Ein Geschenk für den Buddha
eine Geschichte aus dem Pali-Kanon, den ältesten buddh. Schriften
erzählt von Horst Gunkel
(c) Copyright by Horst Gunkel letzte Änderungen 2015-01-29

Einst saß der Buddha unweit eines indischen Dorfes unter einem Baum und meditierte. Am Vormittag war er im Dorf und hatte sich sein Essen erbettelt. Da die Menschen wussten, dass der Buddha ein großer Weisheitslehrer war und den Nachmittag unweit ihres Dorfes verbringen wurde, entschlossen sich viele Leute, zu ihm zu gehen. Während er in der Meditation weilte, hielten sie sich still zurück, um ihn nicht zu stören. Als er die Meditation beendet hatte, baten sie ihn, sie zu belehren. Also hielt der Buddha einen Vortrag.

Unter den Zuhörern war auch ein junger Mann, der eigentlich seinem Vater auf dem Bauernhof helfen sollte, denn es war gerade Erntezeit. Der junge Mann hatte gesagt, er wolle nur schnell einmal beim Buddha vorbeischauen und sei in eine Stunde wieder zurück. Aber er war so beeindruckt von der Ruhe, die der Buddha ausstrahlte, und so gefesselt von seiner Lehre, dass er darüber völlig die Zeit vergaß. Der Vater schickte einen seiner beiden anderen Söhne zum Buddha, damit dieser seinen Bruder hole. Doch auch dieser Sohn war begeistert vom Buddha und blieb. Da schickte der Vater seinen letzten Sohn, trug ihm auf, dass alle drei sofort zurückkomen sollten, doch auch dieser war von der Lebendigkeit der Lehrrede des Buddha so gepackt, dass er darüber seinen Auftrag vergaß.

Man kann sich vorstellen, wie wütend der Vater war, als er bemerkte, dass auch dieser Sohn nicht zurückkam, und voller Zorn machte er sich auf den Weg zum Buddha. Als er dort angekommen war, bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge, ging geradezu auf den Buddha zu und übergoss ihn mit einer regelrechten Schimpfkanonade. Er beschuldigte ihn, ein nichtsnutziger Herumtreiber zu sein, der nichts anderes im Sinne hätte, als die Jugend von ihren Pflichten abzuhalten. Während ehrbare Meister die jungen Menschen zu Gehorsam gegen ihre Eltern anhalten würden, würde der Buddha die Jugend nur zum Faullenzen verführen.

Doch so gewaltig der Wortschwall des erbosten Vaters auch war, der Buddha hörte ihm nur ruhig zu und lächelte ihn die ganze Zeit freundlich an. Als der Wütende endlich zu Ende gekommen war mit seinen Anschuldigungen, fragte ihn der Buddha: "Mein Freund, ist das alles?"

"Ja, das ist alles oder langt es dir etwa noch nicht?"

"Lass mich dir lieber eine Frage stellen, mein Freund. Gesetzt da kommt ein Mann in dein Haus und bringt dir ein Geschenk. Du nimmst es an. Wem gehört es dann."

"Na, mir natürlich!" erwiderte der Mann etwas überrascht, denn er verstand den Sinn der Frage nicht.

"Gesetzt den Fall, dieser Mann kommt zu dir in dein Haus und bringt dir ein Geschenk, du aber weist das Geschenk zurück. Wem gehört es in diesem Fall?"

Jetzt war dieser mann doch sehr irritiert: "Na, ihm natürlich, ich habe es ja zurückgewiesen, aber was soll das alles?"

"Ganz einfach mein Freund. Du kommst zu mir und machst mir ein Geschenk: deine Wut. Ich möchte sie aber nicht, ich weise sie zurück. Sie gehört immer noch dir."



Wenn dir einer Wut schenkt, mache es wie der Buddha: nimm sie einfach nicht an.


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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.