"Nein" zum Krieg der USA im Irak

Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe begann der jüngste Irakkrieg. Der Engagierter Buddhismus wollte es nicht versäumen Ihnen die ersten Stellungnahmen engagierter Buddhisten zu geben. Bitte bedenken Sie, dass die Stellungnahmen aus dem März sind, also auf spätere Entwicklungen nicht eingehen können. Soweit die Artikel auf englisch waren, wurden sie von Lothar Lehmann übersetzt.



Dalai Lama betet für die irakische Bevölkerung

Mit einem Gebet für die irakische Bevölkerung hat sich das geistige Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, gegen die Kriegspläne der USA ausgesprochen. Eine Zerstörung Iraks würde zahlreiche Menschen und Nationen in Mitleidenschaft ziehen, warnte der höchste Vertreter des tibetischen Buddhismus am Dienstag vor Tausenden Gläubigen in seinem Tempel im nordindischen Dharamsala. Vor allem Arme, Kinder, Frauen, Alte und Kranke wären betroffen. Krieg sei ein "veraltetes Konzept", fügte der im indischen Exil lebende Dalai Lama hinzu. Eine Militäraktion stelle allenfalls eine "kurzsichtige" Lösung dar - "auf lange Sicht wird es keinen Sieger geben". Für den Fall eines Angriffs auf Irak rief der Dalai Lama die internationale Gemeinschaft auf, den Opfern zu helfen und den Wiederaufbau des Landes zu unterstützen.


Offener Brief von Thich Nhat Hanh an die US-Regierung
Gemeinsam mit allen meinen Freunden und Schülern aus fünf Kontinenten möchte ich die Regierung der Vereinigten Staaten Amerikas in respektvoller Ehrerbietung bitten, keinen Krieg mit dem Irak zu beginnen.
Der Krieg würde nicht nur dem Volk des Irak, sondern ebenso den U.S.A. und Menschen überall auf der Welt Zerstörung bringen.

Denken Sie nur an Ihre eigenen vergangenen Erfahrungen mit Kriegen, und Sie werden die immense Verwüstung erkennen, die der Krieg für alle kriegführenden Parteien mit sich bringt:
Kostbare Menschenleben werden ausgelöscht;

Bitte machen Sie von Ihrer menschlichen Kraft und Fähigkeit zum Verstehen Gebrauch und denken Sie im Licht der vergangenen Umstände über die gegenwärtige Situation nach, damit die Völker der Vereinigten Staaten eine derartige Zerstörung und Verwüstung nicht erleben müssen, und die Menschen überall auf der Welt Schutz und Sicherheit genießen können.

Bitte betrachten Sie eingehend die Verflechtungen zwischen den USA und allen anderen Nationen der Welt. Sie werden erkennen, dass Krieg an einem Ort zu Krieg an vielen Orten und dass Zerstörung einer Seite letztlich zur Zerstörung aller Seiten führen wird.

Wir bitten die USA, in Eintracht mit der Staatengemeinschaft zu handeln und von der kollektiven Weisheit der Entscheidungsgremien dieser Gemeinschaft Gebrauch zu machen.

Bitte helfen Sie mit, die Vereinten Nationen als friedenserhaltende Organisation zu stärken, denn das ist die Hoffnung der Welt.

Bitte versuchen Sie Schaden oder Zerstörung an der Autorität oder auch der Rolle der Vereinten Nationen zu vermeiden. Unterstützen Sie die UN aus ganzem Herzen, indem Sie auf ihre Empfehlungen hören.

Bitte sehen Sie die USA als aktives Mitglied der Vereinten Nationen und suchen Sie die Zusammenarbeit mit dieser übergeordneten Organisation in einer internationalen Staatengemeinschaft. Damit würden Sie die Sicherheit und das Wohlergehen für das Volk der USA und für alle Menschen in der Welt stärken. Die Vereinten Nationen setzen sich aus vielen Staaten zusammen; dadurch haben sie die Kapazität, konstruktive Bedingungen für den Dialog zu schaffen und aufrecht zu erhalten und so Frieden und Sicherheit für alle Nationen der Welt zu ermöglichen.

