Diese Erzählung steht als Vorbild für eine Bewegung unter Mönchen in Thailand, die sich verstärkt um die Belange der ländlichen Bevölkerung kümmert. Wer Thailand etwas kennt, dem fällt der krasse Gegensatz zwischen den boomenden Metropolen wie Bangkok und den armen ländlichen Gebieten besonders im Nordosten Thailands auf. Die ursprüngliche Eigenständigkeit der Dörfer ist der Abhängigkeit von außen durch Fremdarbeit und Handel mit Waren gewichen. Die wirtschaftliche Situation ist trotz steigender Ernteerträge wegen des weltweiten Preisverfalls angespannter denn je. Vor allem junge Menschen wandern aus den Dörfern in die Großstädte ab, angezogen von den dortigen Konsumangeboten, in der Hoffnung, am schillernden Leben teilhaben zu können.
Für das Leben der Landbevölkerung hat dies zur Folge, dass zum größten Teil nur noch ältere Menschen in den Dörfern leben und das dortige Leben stagniert. Für den Theravada-Buddhismus stellt sich die Frage, wie er mit seiner Jahrtausende alten Lehre diesen Menschen eine Perspektive geben kann.
Eine kleine, aber aktive Gruppe von Mönchen versucht sich diesen Herausforderungen zu stellen. Im Sinne der Erzählung aus den Jatakas versuchen sie die Lebenssituation der Dorfbewohner zu verbessern. Eine Gründerperson dieser Mönchsinitiative gibt es nicht, jedoch gilt der Mönch Phra Kruba Srivichai, der schon 1935 damit begann, eine Infrastruktur in seinem Dorf zu entwickeln, als einer der ersten.
Im Zentrum dieser Entwicklungs-Aküvitäten steht der Tempel (Wat genannt), der sich in fast jedem thailändischen Dorf befindet. Neben der Familie ist der Wat die wichtigste Institution. Er bildet das Zentrum, um das sich das soziale Leben der Dorfbewohner dreht. Annähernd alle weltlichen und religiösen Aktivitäten spielen sich dort ab. Die Dorfbewohner kommen hier zu allen möglichen Gelegenheiten zusammen. Der Wat dient als Hospital, als religiöse und weltliche Schule, als Ort für die alten Menschen, als Spielplatz für Kinder und Treffpunkt für Jugendliche, kurz: der Wat ist der Brennpunkt der Dorfgemeinschaft und zwischen den dort lebenden Mönchen (die oft aus dem gleichen Dorf stammen) und den Dorfbewohnern besteht eine enge Beziehung, die geprägt ist von gegenseitigem Respekt.
Seri Phongphit, der
Direktor des "Thai Institute for Rural Development" in Bangkok, hat verschiedene
Beispiele von "Entwicklungs-Mönchen" gesammelt und ausgewertet. Davon
soll eines kurz skizziert werden:
Phra Kru Visit Nandakan
ist Abt vom Wat des Dorfes Suan Poh mit heute etwa 1000 Einwohnern, das
in einer der ärmsten und trockensten Regionen Thailands liegt. Während
einer Trockenzeit vor etwa 30 Jahren wies er die Dorfbewohner an, einen
Brunnen zu bohren und Gemüse anzupflanzen. Er stellte erworbenes Land,
auf dem Reis angepflanzt werden sollte, zur allgemeinen Verfugung, was
ihm prompt den Vorwurf, ein Kommunist zu sein, einbrachte. Er gründete
eine Reis- und eine Büffelbank, an der alle Dorfbewohner gleichberechtigt
teilhaben konnten. Jugend- und Frauengruppen gründeten sich auf seine
Initiative hin und ein Traktor wurde zur gemeinsamen Nutzung angeschafft.
Die Bewohner bauten ein Gesundheitszentrum auf, gründeten eine kleine
Genossenschaftsbank und richteten einen Kooperativenladen ein. All diese
Einrichtungen wurden auf die Initiative von Phra Kru Visit Nandakan hin
gegründet, aber von den Dorfbewohnern eigenständig weitergetragen.
Die Dorfbewohner sollten nach Meinung des Abtes alle Dinge selbständig
und eigenverantwortlich tun. Seine Rolle sieht er nur darin, zu initiieren
und die Menschen des Dorfes zu selbständigem Handeln zu anzuleiten.
Aus den verschiedenen Beispielen leitet S. Phongphit folgende Charaktereigenschaften ab, die ein "Entwicklungs-Mönch" besitzen sollte: