehm und manchmal unangenehm sind. Wie in unseren Körpern, so finden sich die vier Aspekte der Natur auch in der uns umgebenden Welt und im gesamten Universum. Wenn wir sie nicht verstehen und nicht im Stande sind, sie in uns selbst zu erhalten, werden wir nur unsere Zeit verschwenden mit dem Versuch, die Natur da draußen zu erhalten.

Der Buddhist strebt danach, die Essenz der Natur zu erkennen, zu verwirklichen und zu erhalten. Wenn das Gesetz der Natur, das Gesetz von Itapaccayata, die Tatsache, daß alle Dinge in ihrem Entstehen, Bestehen und Vergehen voneinander abhängig sind und miteinander in Beziehung stehen, eine klare Erfahrung in unseren Herzen ist, wird es unmöglich für das Ego oder die Selbstsucht zu entstehen. Und dann wird es auch keine Zerstörung unserer Mitwelt mehr geben.

Aber so wie die Dinge liegen, hat niemand am 'Bedingten Entstehen' (Paticcasammupadd) Interesse. Als Ergebnis davon haben wir eine Menge materiellen Fortschritt, auf den wir sehr stolz sind, und der uns ausgezeichnete Gelegenheiten zur Selbstsucht bietet. Und damit geht auch eine Menge Zerstörung einher. Seid bitte sehr vorsichtig mit dieser Zivilisation und ihrem materiellen Fortschritt. Wenn es keinen Respekt, keine Ehrerbietung und keine Anbetung des Naturgesetzes der gegenseitigen Bedingtheit gibt, dann werden selbst die Götter selbstsüchtig. Die gesamte Gesellschaft füllt sich bis zum Rand mit Selbstsucht, die Natur wird zerstört und an ihre Stelle treten Dinge, die sehr schädlich und gefährlich sind. Jetzt müssen wir wegen dieser Selbstsucht in einer verschmutzten Welt leben, einer Welt voller gefährlicher Substanzen und Gifte, voller Kriminalität, voller Psychosen und Wahnsinn.

Es ist traurig, schändlich und erbärmlich, daß gewöhnliche Tiere wie unsere Hühner hier in Tausenden von Jahren nicht selbstsüchtiger geworden sind, während wir Menschen im Laufe der Zeit immer selbstsüchtiger werden. Und jetzt leben wir in einer Zeit, in der die Ergebnisse dieses Wachstums, dieser Entwicklung, dieses Fortschritts in der Selbstsucht schmerzlich offenbar werden. Wir haben die Selbstsucht zu unserem Gott gemacht und wurden zu seinen Sklaven.

Die Antwort auf die Frage, wie wir die Natur schützen können, ist schlicht und einfach die, daß wenn alle Buddhisten schließlich wirklich richtige Buddhisten sind, die Natur in jeder Bedeutung, auf jeder Ebene und in jedem Aspekt automatisch geschützt wird. Ziel aller Religionen ist es, die Selbstsucht zu beenden, also laßt uns die Religionen hinzuziehen und statt oder neben der UNO eine URO (United Religious Organisation) ins Leben rufen. Wenn wahrlich religiöse Menschen zusammenkommen, sich verstehen und zusammenarbeiten, hätte so eine Organisation ein großes Potential, die Selbstsucht einzuschränken und zu beenden.

Bitte befreit Euch also von der Selbstsucht, dann werden alle Probleme aufhören. Wir werden uns über sie nicht mehr den Kopf zerbrechen müssen und die Welt wird frisch, schön und lebendig sein.
Danke, daß Ihr so geduldig zugehört habt.

Achan Buddhadasa Bhikkhu, Abt des Waldklosters What Suan Mokkh in Südthailand und bedeutender Lehrer des heutigen Theravada-Buddhismus (einer der geistigen Väter des International Network of Engaged Buddhists) hat in Sudostasien - mit seiner Lehre und seinem Beispiel - insbesondere die uralte, auf Buddha zurückgehende Tradition der im Wald lebenden und mit diesem tief verbundenen Mönche wieder zu neuem Aufschwung gebracht. Er ist im vergangenen Jahr im Alter von 87 Jahren verstorben.

Übersetzung aus dem Englischen von Manfred Wiesberger.


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