Bitte demonstrieren Sie die große Stärke und Weisheit der USA, indem Sie der Welt beweisen, dass es möglich ist, Konflikte ohne die anhaltende Zerstörung und Verwüstung, die der Krieg mit sich bringt, zu lösen. Wir alle wären Ihnen dafür überaus dankbar.

Thich Nhat Hanh und die internationale Gemeinschaft für Achtsames Leben , Plum Village, Frankreich
16. Februar 2003 (Autorisierte Übersetzung)



Krieg gegen Irak
Interview mit Thich Nhat Hanh vom Cesare Medail (Il Corrierre della Sera, 17. März 2003)

Frage: "Was würden Sie jetzt, wo ein Angriff auf Irak wohl unmittelbar bevorsteht, den Führern der amerikanischen Regierung in diesem dramatischen Moment der US-Geschichte sagen?"

Thich Nhat Hanh: "Ich würde Sie bitten einen Krieg nicht zu beginnen, der nicht nur die Iraker treffen wird, sondern uns alle. Wer einen anderen schlägt trifft immer sich selbst. Zur Regierung würde ich weiter sagen, dass ohne die Unterstützung der Vereinten Nationen zu handeln ein großes Übel schafft. Wenn Amerika dennoch angreift, wird sie die Autorität der Vereinten Nationen zerstören und wir würden dadurch das einzige Instrument verlieren, das wir haben um den Frieden zu bewahren: den Sicherheitsrat.

Die USA müssen auf die kollektive Weisheit der Vereinten Nationen so hören, als wäre dies die Sangha aller Nationen. Amerika ist Teil dieser Sangha. Ihr Ansehen zu zerstören wäre ganz schrecklich. Das weiße Haus sollte sie daher ehren und um ein Treffen zwischen der amerikanischen und der irakischen Führung ersuchen um im Beisein anderer Nationen deren Weisheit zu teilen."

Wenn man seinen Worten folgt, scheint der Zusammenbruch der Vereinten Nationen ein genau so großes Desaster wie der Krieg. Während einer Teepause reflektierte der Meister über die Übungen zur Gewaltlosigkeit, die Teil der Praxis in Plum Village sind. Die Arbeit für den Frieden beginnt bei den kleinen Konflikten des Alltags.

"Auf jeder Ebene ist das nützlichste Mittel zur Überwindung von Zwietracht das mitfühlende Zuhören zu dem, was der andere sagt. Dies hilft die Probleme des anderen zu verstehen und zu einer wirklichen Kommunikation zu kommen. Zu einer Regierung würde ich daher sagen, höre dem zu, was sowohl du selbst als auch die anderen Länder sagen, um deine eigenen Probleme zu teilen und deren Probleme zu verstehen. Dies nennt man Praktizieren. Hier in Plum Village sprechen wir nicht nur über inneren Frieden, wir praktizieren auch tiefes und liebevolles Zuhören.

In dieser Praxis der Aussöhnung können wir uns dank der Atemmeditation üben. Manchmal rufen Paare (Mann und Frau oder Eltern und Kinder) sich auf der Stelle an um sich auszusöhnen - auch wenn der oder die andere auf der anderen Seite der Welt ist.

Bush lebt in Angst und er ist zu beschäftigt um Atemmeditation zu üben - und er kann so großes Unheil anrichten. Er braucht Berater, die wirklich fähig zu Mitgefühl sind, aber stattdessen scheint er umgeben von kriegerischen Leuten. Die amerikanischen spirituellen Führer sollten zu Gunsten von Bush daran arbeiten, ihm Menschen nahe zu bringen, die von einem tiefen Sinn von Frieden getragen sind. Diese Leute können tun, was meine Schüler zu tun versuchen: Nach dem 11. September schickte ich einen Appell für Gewaltlosigkeit und ich fastete zehn Tage lang um seinen spirituellen, nichtpolitischen Aspekt zu stärken, und viele Amerikanerinnen und Amerikaner schlossen sich uns an. In den Vereinigten Staaten gibt es eine Menge Menschen mit einem mitfühlenden Geist und Bush sollte auf diese hören. Diese Leute bekämpfen ihn nicht, sie wollen ihm nur helfen.
Wenn ich die Chance hätte, Saddam Hussein zu treffen, würde ich ihm die gleichen Worte sagen. Ich traf mich mit islamischen Gemeinden in Amerika und sprach mit ihnen in dieser neuen Art, um ihre Ängste und ihre Hoffnungen zu verstehen. Die ist der einzige Weg zum Frieden.



