Tom Welsh:
Maha Ghosananda

Anlässlich Buddhas Geburtstag hat der berühmte kambodschanische spirituelle Führer Seoul besucht und eine Botschaft der Versöhnung überbracht.

Der ehrwürdige Maha Ghosananda lächelte als er die Regenwolken sich vor seinem Apart-mentfenster im Nordwesten der südkoreanischen Hauptstadt zusammenballen sah. "Einen Moment lang wusste ich nicht, ob es 12 Uhr mittags oder 12 Uhr Mitternacht war", sagte er und zog die safrangelbe Robe etwas enger. "ich muss wohl achtsamer sein."

Der für den Nobelpreis nominierte kambodschanische buddhistische Patriarch hat den größten Teil der vergangenen sieben Jahrzehnte damit verbracht, das Licht im Schatten zu erkennen.

In den dunklen Auswirkungen des Pol-Pot-Regimes vom 1975 - 1979 nahm der ehrw. Maha Ghosananda im Leiden seines Volkes das Potential für großes Mitleid wahr, und er setzte sich unermüdlich dafür ein das spirituelle Leben der Flüchtlinge entlang der kambodschanisch-thailändischen Grenze aufzubauen.

In jüngerer Zeit eröffnete die Konfrontation zwischen den Truppen der Regierung und den Rebellen der Roten Khmer eine Gelegenheit die großartigen Friedensmärsche des Buddha Shakyamuni erneut aufzunehmen. So gelangte dieser betagte Mönch zusammen mit Dutzen-den von Mitstreitern in die von Landminen durchzogen Schlachtfelder.

"In Kambodscha bedeutet der buddhistische Vorsatz der Achtsamkeit: Pass auf, wo du hin-trittst!", sagte er einer kleinen Gruppe von Besuchern in seinem Zimmer im Komplex des Hwagye-Tempels in Seoul. Der berühmte Frie-densaktivist war in der Stadt, um an der jährlichen Lichterprozession anlässlich der 2543 Wiederkehr des Geburtstag des Buddha teilzunehmen.

Befragt, wie er mit der erschreckenden jüngeren Geschichte seines Heimatlandes zurecht-kommt, die die Leben der meisten seiner Freunde und klösterlichen Freunde gekostet hat, hob er die Notwendigkeit ganz im Jetzt zu sein hervor - ganz entsprechend der buddhistischen Lehre.

Seine Freude an den kleinen Dingen des Moments zeigte sich beispielsweise drei Tage zuvor, als er durch die mit Laternen bespannten Straßen ging und die Aufmerksamkeit zahlreicher Seouler auf sich zog. "Eines der Dinge, die mir immer wieder Freude bereiten ist die Freundlichkeit des koreanischen Volkes", sagte er. "wo immer ich hinkomme, betrachten die Menschen neugierig diese für sie fremdartige Robe. Natürlich bemerken sie, dass ich Mönch bin und sie grüßen mich. Dies ist wirklich wundervoll.

Der ehrw. Maha Ghosananda hat bereits häufig an den Lichterprozessionen teilgenom-men. Seine Verbundenheit mit Korea besteht bereits seit fast 20 Jahren; und während seines vierzehntägigen Aufenthalts hier verbrachte er viel Zeit mit lokalen spirituellen Führern, die ihm in den dunkelsten Stunden seines Landes ihre Unterstützung angeboten hatten. Unter ihnen befand sich auch den Zen-Meister des Hwagye-Tempels, der sein Gastgeber war. Die beiden Männer sind seit 1980 eng befreundet.

In seiner Einleitung zum Kompass des Zen (Shambala, 1997), einer weitverbreiteten Sammlung von Dharmagesprächen des ehrw. Seung Sahn, erzählt der kambodschanische Mönch wie sein Freund seine Sorge, dem bedrängten Volk zu helfen, dadurch erleichterte indem er darauf bestand dass der ehrw. Maha Ghosananda "ein Millionär" sei. "Bist du ein Mönch, so ist jeder Tempel der Welt dein Zuhause, also hast du eine Million Dollar" zitiert er den ehrw. Seung Sahn. "Da du jedoch auch beständig Kleidung von deinen Schülern bekommst, macht das schon zwei Millionen. Dein ganzes Leben lang werden die Menschen dich mit Nahrungsmitteln beschenken, so dass du in Ruhe praktizieren und den Dharma lehren kannst - das macht drei Millionen. Weiter: ist dein Körper krank, wird dir jeder Medizin geben - vier Millionen... Nichts leichter als das. Du bist ein Mönch, also bist du Millionär."

