Franz-Johannes Litsch

Globalisierung wohin?

Kein Begriff kennzeichnet so sehr die vorherrschenden Entwicklungen und Veränderungen unserer Gegenwartswelt wie der Begriff „Globalisierung“. Dabei steht er für eine Vielzahl weltweiter Prozesse, die uns vor gewaltige Herausforderungen stellen, wie es sie in dieser Komplexität, mit diesen Chancen aber auch Bedrohungen noch nie in der Menschheitsgeschichte gegeben hat.

Die wichtigsten der mit dem Begriff "Globalisierung" belegten Vorgänge sollen hier nachfolgend beschrieben werden, dabei den Blick vor allem auf die Phänomene richtend, an denen sich die Probleme und Auseinandersetzungen bereits entzündet haben oder in nächster Zeit wahrscheinlich entzünden werden. Insofern erhebt die Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit.



1. Alle herkömmlichen wirtschaftlichen, politischen und geographischen Grenzen des Warenaustauschs lösen sich auf. Die Produkte stammen von überall her aus den ganzen Welt, auch wenn gleiche
oder ähnliche in unmittelbarer Nähe produziert werden. Dadurch ist das qualitative und quantitative Angebot an Waren in ungeheurem Masse angewachsen. Ausschlaggebend für ihren Vertrieb ist ihr günstiger Preis und die bessere Vermarktung. Bedingung dafür: der Abbau jeglicher Handelsschranken, schnelle Kommunikationstechnik und ein schnelles, global vernetztes Verkehrs- und Transportsystem. Dessen Errichtung und Aufrechterhaltung sowie die Folgekosten werden jedoch vielfach nicht von der Wirtschaft und über den Markt finanziert sondern vom Staat und damit von den Lohnsteuern der Bürger, was die tatsächlichen Warenpreise enorm verfälscht. Auch hat diese Mobilität einen gewaltigen, ökologisch verhängnisvollen Energieverbrauch zur Folge.

2. Wie der Warenabsatz so sind die Produktionsstandorte nirgendwo mehr verlässlich verankert. Sie werden dort angesiedelt, wo es für die Unternehmen die günstigsten Bedingungen gibt (Standortdebatte). Welche diese sind, definiert die heute weltweit dominierende Ideologie des Neoliberalismus mit ihrem Programm: Deregulierung staatlicher Eingriffe, Abbau aller Investitionshindernisse, niedrige Löhne, geringst mögliche Sozialabgaben, geringst mögliche Umweltstandards, niedrigste Steuerbelastung, dafür optimale, vom Staat und damit von den Bürgern zu bezahlende Infrastruktur, vom Staat abzusichernde politische und soziale Stabilität, ein Potential an möglichst staatlich ausgebildeten, gut qualifizierten, hoch motivierten, leistungsfähigen, mobilen, jungen Fachkräften bei möglichst geringer Einflussnahme durch Gewerkschaften oder betriebliche Mitbestimmung.

3. Neben dem globalen Warenmarkt hat sich ein weiterer Markt, der globale Finanzmarkt herausgebildet, der den letzteren heute an Schnelligkeit, Geldwert und Einfluss weit übertrifft. Es ist der Markt frei verfügbarer Finanz- bzw. Kreditmittel für alle Arten von Investitionen oder Schuldentilgungen. Mit Hilfe global vernetzter Computer- und Kommunikationstechnik werden hier in Sekundenschnelle riesige Geldbeträge verschoben, eingesetzt und wieder abgezogen und täglich mehr Finanzkapital kreuz und quer um den Globus transferiert, als derzeit innerhalb eines ganzen Jahres weltweit durch Produktion erwirtschaftet wird. Dieser Finanzmarkt belohnt, dem Prinzip des "shareholder value" folgend, diejenigen Unternehmen oder Staaten, die jede Möglichkeit zum Arbeitskräfteabbau, zur Rationalisierung, Einsparung und Kostensenkung und damit zur Aussicht auf Gewinnsteigerung nutzen.