Vietnamesischer Mönch warnt vor Irak-Krieg

von Lee Yong-sung, Korea Times vom 17. März 2003

"Wenn die Vereinigten  Staaten einen weiteren Krieg beginnen, werden sie damit den Krieg in ihr eigenes Land holen." Thich Nhat Hanh, bekannter vietnamesischer buddhistischer Mönch und spiritueller Führer warnte bei einer Pressekonferenz gestern mit ruhiger Stimme vor einem Krieg.

Der 75-jährige erinnerte an den Vietnam-Krieg, in dem etwa 50.000 US-Soldaten getötet wurden. Thich wies auch darauf hin, dass er weit davon entfernt sei, politisch zu agieren, obwohl er sich zwei der heissesten internationalen Themen widmete, dem Irak-Krieg und der Nuklearkrise Nord-Koreas.

"Süd-Korea sollte deutlich machen, dass es niemals einen Krieg gegen den Norden beginnen wird und diesem helfen will die dortigen Probleme friedlich unter Brüdern zu lösen," sagte Thich. Als buddhistischer Meister betonte er außerdem die Wichtigkeit von Meditation zur Lösung jeden Konfliktes: "Zunächst muss man den eigenen Geist beherrschen, wenn man Frieden in die Beziehung zu anderen bringen will."

Thich Nhat Hanhs Name steht in der ganzen Welt als Symbol für Frieden und Harmonie, und seine Lehrreden vermitteln Einsicht in die moderne Welt. Um seine Idee vom Leben in Frieden und Harmonie in der ganzen Welt zu verbreiten, hat Thich Nhat Hanh sein Leben damit verbracht, die Idee des "engagierten Buddhismus" zu unterstützen. Er ist Vorkämpfer der vietnamesischen oppositionellen Friedensbewegung.

Thich Nhat Hanhs erstes Buch war "The Living Buddha Sings of Peace", aber seine Bekanntheit wuchs unter den Lesern in Vietnam  durch das Werk "Anger" (Wut), von dem bislang 700.000 Exemplare verkauft wurden. Dieses Buch führt in Spiritualität ein und in eine Philosophie für das moderne Leben und vermittelt einen Pfad zum inneren Frieden.

Thich Nhat Hanhs Ideen haben vielen Menschen, die in diesem ermüdenden, materialistischen Chaos der modernen Welt leben, Frieden gebracht.

Ein einzigartiger Aspekt von Thich Nhat Hanhs Buddhismus ist die Betonung der transzendentalen Liebe und die Anerkennung aller Religionen. Er ist davon überzeugt, dass es möglich ist, die Schranken zwischen den religiösen Gruppen durch interne Disziplin zu lösen.


A Buddhist Perspective on the New Gulf War
Von David Loy, Buddhist News Network, 17. März  2003
Tokia, Japan. Ich bin überzeugt, der Buddhismus kann uns eine spezifische Einsicht vermitteln, warum dieser verrückte, dumme Krieg im Begriff ist auszubrechen. Eine große internationale Friedensbewegung ist quasi über Nacht entstanden, da die offiziellen Kriegsbegründungen einfach keinen Sinn ergeben. Trotz der extremen Bemühungen, eine Verbindung zwischen dem Irak und Al Qaeda herzustellen, konnte diese nicht gefunden werden. Saddam ist ein brutaler Diktator? Klar, aber seit wann stört die US-Regierung denn so etwas?
Wir haben doch immer brutale Herrscher weltweit unterstützt und machen das noch immer, so lange dies unseren nationalen Interessen gedient hat, so wie wir auch Saddam unterstützt und bewaffnet haben - damals als er den Iran angriff und seine eigenen Kurden vergast hat. Wenn seine Massenvernichtungswaffen so gefährlich sind, warum ist es dann so schwierig, sie zu finden? Und warum beunruhigt dies eigentlich nicht seine Nachbarn mehr als uns? Ganz einfach, weil Saddams militärische Potenz nur noch ein Schatten dessen ist, was sie vor zwölf Jahren war.

