Der Karuna Trust

Buddhistische Hilfe für Indien

Priyananda vom Karuna-Trust hielt am 10. August im Essener buddhistischen Zentrum einen Vortrag, Horst Gunkel war dort und hat den Vortrag für den "Engagierten Buddhismus" zusammengefasst.



Der Karuna Trust wurde 1981 in England als Hilfsorganisation für die "Neuen Buddhisten", die Ex-Unberührbaren (Dalits) in Indien gegründet. Inzwischen gibt es in Großbritannien etwa 7.000 regelmäßige Spender, die wenigsten davon sind Buddhist/innen.

Seit den 70er Jahren gibt es unter den "Neuen Buddhisten" Indiens das TBMSG (Trailoka Bauddha Mahasangha Savajak Gana), den indischen Ableger der FWBO (Freunde des Westlichen Buddhistischen Ordens), vor allem in Poona, Bombay und Nagpur. Diese Menschen traten teilweise schon in den 50er Jahren zum Buddhismus über um der religiösen Diskriminierung als Dalits zu entgehen, wissen jedoch fast nichts vom Buddhismus, hier setzt die TBMSG mit Schulungen an.

Die Hauptlehrer der TBMSG sind Dr. Ambedkar und Sangharakshita, der Gründer des Westlichen Buddhistischen Ordens (WBO). Schwierigkeiten bereitet den Menschen der Besuch von Retreats, denn in Indien ist die Sechstagewoche üblich, Urlaub gibt es kaum. So wird das buddhistische Zentrum in Nagpur auch als Basis der sozialen Versorgung von Karuna genutzt. Dieses Zentrum wurde vor allem mit Mitteln aus Taiwan aufgebaut, denn Nadpur ist mit dem großen Mahayana-Lehrer Nagarjuna verbunden, daher ist es für Chinesen besonders wichtig Spendengelder dort zu investieren. In Nagpur ist inzwischen die Hälfte der Bevölkerung (immerhin 3 Millionen Menschen) zum Buddhismus übergetreten.

Damit die Kinder nicht mit ihren als Wanderarbeiter umherziehenden Eltern mitwandern müssen und so keine Schule besuchen können bietet Karuna Herbergen (hostels) an. Dort können die Kinder unterkommen und haben so die Möglichkeit eine schulische Erziehung zu erhalten. Sie bleiben dort bis zum Abschluss der staatlichen Schule, d. h. bis sie 15 Jahre alt sind. Die Herbergseltern bieten auch Hausaufgabenbetreuung an, sodass diese Kinder tatsächlich Chancengleichheit mit den Kindern anderer Kasten haben, viele Herbergseltern sind Ordenmitglieder im TBMSG.

Die zweite Art Hilfe, die Karuna bietet, sind Kindergärten, denn häufig wird nur in die Schule aufgenommen, wer zuvor in einem Kindergarten eine vorschulische Erziehung erhalten hat. Insgesamt sind durch Karuna bereits 90 Kindergärten errichtet worden. Nicht alle Kinder in diesen Kindergärten sind Kinder von Buddhisten und Kastenlosen, aber die Mehrheit der Kinder dort sind Dalits oder Kinder von indigenen Volksstämmen.
Karuna führt auch Alfabetisierungsprogramm für Frauen durch, denn in Indien können 40 % der Frauen weder lesen noch schreiben - bei den Dalits ist dieser Anteil mit Sicherheit noch beträchtlich höher.

Ganz wichtig ist auch die Gesundheitsfürsorge, die Karuna in den Slums anbietet. Gesundheitsarbeiter besuchen die Slumbewohner in ihren Hütten. Wird eine ernsthafte Krankheit erkannt, so wird der Patient zu einem Karuna-Vertragsarzt gebracht.

Sehr populär sind Karateklassen des TBMSG. Hier werden Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 19 Jahren unterrichtet. Ziel ist die Körpererziehung und die Stärkung des Selbstvertrauens - ganz wichtig für Kinder, die von anderen als "Un-berührbare" betrachtet werden. Karate wird hier nach buddhistischen Prinzipien unterrichtet, die Klassen sind aber offen für alle Bevölkerungsschichten - soweit diese bereit sind den nötigen Köperkontakt mit Dalits im Unterricht zu akzeptieren.