4. Der traditionelle Markt an Aktien, Anlegefonds und Devisen hat durch Maßnahmen der Liberalisierung und durch eine mit überzogenen Versprechungen und gefälschten Bilanzen erzeugte, immer breitere Beteiligung von Kleinaktionären eine gewaltige Ausweitung erfahren und an den internationalen Börsen bislang ungekannte Zuwächse und Gewinne für einige gewiefte Spekulanten und erhebliche Kapitalverluste für viele unbedarfte Anleger eingebracht. Zugleich hat dieser Markt zu katastrophalen Einbrüchen und Abstürzen ganzer Wirtschaftszweige oder Länder und deren nationaler Ökonomie geführt und Millionen Menschen über Nacht in Arbeitslosigkeit oder gar Armut getrieben (zur Zeit die Krise der sog. New Economy, der Staatsbankrott in Argentinien und Uruguay, vor wenigen Jahren die sog. Asienkrise). Die Kursverläufe an den Aktienmärkten werden zumeist von irrationalen Einflüssen und geradezu hysterischen  Reaktionen bestimmt. Die wirtschaftliche Entwicklung wird dadurch immer labiler und unvorhersehbarer. Die auf diesem Wege sich vollziehende Geldvernichtung ist gigantisch.

5. Unter dem Zwang zum immerwährenden Wirtschaftswachstum hat sich der globale Verdrängungs- und Konkurrenzkampf enorm verschärft, was zu einer noch nie da gewesenen Konzentration und Fusion von globaler wirtschaftlicher Macht in den Händen weniger transnationaler Konzerne (TNC) geführt hat. Deren Finanzkraft übertrifft die zahlreicher staatlicher Haushalte, insbesondere die der sog. 3.-Welt-Staaten und zwingt alle Regierungen zu total wirtschaftskonformem Verhalten. Die weltweit 10 größten Unternehmen hielten bereits 1990 ein Viertel aller globalen Anlagewerte. Das Vermögen der 358 reichsten Personen übertrifft das Jahreseinkommen von 45 Prozent der Weltbevölkerung. Die multinationalen Konzerne agieren, investieren, produzieren und verkaufen global, sind international arbeitsteilig organisiert und unterliegen, da übernational und ohnehin keiner nationalen demokratischen Einflussnahme unterliegend, keinerlei globaler öffentlicher Kontrolle.

6. Die Bedeutung und der Einfluss der Nationalstaaten auf die wirtschaftlichen Verhältnisse oder ihre Entwicklung wird immer geringer. Die wirklich geschichtsmächtigen Entscheidungen werden heute auf immer höherer, entfernterer und abstrakterer Ebene getroffen, von globalen Zusammenschlüssen wie der G8-Staatenkonferenz, WTO, IWF, Weltbank, Weltwirtschaftsforum, OECD, EU, NAFTA usw. Dem gegenüber entstand seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts weltweit eine regional aktive aber global vernetzte Gegenmacht in Form von NGO´s und Basisbewegungen, die verschiedentlich in der Lage war, den Global Players gewisse ethische Zugeständnisse oder Verhaltensänderungen abzuringen (Umwelt-schutz, Nachhaltigkeit, Sozialverträglichkeit, Achtung der Menschenrechte). Wirtschaftsethik wurde dadurch zu einem wichtigen ökonomischen Faktor.

7. Die Produktion in den Betrieben wird durch Arbeitsrationalisierungen, Stillegungen und radikale Einsparungen, vor allem aber durch die Automatisierung der Produktion und den Einsatz pausenlos sich fortentwickelnder Computer- und Robotertechnik immer unabhängiger vom Einsatz menschlicher Arbeitskraft. Massenentlassungen und ein dauerhaftes, hohes Niveau an struktureller Massenarbeitslosigkeit, kaschierter Unterbeschäftigung oder extremer Niedrigeinkommen sind weltweite Normalerscheinungen geworden. Die industrielle Produktion braucht nicht mehr die Produzenten. Die Zahl der überflüssig gewordenen, demoralisierten, am Rande oder bereits mitten in Armut und Verelendung stehenden Menschen nimmt nicht nur in den südlichen Armutsregionen sondern auch in den hochindustrialisierten Reichtumsmetropolen zu.