Es gibt da in der Tat eine ungeheuer starke Nation, die dabei ist weiterhin entsetzlich destruktive Waffen zu entwickeln und sich dabei weiterhin über internationale Kontrollverträge hinwegsetzt. Aber dieser Schurkenstaat ist nicht Irak.

Also was geht wirklich vor? An dieser Stelle helfen buddhistische Lehren. Das Prinzip von Karma betont die Intentionen hinter unseren Handlungen. Wir leiden und lassen andere leiden wegen der "Drei Gifte" oder der Wurzelübel: Gier, Hass und Verblendung. Diese müssen transformiert werden in ihre positiven Entsprechungen: Großzügigkeit, lie-bende Güte und Weisheit. Das ist ebenso ein kollektives wie ein individuelles Problem: es gibt die institutionalisierte Gier  (z. B. in Form von Konzernen), institutionalisierten Hass (z. B. im militärisch-industriel-len Komplex) und institutionalisierte Verblendung (z. B. in Form der Medien). Und diese drei Gifte bilden die Motivation für den neuen Golfkrieg.

Gier? Nach Öl, natürlich, aber auch nach der Chance, den Nahen Osten entsprechend unserem Willen neu zu positionieren (so glauben wir jedenfalls).

Hass? Man hat uns erzählt, dass Saddam versucht hat Bush I zu töten. Wichtiger allerdings ist, das Daddys alte Garde wieder an den Schaltstellen der Macht sitzt, und die wollen den ersten Golfkrieg zu Ende führen. Sie ärgern sich immer noch, dass Saddam ihn überlebt hat, während die erste Bush-Administration die Wiederwahl nicht überlebt hat. Aber es gibt da noch einen weiteren Faktor: die Notwendigkeit, von der Tatsache abzulenken, das Bush II und Co. den Krieg gegen den Terrorismus bislang nicht gewonnen haben. Bin Laden hat sich abgesetzt und die Al Qaeda hat sich neu gruppiert. Afghanistan fällt zurück ins Chaos. Schon bald wird mit neuen Terroranschlägen gerechnet. Da man diesen Misserfolg nicht leugnen kann, muss die Aufmerksamkeit auf einen anderen Feind gelenkt werden. Der Feind muss ein neues Gesicht erhalten - oder besser ein neues Ziel für die eigene Angst und Frustration. Und dies gilt natürlich insbesondere für eine Präsidentschaft, die ihre Ausrichtung erst durch den 11. September erhielt. Der Zeitpunkt für dieses Umschalten war perfekt gewählt und verantwortlich für den republikanischen erfolg bei den Halbzeitwahlen.
Diese Motivation muss nicht notwendigerweise bewusst abgelaufen sein. Wir sind nur allzu vertraut damit wie dieser Mechanismus wirkt. Dein Chef macht dir das Leben im Büro schwer, und wenn du dann nach Hause kommst, sagt dein Kind etwas leicht Irritierendes und schon bekommt es eine gewischt.

Ein weiterer Faktor, der in diese zweite Kategorie fällt ist das Verlangen all diese neuen Waffen auszuprobieren, die im Auftrag des Pentagon entwickelt und angeschafft wurden. Man muss sie unter echten Gefechtsbedingungen testen. Hinteher muss man ihren Vorrat dann wieder auffüllen, was denn Rüstungskonzernen Profite bringt, wobei wir wieder beim ersten Wurzelübel angelangt sind.

Verblednung? Das ist der Punkt, wo es aus buddhistischer Sicht wirklich interessant wird. Erstens ist da das kollektive übersteigerte Selbstbewusstsein, das daher rührt, dass man die einzige Hypermacht ist. Macht misst man durch den Widerstand dagegen, den man überwinden kann. Ohne Herausforderung für die militärische Dominanz der USA welche Zweck haben dann Zwangsmaßnahmen?  Man hat die Freiheit, alles nach eigenen Wünschen umzugestalten. Das nur geflüsterte Word ist ein Befehl, allerdings ist langfristig eine solche Arroganz selbst-zerstörerisch, denn sie untergräbt die eigene Legitimation.