Weiterhin führt Karuna Qualifizierungsprogramme für Frauen durch. So stehen Handarbeitskurse und Ausbildung zur Näherin auf dem Programm. Der besondere Anreiz liegt dabei, dass wer sich hier qualifiziert eine staatlichen Unterstützung für den Kauf einer Nähmaschine bekommt, wodurch die Frauen sowohl in die Lage versetzt werden, für ihre Familie zu nähen, als auch als Kleingewerbetreibende Geld zu verdienen.
Im letzten Jahr kam als besondere Aufgabe für Karuna die Erdbebenhilfe in Gujerat hinzu. Allein in dieser Stadt kamen bei dem verheerenden Erdbeben 40.000 Menschen um. Da jedoch in Indien die alten Kastenstrukturen noch immer bestehen, bekamen die Opfer Spenden nur von Angehörigen ihrer eigenen Kaste. Die Dalits erhielten somit praktisch keine indischen Spendengelder. Da bei dem Erdbeben zahlreiche Kinder beide Eltern verloren, richtete Karuna zwei Waisenhäuser ein. Außerdem wurden hier Beratungsangebote für Erdbebengeschädigte durchgeführt.

Auch die Zusammenarbeit mit anderen Trägern ist für Karuna wichtig. So werden eine Reihe von Projekten anderer Institutionen mitfinanziert, schließlich muss nicht jeder das Rad gewissermaßen neu erfinden. So gibt es überall in Indien Ziegeleien, in denen Ziegelsteine produziert werden. Diese Ziegeleien befinden sich außerhalb der traditionellen Siedlungen, eben dort, wo die Rohstoffe vorhanden sind. Dort gibt es aber keine Schulen für die Kinder der in den Ziegeleien arbeitenden Menschen. Hier wird von Partnerorganisationen des Karuna-Trust Schulunterricht angeboten.

In Ostindien unterstützt Karuna seit rund 20 Jahren ein Schulprojekt von Exil-Tibetern. Die ITBCI-Schule für Exiltibeter war in den späten 50er Jahren von Dardo Rinpoche in Kalimpong gegründet worden. Dardo Rinpoche und Dr. Ambedkar haben immer wieder betont, dass Kultur- und Bildungsarbeit der Schlüssel zur Emanzipation benachteiligter Bevölkerungsschichten ist. In der Schule wird zweisprachig unterrichtet: morgens in Tibetisch, nachmittags in Hindi.

Auch Bodh Gaya, ein bedeutendes Pilgerzentrum, der Ort wo der Buddha erleuchtet wurde, fehlt nicht auf der Liste der Karuna-Projekte. Bodh Gaya liegt in einem sehr armen Landstrich. Auch hier geht es darum, den Dalits und der indigenen Bevölkerung Schulunterricht anzubieten. In der dortigen Schule sind übrigens die meisten Kinder und Lehrer Nichtbuddhisten: Hindus und Moslems - auch in der Schulleitung.



In Indien wohnen eine Milliarde Menschen, ein Drittel davon unter der Armutsgrenze. Während wir uns dabei gewöhnlich Megastädte mit Slums vorstellen, leben etwa 70 % der Inder/innen noch immer auf dem Lande. Hier ist das Kastensystem noch immer prägend und führt zu einer ungleichen Verteilung des allmählich auch in Indien steigenden Wohlstandes. Da die Dalits kein eigenes Land besitzen, sind sie gezwungen als Tagelöhner auf den Feldern der Angehörigen anderer Kasten zu arbeiten, ihre Kinder erhalten häufig keine schulische Erziehung. Ähnlich geht es den Angehörigen der indigenen Bevölkerung, auch hier ist Kinderarbeit (z.B. die Herstellung von Räucherstäbchen) üblich. Etwa 150 Millionen Inder/innen gehören zu den Dalits, den Ex-Unberührbaren, 10 bis 15 Mio. davon sind zum Buddhismus übergetreten, nicht zuletzt um der hinduistisch-religiös geprägten Unterdrückung zu entgehen.

Dr. Ambedkar, der Vater der indischen Verfassung und erste Justizminister Indiens nach der Unabhängigkeit, der diese Menschen zum Buddhismus führte, genießt bei hier ein Ansehen wie Martin Luther King bei den Schwarzen Amerikas oder Nelson Mandela bei denen Südafrikas. Allerdings gilt die Verehrung hier nicht nur dem Politiker Ambedkar, sondern auch dem religiösen Führer. Indische Buddhisten haben auf ihrem Hausschrein gewöhnlich zwei Bilder, eines vom Buddha und eines von Dr. Ambedkar.



Zurück zur Meditation am Obermarkt
Zur Übersicht Meditation und Dharma
Zur Übersicht Buddhistische Geschichten