8. Immer mehr globale Unternehmen verabschieden sich ganz von eigenen Produktions- und Vertriebsstätten und wandeln sich zu bloßen Marketingkonzernen von Marken und Logos um (Levi´s, Nike, Adidas, Reebok, Beneton usw.), die nicht mehr Produkte sondern Image und Lifestyle verkaufen, während sie die Herstellung je nach Marktlage und Mode kurzfristig an extrem billige Hersteller in besonders unterentwickelten Regionen der 3. Welt vergeben (Outsourcing). In diesen von jeglichen Steuern, Sozialstandards, Gewerkschaftsrechten und oft auch Menschenrechten befreiten "Sonderwirtschafts-", "Freihandels-" oder "Exportproduktionszo-nen" (EPZ) werden insbesondere junge ungebildete Frauen kurzfristig, zu übermäßig langen Arbeitszeiten und extrem niedrigen Löhnen beschäftigt. (Philippinen, Indonesien, China, Sri Lanka, Brasilien u.a.). Auf diese Weise befreien sich die Unternehmen von jeglicher Sozialverantwortung. Die Waren werden auf Grund ihres, mit riesigem Werbeaufwand erzeugten Markenimage zu völlig überzogenen Preisen vor allem von den Jugendlichen der Wohlstandsländer des Nordens gekauft.

9. Da die Wirtschaft und die Großverdiener sich dem Staat als Steuerzahler immer mehr entziehen, gleichzeitig auch die Zahl der steuerzahlenden Kleinverdiener schrumpft und die verschuldeten Staatshaushalte in breitem Umfang nur mehr der Zinszahlung dienen, verfügen die Regierungen über immer geringere Haushaltsmittel, was die staatlichen, sozialen und öffentlichen Leistungen immer mehr einschränkt und in eine Abwärtsspirale öffentlicher Armut und Verwahrlosung hineinführt. Als vermeintliche Lösung werden wichtige gesellschaftliche Bereiche (Wasserversorgung, Energieversorgung, Schulen, Krankenhäuser, Öffentlicher Verkehr, Telefonnetze usw.) privatisiert, damit den Bedingungen reiner Wirtschaftlichkeit unterworfen und dabei entweder abgebaut oder letztlich nur noch für Reiche zugänglich. Millionen an Menschen in der Dritten Welt werden auf diese Weise von den elementarsten Lebensnotwendigkeiten abgeschnitten. IWF und WTO drängen inzwischen gar darauf, auch den gesamten kulturellen Bereich, Bildung und Ausbildung dem Zugriff des globalen Marktes zu öffnen.

10. Die in ihrer Funktion reduzierten Staaten werden dafür immer mehr auf die Erhaltung internationaler und öffentlicher Sicherheit hin orientiert, auf den Ausbau immer perfekterer Bürger-Überwachung zur Verbrechens- und Terroristenbekämpfung sowie auf die Bereitstellung hocheffizienter mobiler Streitkräfte zur Absicherung internationaler Interessen oder zum Schutz vor weltweit agierendem Terrorismus. Der 11. Sept. 2001 hat dieser Entwicklung einen mächtigen Schub verliehen. In den USA und in fast sämtlichen Staaten der Erde wurden seither die Überwachungsgesetze und -maßnahmen in drastischem Ausmaß erweitert, wurden die Freiheitsrechte der Bürger in gravierendem Umfang eingeschränkt, wurden die Möglichkeiten staatlicher Willkür in beängstigender Weise erweitert. Ohnehin schon stark repressive Regime nehmen den „Kampf gegen den globalen Terror“ zum Anlass, nun endgültig die Eigenständigkeit oder den Widerstand oppositioneller Kräfte oder Gruppierungen im eigenen Land (insb. ethnische Minderheiten in Russland und China) zu liquidieren.

11. Zahlreichen ehemaligen Kolonialstaaten des Südens ist es nicht gelungen, Anschluss an die atemberaubende wirtschaftliche, wissenschaftliche, technische Entwicklung in den Ländern des Norden zu erlangen. Im Gegenteil, sie rutschen immer mehr ab in Verhältnisse extremer Armut und Unterernährung, ökologischer Zerstörung, gesellschaftlicher Desintegration, weitverbreiteter Anarchie oder gewalttätig rivalisierender Machtbanden. Die letzteren verfügen fast durchweg über modernste Waffentechnik, was jene Machtclans zumeist durch die Vergabe ungehinderter Rechte zur Ausbeutung lokaler Boden- oder Naturschätze oder über den weltweiten Drogenhandel finanzieren (Afghanistan, Zentralasien, Burma, Indonesien, Philippinen, Zentrales Afrika, Kolumbien u.a.). Beides stärkt letztlich wiederum die Macht und den Reichtum der weit entfernt sitzenden Drogenbarone, Waffen- oder Rohstoffkonzerne und vertieft das schon bestehende globale Nord-Südgefälle.