Und es gibt noch eine andere spezifisch buddhistische Einsicht, und das ist die Verbindung mit an-atta, der Lehre vom Nichtselbst. An-atta bedeutet, dass wir eines Kernes entbehren. Die Schattenseite dieser Lehrheit ist das Fehlen eines letzten Sinnes. Unser Nichtselbst bedeutet, dass wir grundlos sind und dies wiederum bedingt die vergebliche Suche uns realer zu finden. Als Individuen suchenwir danach in solchen Symbolen wie Geld, Ruhm oder Anerkennung durch die Personen, die uns wichtig sind. Und da gibt es auch  eine wichtige kollektive Dimension, aus der sich Ideologien wie der Nationalismus speisen aber auch Gruppenkämpfe, also Kriege. Wir sind immer erleichtert, wenn wir erkennen, dass dieser Mangel an Sinnstiftung irgendwo draußen zu finden ist, im Feind, der deswegen bekämpft werden muss, damit wir endlich ganz und heil werden können.
Das ist der Grund, warum der Krieg als heilig angesehen wird und warum wir Gewalt lieben. Es scheint uns eine klare Ausrichtung zu geben aus dieser Sinnlosigkeit. Die uns aufs Äußerste ängstigt. Gewalt fokussiert unsere Unzufriedenheit nach außen, wo sie zerstört werden kann. Kein Wunder also, dass die Menschen zu Glücksausbrüchen neigen, wenn der Krieg endlich ausbricht, wie es selbst Freud und Rilke zu Beginn des Ersten Weltkrieges widerfahren ist. Wir fühlen uns mit unseren Nachbarn neu verbunden in einem Kampf der nicht länger unbewusst ist, sondern etwas, worüber wir eine bewusste Kontrolle haben. Unser Problem liegt nicht länger in uns selbst, sondern es ist dort drüben. In Afghanistan. Oder im Irak.

Wenn uns dann jedoch Kriege und Revolutionen keine Erlösung von der Sinnsuche bringen, dann brauchen wir eben neue Kriege oder weitere Revolutionen. Und da wir so unser Problem nicht lösen können, brauchen wir beständig neue Teufel außerhalb von uns  (oder auch innen: die "Fünfte Kolonne" islamischer terroristischer Zellen., um unser Versagen zu rationalisieren und um einen Feind zu haben. Um uns dessen nicht bewusst zu werden, projizieren wir mitunter unseren Sieg in die Zukunft. Wenn uns Afghanistan nicht die Sicherheit gibt, die wir brauchen, dann müssen wir eben Irak besiegen. Und wenn auch dies unsere kollektives Selbstbestimmung noch nicht zu einem Ende bringt, werden wir schon noch einen anderen Schurken finden, wie wäre es mit Nord-Korea?

Das spezielle Problem ist heute, dasss unsere wachsenden technologischen Fähigkeiten dieses Spiel ungeheuer gefährlich machen. Wenn wir diesen Teufelskreis nicht endlich durchschauen und beenden, werden wir uns selbst zerstören, indem wir den anderen zerstören. Letztlich kann sowohl diese individuelle wie auch die gesellschaftliche Leere nur spirituell geheilt werden, denn nur so werden wir uns unserer wahren Bestimmung bewusst.

Dies eben ist der buddhistische Pfad. Wir müssen unsere Projektionen in uns zurücknehmen und sie dort bearbeiten. Anstatt vor der Leere in mir selbst wegzulaufen, macht Achtsamkeitstraining (z. B. Zazen) uns mehr gewahr darüber. Wenn ich mich in meiner Meditationspraxis "selbst vergesse", kann diese Leere in meinem Innersten transformiert werden in den "Frieden jenseits des Verstehens", in eine formlose spontane Quelle der Kreativität, frei von Diesem oder Jenem werden. Und sich so seiner eigenen Buddhanatur bewusst zu werden, bedeutet zu erkennen, dass alle - ja auch die Terroristen - selbst Saddam, diese Buddhanatur haben.
Buddhismus betont Gewaltlosigkeit so sehr, weil dieser Pfad nicht kompatibel ist mit dem, was man als "Mythos erlösender Gewalt" bezeichnet: der Glaube, der Gewalt als Lösung unserer Probleme ansieht.