Der ehrw. Maha Ghosananda wirkt nun nicht gerade wie ein Millionär mit seiner einfachen Robe und seinem bescheidenen Auftreten. Nichtsdestoweniger erfreut er sich einer internationalen Anerkennung, die viele Industriekapitäne in den Schatten stellt.

Mehrfach für den Nobelpreis vorgeschlagen (einmal auch von einem ungenannten No-belpreisträger), hat er enge Verbindungen zu seiner Heiligkeit Johannes Paul II und seiner Heiligkeit dem Dalai Lama entwickelt.
"Er verschwindet und taucht einfach wieder auf, ganz wie es ihm beliebt", sagt der ehrw. Myong Haeng, ein amerikanischer Mönch im Hwagye Tempel. "Man weiß nie genau was er gleich tun wird. Es ist eines der Dinge, die ihn so bemerkenswert machen, seine Bereitschaft, sich vom Moment tragen zu lassen."

Zwischen den informellen Gesprächen nimmt sich der ehrw. Maha Ghosananda auch Zeit einer anderen berühmten Friedensaktivistin, Mutter Park Chang-soo von den Won-Buddhisten die Aufwartung zu machen. "Die Won-Buddhisten haben sich seit 1989 in der Hilfe für Kambodscha und bei der Beseitigung von Landminen engagiert, daher haben wir eine besonders enge Beziehung," sagt Mutter Park.

Aber der spirituelle Führer bestätigt, dass Krankheit, Armut und die Millionen von Landminen nicht die einzigen Herausforderungen für das arme südostasiatische Land sind. Es gibt da auch die leidenschaftliche Auseinander-setzung über den Umgang mit dem Horror des Pol-Pot-Regimes, bei dem 2 der knapp 5 Milli-onen Einwohner Kambodschas umkamen. Nur Wochen vor Maha Ghosanandas Besuch in Ko-rea tauchte der frühere Kommandant des berüchtigten Toul Slengs Inquisitionszentrums in einem ländlichen Gebiet im Norden Kambod-schas als Wiedergeborener Christ auf. Derzeit unter Bewachung der Regierung hat "duch", der Rote-Khmer-Beamte, der für die Hinrichtung von 14.000 Männern, Frauen und Kindern verantwortlich gemacht wird, zugesagt, die Namen derer zu nennen, die für die Vergewaltigung der Menschenrechte verantwortlich sind, um sie einer gerechten Strafe zuzuführen.

Vielleicht nicht ganz überraschend vermei-det es der ehrw. Maha Ghosananda eine nüch-terne politische Analyse vorzunehmen und sucht stattdessen in Antworten in den Schriften des Theravada-Buddhismus. Er erzählt die Geschichte von "Fingerkranz", einer üblen Gestalt, die wahllos mordend durch die Gegend zog, um sich aus den abgeschnittenen Fingern seiner Opfer eine Halskette zu machen.

Der Massenmörder fand seinen Meister in einem Heiligen, der ihm die Verwerflichkeit seines Tuns klar machte. Fingerkranz ging zurück in die Dörfer seiner Opfer und bat um Vergebung. Er wurde gedrängt, schlimme Strafen in diesem Leben auf sich zu nehmen, um noch schlimmere im nächsten zu vermeiden.

"Man kann die Drehung des Rades der Gewalt nur dadurch beendet, dass man das unerwartete tut und auf die Gewalt mit Mitleid antwortet," sagte Maha Ghosananda. "Als ich im südlichen Kambodscha aufwuchs", so fügte er hinzu, "mussten alle Kinder in den Tempel gehen um den Dharma zu lernen, die Qualitäten des Buddha, des Erleuchteten, der Vollkommenen, des Mitleidvollen, aufzuzählen. Aber nach Pol Pot musste ich Kambodscha verlassen. Die Mönche wurden gezwungen, die Robe abzulegen und wie jeder andere auch auf den Feldern zu arbeiten, wenn sie nicht getötet werden wollten. Die Soldaten schnitten den Buddhafiguren die Köpfe ab, selbst in Angkhor Wat. Aber sie waren nur Kinder - kleine, dumme Kinder die nichts wussten und nur den Befehlen Pol Pots folgten.

Jetzt aber bin ich hoffnungsvoll für die Zukunft Kambodscha. Jeden Tag, gleich morgens, geben wir den Dharma weiter, und die Wahrheit des Buddha. Die Menschen bringen den Mönchen Essensspenden und tun, was nötig ist um den Geist zu läutern, nämlich ganz im Jetzt zu sein.


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