12. Die extremen ökonomischen und sozialen Ungleichheiten auf unserem Planeten, die politische Willkürherrschaft in zahlreichen 3. Weltstaaten, die Kriegs- und Bürgerkriegszustände und die hochgradige Massenarbeitslosigkeit in vielen Ländern der Erde haben zu einer globalen neuen Völkerwanderung geführt. Millionen Flüchtlinge oder Arbeitssuchende wandern zwischen wechselnden Krisen- und Kriegsgebieten hin und her und destabilisieren die betroffenen Länder. Millionen andere machen sich auf den Weg in den hochindustrialisierten Norden, um dort Asyl und Arbeit zu finden. Doch die reichen Länder schotten sich von solchem Zuzug immer rabiater ab, unterstützt von einem gefährlich und breit angewachsenen Rassismus und Fremdenhass, der von etlichen Politikern wiederum skrupellos zur Eroberung eigener Macht genutzt und geschürt wird. Dies bedroht erheblich die Grundlagen der westlichen Demokratie, Freiheit und Zivilisation.

13. Die Möglichkeiten zu reisen, schnell, billig und bequem andere Orte, Länder und Kontinente zu besuchen, die Heimat anderer Völker kennen zu lernen und selbst in weit abgelegene, kulturell und landschaftlich fremde Gebiete vorzudringen, hat die Begegnung von Menschen und Kulturen in den letzten Jahrzehnten enorm gesteigert. Dabei dringen die Wohlstandserrungenschaften und Lebensorientierungen der westlichen Zivilisation immer stärker in Völker und Kulturen ein, die über Jahrtausende alte stabile Lebensformen verfügten und nun plötzlich in große Labilität oder gänzlich aus dem Gleichgewicht geraten. Für manche hat dies den völligen Identitäts- und Kulturverlust zur Folge. Umgekehrt wandern auch zahlreiche geistige, kulturelle, religiöse Einflüsse und Ideen mit den Besuchern in deren Heimatländer zurück (z. B. asiatische Religionen, Lebenshaltungen oder Heilmethoden) und stoßen dort neue Entwicklungen an, die ebenso die westlichen Gesellschaften und ihre Wertorientierungen verändern.

14. Weltweit vollzieht sich eine immer buntere Vermischung der Kulturen, der rassischen, ethnischen, nationalen Herkünfte und Identitäten. Immer mehr Menschen gehen über ehemalige ethnische Grenzen hinweg partnerschaftliche Bindungen ein, immer stärker ist für immer mehr Menschen die Arbeit selbst internationalisiert, wird sie von multinationalen Arbeitsteams ausgeführt oder leisten Menschen ihren Arbeitsbeitrag in anderen Ländern. Nie zuvor haben sich so viele Menschen für Kleider, Speisen, Musik, Tänze und Kunst anderer Völker interessiert. Nie zuvor gab es so große Anteilnahme an politischen, kulturellen oder sportlichen Ereignissen in weit entfernten Ländern, an Naturkatastrophen oder technischen Unfällen, an menschlichen Tragödien und Sensationen. Nie zuvor gab es, dort wo eine entsprechende Aufmerksamkeit geweckt wurde, so viel globale Hilfsbereitschaft und internationale Solidarität von Menschen und Organisationen.

15. Die globale flächendeckende Ausbreitung der modernen Medien über alle kulturellen Grenzen hinweg (Kino, Fernsehen), die Computerisierung fast aller Arbeits- aber auch privaten Lebensbereiche in den reicheren Ländern (PC), die explosionsartige Ausbreitung und Fortentwicklung der globalen Informations- und Kommunikations-Vernetzung (Fax, Handy, Internet) hat der Menschheit innerhalb weniger Jahre gänzlich neue Möglichkeiten des Zugangs zu Wissen und des Austauschs miteinander aber auch der Medienmanipulation eröffnet. Der Eintritt in die Erzeugung simulierter, virtueller, vernetzter Welten verändert darüber hinaus grundlegend unsere Erfahrung von Wirklichkeit. Ein Teil der Menschheit auf dieser Erde lebt bereits teilweise in einem anderen Wirklichkeitsraum, dem "Cyber-space", von dem ein riesiger Teil der Menschheit ausgeschlossen ist und bleiben wird. Es droht eine weitere, globale, informations-technische Apartheid.