Richard Gere: "Bushs Kriegspläne sind wie ein böser Traum"

Auch bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin wird über den Irak-Konflikt gesprochen. So empfindet etwa Hollywoodstar Richard Gere die Kriegsvorbereitungen von US-Präsident George W. Bush als völlig surreal. "Bushs Kriegspläne sind wie ein bizarrer, böser Traum", sagte der Schauspieler.

"Es scheint überhaupt keine Grundlage für sein Verhalten zu geben. Ich habe das Gefühl, dass hier etwas Geheimes vor sich geht, das eines Tages herauskommen wird", meinte Gere.

"Ich frage mich, woher diese sehr persönliche Feindschaft zwischen George Bush und Saddam Hussein kommt", sagte der bekennende Buddhist Gere. "Es ist wie die Geschichte von Käpt´n Ahab und dem Wal in "Moby Dick"." Bush erinnere ihn in seiner unglaublichen Besessenheit an Ahab, der unbedingt den weißen Wal töten will. "Nein" sei richtige Position Deutschlands. Nein zu einem Irak-Krieg bezeichnete Gere als absolut richtige Position. "Wir müssen sagen "Halt", hier gibt es keinen Grund für einen Krieg. Im Moment bedroht Hussein niemanden, es wäre anders, wenn er uns mit einem geladenen Gewehr in der Hand gegenüber stünde", so Gere.

Das amerikanische Volk steht nach Geres Einschätzung nicht hinter Bush. "Wenn die USA ohne die Unterstützung der Vereinten Nationen in den Irak einmarschierten, geschähe das völlig ohne Unterstützung der amerikanischen Bevölkerung."



Auf der Suche nach Hoffnung

Brief von Soka Gakkai International (SGI) Präsident Ikeda (Japan) vom 26. Januar 2003 an die UN.
Heute verlangen die Bürgerinnen und Bürger überall auf der Welt von ihren politischen Führern Entscheidungen, die die Sache des Friedens voranbringen. Nach dem Ende des Kalten Krieges sind sie nun tief besorgt darüber, dass sich unsere Welt blindlings auf einen neuen und noch verhängnisvolleren Abgrund des Konflikts zu bewegt - einem Zusammenstoß, der von kulturellen und religiösen Unterschieden herrührt.

Sie sind irritiert über das groteske Ungleichgewicht zwischen unserer Zerstörungsmacht einerseits und unserem ethischen Unvermögen zu Mitgefühl und Selbstbeherrschung auf der anderen Seite. Es schaudert sie beim Anblick von Millionen-Dollar-schweren Missiles, die über die Köpfe von Menschen hinwegdonnern, die mit einem oder zwei Dollar pro Tag auskommen müssen. Sie spüren, dass solch eine Welt in eine gefährliche Schieflage geraten ist.

Ich glaube jedoch fest daran, dass ein Zusammenstoß der Kulturen nicht unvermeidlich ist. Ich glaube, dass die Menschen ungeheure und noch ungenutzte Ressourcen besitzen - dazu gehört die Fähigkeit, eine kreative und dynamische Harmonie aus der oft verwirrenden Vielfalt unserer Welt herzustellen.

Der Schlüssel dafür ist eine neue Ethik der Koexistenz, die eine Wertschätzung unserer tiefen Verbundenheit miteinander fördert, eine Sensibilität gegenüber der Tatsache, dass alles, was einem einzigen Mitglied der Menschenfamilie zustößt, auch Auswirkungen auf uns alle hat. Dies wiederum verlangt von uns allen, dass wir uns wieder auf einzelne Menschen konzentrieren - dass wir ein Paradigma und Leitlinien festlegen, die eine "normale Lebensgröße" haben.