16. Die Armut in den Ländern der südlichen Erdhemisphäre im Verein mit den gewaltigen Erfolgen der modernen Medizin, hat dem Globus eine noch nie da gewesene Bevölkerungsexplosion beschert, für die derzeit keine Abschwächung erkennbar ist. Die gegenwärtigen 6 Milliarden Menschen werden in 25 Jahren schätzungsweise auf 9 Milliarden angewachsen sein. Die Mehrzahl davon hat jedoch weder Aussicht auf ausreichenden Lebensraum und Ernährung noch auf Bildung oder Arbeit. Und selbst wenn all diesen Menschen ein durchschnittlicher Lebensstandard nach westlichem Muster geschaffen werden könnte, würde dies die ökologische Verträglichkeit unseres Planeten völlig überfordern und zur Zerstörung der bestehenden Überlebensbedingungen führen. Eine radikale Umkehr in der Lebensweise und im Verbrauch der Menschen der reichen Länder ist darum unverzichtbare Voraussetzung, um das Überleben der Gesamtmenschheit zu gewährleisten.

17. Die Auflösung wirtschaftlicher und politischer Grenzen, ja ganzer Staatengebilde und langjähriger diktatorischer Regime (Sowjetunion, Jugoslawien, Indonesien, Zentralafrika usw.) lässt uralte ethnische, soziale, historische, kulturelle, religiöse Konflikte und Unabhängigkeitsbestrebungen wieder hervortreten, die in vielen Teilen der Welt zu offenen oder schwelenden Kriegs- oder Bürgerkriegszuständen geführt haben. Die Staatenlosigkeit dieser Regionen bietet darüber hinaus hervorragende Bedingungen für die Etablierung weltweit agierender organisierter Kriminalität und des globalen politischen Terrorismus. Doch diese Zustände werden von den politisch und wirtschaftlich führenden Weltmächten zumeist ignoriert oder in kurzsichtiger Weise für eigene kurzfristige Interessen ausgenutzt (Kambodscha, Ruanda, Jugoslawien, Indonesien, Afghanistan u.a.), bis ihre Folgen zur ernsthaften Gefahr für die internationale Stabilität, Sicherheit oder eigene Interessen werden und nun immer häufiger jene führenden Staaten als globale Ordnungs- und Polizeimächte auf den Plan rufen ohne in den betroffenen Ländern zu ernsthaften und wirklichen Lösungen zu führen.

18. Die weltweite Massenproduktion, Verbreitung und Perfektionierung von Waffen und Kriegstechnik hat ein extrem gefährliches Ausmaß erreicht. Die Zahl der Atommächte wächst. Zusätzlich wird von den USA nun auch noch die massive Militarisierung des Weltraums betrieben (SDI). Nicht nur, dass es immer wahrscheinlicher wird, dass eines Tages Massenvernichtungswaffen in der Hand unverantwortlicher Politiker oder fanatischer Terroristen zum Einsatz kommen, schon die massenhafte private Verbreitung von Handfeuerwaffen (insb. unter Jugendlichen) oder die flächendeckende Verseuchung zahlreicher Krisengebiete durch leicht erhältliche Antipersonenminen stellt eine tägliche Bedrohung der Zivilbevölkerung vieler Ländern dar. Dabei wird in den Labors der Computer- und Biotechniker mit Milliarden an der Entwicklung noch wirksamerer noch furchtbarerer Waffen gearbeitet. Wir steuern auf einen Zustand zu, wo dieses Gewaltpotential von keiner Regierung oder öffentlichen Macht mehr beherrscht werden kann. Der 11. 9. gab eine dramatische Vorahnung davon.

19. Nach dem Wegfall der gesellschaftsideologisch geprägten Ost-West-Konfrontation ist die USA als die politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich, kulturell führende und dominierende globale Supermacht übriggeblieben. Doch anstatt diese Kraft nun gezielt zur Lösung der zahllosen weltweiten Probleme und Herausforderungen einzusetzen, nutzen die USA diese Macht, um der übrigen Welt immer einseitiger ihre eigenen Interessen und Sichtweisen aufzuoktroyieren und jede wirklich partnerschaftliche Zusammenarbeit zu ignorieren. Seit dem furchtbaren Terroranschlag vom 11. 9. schließlich geht die USA-Regierung endgültig den Weg der Etablierung eines neuen, diesmal tatsächlich weltumspannenden Imperium Romanum. Die UNO hat 189 Mitgliedsstaaten, in 120 von ihnen ist Amerika nunmehr militärisch präsent. Unter der Devise des „Kampfs gegen den Terror“ und des „Kriegs gegen das Böse“ nehmen sie sich nun das Recht, jederzeit und überall auf der Welt ihre partikularen Interessen durchzusetzen und die Welt in den Zustand eines immerwährenden Krieges zu versetzen.

20. Die politische, wirtschaftliche, wissenschaftlich und kulturelle Dominanz des Westens weckt in der übrigen Welt einerseits große Bewunderung und kritiklose Bereitschaft zur Unterwerfung und Anpassung doch andererseits ebenso immer mehr Abwehr, Angst, Unterlegenheitsgefühl, Frustration und Hass. Zunehmend mehr Menschen suchen Hoffnung und Heil in fundamentalistischen und gewalttätigen Bewegungen und instrumentalisieren dafür insbesondere ihre überkommenen religiösen Identitäten. Der Islam ist nach dem Zusammenbruch des Sozialismus als Alternative innerhalb weniger Jahre zur vermeintlich mächtigsten Gegenkraft gegen die Kultur des Westens und der Moderne geworden, was der Westen seinerseits mit der fundamentalistischen Wiederbelebung des Feindbilds Islam beantwortet. Immer fataler wird die Welt auf diese Weise in einen globalen „Kampf der Kulturen“ hineingeredet, der letztlich nur in eine verheerende beiderseitige Gewaltorgie führen kann.

21. Die weltweite industrielle Ausbeutung der Bodenschätze und fossilen Energiequellen, die riesige Abholzung von Wäldern, der tägliche, unwiederbringliche Verlust an tierischer und pflanzlicher Artenvielfalt, die Verschmutzung und Verseuchung von Flüssen und Meeren, die Strahlenbelastung durch die Atomenergie und der enorm erhöhte Elektrosmog, die extensive Ausbeutung und Vergiftung von Böden und Grundwasserbeständen, die Erosion und Versiegelung von Böden, Kanalisierung von Flüssen und Überweidung von Steppen, die Schädigung der globalen Ozonschicht, die Aufheizung der Erdatmosphäre und der Meere, das Schmelzen der Eismassen in den Hochgebirgen und an den Polkappen, die Ausbreitung umweltschädlicher Monokulturen, die Ausweitung bestehender und die Entstehung neuer Wüstengebiete usw. usw. haben die Erde mittlerweile in einen für den Menschen äußerst gefährlichen, ökologisch labilen Zustand gebracht. Jahrtausende alte Ökosysteme drohen zu kippen und lassen Umwelt- und Klimakatastrophen von gewaltigem Ausmaß und gigantischen Kosten auf uns zukommen.

22. Unter dem Druck des globalisierten Agrarmarktes wurde in den letzten Jahrzehnten die traditionelle Landwirtschaft weltweit von einer hochtechnisierten Nahrungsmittelindustrie verdrängt. Regionale Selbstversorgung ist in den reichen Industriestaaten weitgehend abgeschafft, während die 3.-Welt-Länder auf ökonomisch abhängig machende Monokulturen festgelegt wurden. Zur Vereinfachung der Massenproduktion und des weltweiten Vertriebs haben Chemie, Pharmazeutik und Gentechnik unsere herkömmlichen pflanzlichen und tierischen Nahrungsmittel tiefgreifend verändert und entnaturalisiert. Die Folgen äußern sich im deutlichen Anstieg von Zivilisationskrankheiten und -beschwerden und in immer neuen Lebensmittelskandalen. Die unwürdige und artfremde Haltung der Nutztiere und deren Transport quer über Länder hinweg sorgen zudem für die rasche Verbreitung verheerender Seuchen (BSE, MKS). Darüber hinaus machen sich die Agrarmonopole zu patentrechtlich geschützten Besitzern am weltweiten Genpool aller Nutzpflanzen unserer Erde, so dass die Menschen und Völker auch noch ihres eigenen Saat- und Pflanzenguts und der ökologischen Vielfalt (Diversität) ihrer Heimat beraubt werden.