Wenn Menschen die Realitäten von anderen Menschen nahe gebracht werden, dann entstehen auf natürliche Weise Gefühle der Verbundenheit und Empathie. Genau deshalb beginnen Kriege und andere Gewaltakte immer damit, den "Feind" zu entmenschlichen. Deshalb werden die Medien in jedem Land "unser" Leid in allen Details schildern, während das anderen zugefügte Elend klein gehalten oder ignoriert wird - denn sie sind ja eine anonyme Masse, sie sind "die anderen".

Wenn wir in unserer Fantasie durch die Feindesländer reisen und im Geiste dem Leben derjenigen auf der anderen Seite des Bildschirms nachspüren, dann finden wir Menschen, die sich von uns nicht unterscheiden. Genau wie wir suchen sie die normalen Freuden der Freundschaft und Liebe, feiern das strahlende Wachstum ihrer Kinder, beten dafür, dass ihre Eltern Sicherheit und Gesundheit erfahren können.

Das ist die Wirklichkeit, das Gewebe des ganz normalen Lebens. Und dieses Gewebe wird durch Krieg, Terrorismus und jede andere Form der Gewalt zerstört - und am Ende bleibt nur graues Elend davon übrig. Denn wir reden hier über die gewaltsamen Tode von geliebten Menschen. Hinter den computerspielgleichen Darstellungen befinden sich echte Menschen - irgendjemandes Sohn oder Tochter, irgendjemandes bester Freund oder Geliebter. Die Gebäude können vielleicht wieder aufgebaut werden, doch die Wunden und Narben der Gewalt heilen niemals wirklich.

Echte Führungsqualität im 21. Jahrhundert muss sich auf das feste Versprechen gründen, alles dafür einzusetzen, um dieses wertvolle Gewebe des alltäglichen Lebens zu beschützen. Die einfachen Bürgerinnen und Bürger überall auf der Welt erheben ihre Stimme und bestehen darauf, dass alle Entscheidungen - einschließlich der politischen, militärischen und wirtschaftlichen - aufgrund dieser menschlichen Realitäten getroffen werden, die niemals aus den Augen verloren werden dürfen. Das gemeinsame Anliegen des menschlichen Glücks ist die stärkste Grundlage für menschliche Solidarität. In einer Welt, in der die gegenseitigen Verknüpfungen so intim geworden sind, kann sich Solidarität nicht einfach auf eine Gruppe oder Nation beschränken. Sie muss alle Menschen überall mit einschließen.

Das ist kein leerer Idealismus - davon bin ich fest überzeugt. Ich glaube nicht daran, dass die sehr realen Unterschiede in Bezug auf Kultur und Weltsicht uns auf unüberwindbare Weise trennen müssen.
Ein Paradigma in "normaler Lebensgröße" ist gleichzeitig in seiner Anlage ein kosmisches. Wenn wir uns wirklich auf einzelne Menschen konzentrieren, dann können wir in jeder Person sehen, wie sie einzigartige Aspekte eines ganzen Universums von menschlichen Möglichkeiten manifestiert - und sie tut es auf eine unschätzbare und unersetzliche Weise. Dasselbe kann von jeder Kultur und Tradition gesagt werden. Jede von ihnen ist eine wunderschöne "Welle", die auf den ozeanischen Tiefen unserer gemeinsamen Menschlichkeit tanzt.

Frieden entsteht nicht durch passives Abwarten. Man muss mit Energie und Konzentration dafür arbeiten. Die größte "Waffe" derjenigen, die gerne Frieden schaffen wollen, ist der Dialog - also die Weigerung, die Kraft der Sprache einfach wegzuwerfen, wo doch gerade sie uns zu Menschen macht. Dialog und Kommunikation ist - unhabhängig vom kurzfristigen Ergebnis - bereits ein Akt des Glaubens an unsere Menschlichkeit. Es ist genau dieser Glaube, den wir unermüdlich stärken und festigen müssen. Der Kampf darum, zu verstehen und verstanden zu werden, verlangt von jeder und jedem von uns, an die tiefsten Quellen unserer Menschlichkeit zurückzukehren - jenseits der Unterschiede von Geschichte, Kultur und Konfession.

Dort - und in den stillen Sehnsüchten des alltäglichen Lebens - liegen die Antworten auf die immensen Herausforderungen, denen wir nun gegenüberstehen.
Daisaku Ikeda



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