23. Die rasante Entwicklung der Biowissenschaften, insbesondere der Gentechnologie hat in allerjüngster Zeit menschliche Machbarkeitsperspektiven eröffnet, die alles, was bisher an technisch-wissenschaft-licher Beherrschung der Natur möglich war, weit in den Schatten stellen. Enorme Versprechungen über die mögliche Heilung zahlreicher Krankheiten sollen nun die "verbrauchende" (tötende) Forschung an menschlichen Embryonen rechtfertigen. Mit Hilfe künstlicher Befruchtung und anschließender Selektion der Embryonen durch die Präimplantations- und Pränataldiagnostik wird die Schaffung optimaler Designerbabys in Aussicht gestellt, was jedoch auf eine Technik der Aufteilung in wertes und unwertes Leben hinausläuft. Es wird daran gearbeitet, tierische oder menschliche Klone, neue Tierarten oder gar tier-menschliche Zwitterwesen herzustellen. Bio- und medizintechnische Unternehmen werden zugleich zu patentrechtlichen Besitzern am Erbgut anderer Menschen und Lebewesen. Die Lebenszeit der Menschen in den reichen Ländern wird mit neuen Gentherapieverfahren voraussichtlich erheblich gesteigert. Die Auswirkungen dessen sind unabsehbar. Zugleich lassen immer normaler werdende vorgeburtliche Gentests (Screening) zusammen mit der gezielten genetischen Verbesserung der Nachkommen (Keimbahntherapie) eine weitere, weltweite, genetische Apartheid entstehen.

24. Entwickler sog. Künstlicher Intelligenz in der Computer- und Robotertechnik, zusammen mit Bio- und Gentechnikern sowie Forschern der Nanotechnologie arbeiten darüber hinaus an der völligen Verschmelzung von Mensch und Maschine. Sie beabsichtigen, Menschen durch technische Implantate langlebiger zu machen oder körperlich zu verbessern (von künstlichen Knochen oder Organen bis zu Minirobotern in der Blutbahn) oder gar intellektuell zu erweitern (Mikrochips, Minispeicher, Sensoren oder Sender u.a. im Kopf). Das neue Mensch-Maschine-Wesen, für das es bereits den Namen ´Cyborg´ (cybernetic organism) gibt, soll nach den Visionen seiner Propagandisten den altmodisch gewordenen Homo sapiens bereits zum Ende des 21. Jahrhunderts ablösen. Andere arbeiten daran, den Menschen völlig durch Roboter und hoch perfektionierte künstliche Übermenschen zu ersetzen oder ihn durch die Übertragung seines Bewusstseins auf andere Speichermedien und Körper (z.B. weltweite Netzwerke) "unsterblich" und "allgegenwärtig" zu machen. Derartige Zukunftstechnologien sollen endlich die uralten Verheißungen der Religionen, nämlich Leidfreiheit, Unsterblichkeit und Allwissenheit erfüllen und jene endgültig überflüssig werden lassen.

25. Längst ist unser Planet Erde umhüllt von einer beträchtlichen Anzahl an Satelliten, Raumstationen und künstlichen Himmelskörpern. Längst schicken die technologisch führenden Länder Raketen mit Forschungsinstrumenten zu entfernten Planeten. Ziel ist es, den Weltraum und einige der Erde benachbarte Planeten zu besiedeln, für sich zu erobern und letztlich wiederum wirtschaftlich auszubeuten. Zudem kann jeder Punkt und jedes größere Ereignis auf der Erde von außen beobachtet und kontrolliert werden. Wer den Weltraum beherrscht, beherrscht letztlich den Globus.

Angesichts der Bedrohung des Lebens auf der Erde und der zahllosen unbewältigten Probleme unter den Menschen spekulieren ohnehin manche bereits auf ein Verlassen der Erde und die Übersiedlung auf andere Planeten. Anstatt unsere unmittelbar vor uns liegenden irdischen, menschlichen, persönlichen Verhältnisse heilsam zu gestalten, dehnt der moderne Mensch nun die Flucht vor seiner selbstgeschaffenen Welt, vor seiner Verantwortung und vor sich selbst ins astronomische aus. Die heutige Globalisierung erweitert sich zur Kosmologisierung. Es wird höchste Zeit, wieder zu uns selbst und zum menschlichen Maß zurückzukehren.



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