Der Buddha erläutert nach dem Bad die Edle Suche

eine Geschichte aus dem Pali-Kanon, den ältesten buddhistischen Schriften
neu erzählt von Horst Gunkel

Originaltitel: Ariyapariyesana Sutta (MN 26)

(c) Copyright by Horst Gunkel - letzte Änderungen 2018-09-06


Den Tag über verbrachten der Buddha und Ananda bei einer Laienanhängerin, der Mutter des Migara, nachdem sie ihre Almosenrunde beendet hatten. Als die heißeste Zeit des Tages vorbei war, brachen sie gemeinsam wieder auf. Auf der Straße angekommen, sagte der Buddha zu Ananda: „Das war ein gutes Gespräch, aber es war auch ein sehr heißer Tag, ich würde jetzt gern ein erfrischendes Bad nehmen, lass uns zum östlich von Savatthi gelegenen Badeplatz gehen.“ Freudig stimmte Ananda zu, denn die beiden waren ziemlich verschwitzt, und da ist es immer gut, ein erfrischendes Bad zu nehmen, wenn die Gluthitze des Tages beendet ist.

Gesagt, getan. Nachdem sich Buddha und Ananda erfrischt hatten, aus dem Wasser gestiegen waren und sich mit einer ihrer Roben, die in kühlen Nächten als Decke, bei dieser Gelegenheit jedoch als Badetuch diente, abtrockneten, fragte der Buddha seinen Gefährden: „Was meinst du, Ananda, wie sollten wir diesen Tag ausklingen lassen?“

Ananda überlegte einen Augenblick, dann sagte er: „Hier ganz in der Nähe ist die Einsiedelei des Brahmanen Rammaka. Ich denke, es wäre ein Akt des Mitgefühls, Rammaka zu besuchen. Außerdem ist es ein sehr angenehmer Platz, lieblich gelegen.“ Schweigend wie das die Art des Buddha war, stimmte er seinem Freund zu und sie machten sich auf den Weg. Wenig später kamen sie an dem besagten Ort an, jedoch war Rammaka keineswegs allein, er befand sich in Begleitung mehrere Mönche und als sich Ananda und der Buddha näherten, hörten sie, dass die Mönche über den Dharma sprachen. Der Buddha gab Ananda ein Zeichen, innezuhalten und das Haus noch nicht zu betreten. Vielmehr hörten sie zunächst einige Zeit und unbemerkt zu.

Als der Buddha erkannte, dass die Erörterung zu Ende gekommen war räusperte er sich und machte so auf sich aufmerksam. Freudig bat der Brahmane Rammaka den Buddha einzutreten.

Guten Abend, Bhikkhus,“ sagte ded Erhabene, „ich hoffe, ich störe euch nicht, worüber habt ihr denn gerade gesprochen? Welche Erörterung habe ich denn gerade unterbrochen?“

Ach, wir haben gerade über euch gesprochen und schon seid ihr hier erschienen!“

Der Buddha, der diese Äußerungen vernahm, aber auch den tatsächlichen Verlauf der Unterredung gehört hatte, nahm dies zum Anlass über den Unterschied zwischen edler und weltlicher Suche zu sprechen: „Das ist recht von euch, Mönche. Wenn edle Mönche zusammentreffen, so sollten sie entweder den Dharma erörtern oder aber sich in noblem Schweigen üben, denn, liebe Mönche, es gibt zwei Arten der Suche: die Edle Suche und die unedle Suche. Die unedle Suche ist es, wenn einer, der Geburt, Alter, Krankheit und Tod unterworfen ist, das sucht, was auch Geburt, Alter, Krankheit und Tod unterworfen ist. Er ist selbst dem Kummer unterworfen und sucht weiterhin nach dem, was Kummer verursacht. Er ist selbst Befleckung unterworfen und sucht das, was zu weiterer Befleckung führt.

Was ist aber das, was der Geburt unterworfen ist? Ehefrau und Kinder sind der Geburt unterworfen, Sklaven und Sklavinnen sind der Geburt unterworfen, Ziegen und Schafe, Geflügel und Schweine, Elefanten, Rinder, Pferde, Gold und Silber sind der Geburt unterworfen. Und genauso wie der Geburt ist auch all dies Alter und Verfall unterworfen, ist Quell von Kummer und Befleckung.

Was andererseits ist die Edle Suche? Da ist jemand der Geburt unterworfen und sucht das, was nicht der Vergänglichkeit anheim fällt, etwas, das höchste Sicherheit bietet – und das ist das Nibbana. Er sucht nicht das, was Kummer und Befleckung verursacht, sondern das, was frei von Kummer und Befleckung ist.

Wisst ihr, Bhikkhus, als ich noch ein junger Mann war, habe auch ich das gesucht, was Geburt, Alter, Krankheit und Tod unterworfen ist, was Kummer und Befleckung hervorruft. Dann jedoch fiel es mir wie Schuppen von den Augen: wie töricht ist es doch, dem nachzujagen, was Geburt, Alter, Krankheit und Tod unterworfen ist, was Kummer und Befleckung hervorruft! Wie viel weiser wäre es doch, wenn ich das suchte, was nicht zu Kummer und Befleckung führt! Das war der Grund, liebe Mönche, warum ich damals mein Haar abrasierte, mir die Mönchsrobe überstreifte und loszog, obwohl mein Vater und meine Mutter das nicht wünschten, sondern mit tränenüberströmten Gesicht weinten.

Ich ging auf die Suche nach dem Nibbana und praktizierte unter dem Meditationsmeister Alara Kalama, musste jedoch feststellen, dass diese Praxis nicht zum Nibbana führte. Dann ging ich zu Uddaka Ramaputta, der eine weitergehende Meditationspraxis lehrte, doch auch hier musste ich feststellen, dass diese nicht zur Erleuchtung führte. Und so verließ ich auch diesen Lehrer.

Erst als ich mich schließlich in einem lieblichen Landstrich niederließ. Mein Erkenntnisprozess, dass das, was der Geburt, dem Alter, der Krankheit, dem Tod, was Kummer und Befleckung unterworfen ist, keine Sicherheit bietet, war inzwischen soweit herangereift, dass ich in der Meditation das Nibbana verwirklichte. Ich erkannte, dass ich nunmehr von Verlangen, von Abneigung, von Verblendung, vom Wunsch etwas zu werden oder nicht zu sein, vom Wunsch, Ansichten zu vertreten endgültig gereinigt war, so verwirklichte ich das Nibbana und ging ein ins Reich der Freiheit.

Zunächst scheute ich vor der Idee zurück, das, was ich da erfahren hatte, zu lehren, denn diese Lehre ist tiefgründig und schwer zu verstehen. Jedoch erschien mit Brahma Sahampati und bat mich, den Dharma zu Lehren für diejenigen, die nur wenig Staub auf den Augen hatten.

So tat ich es, und es gelang mir, die fünf Gefährten, mit denen ich einst strengste Askese praktizierte, zu überzeugen und auch sie erreichten das Nibbana. Seitdem ziehe ich durch die Welt unf lege den Menschen, die nur wenig Staub auf den Augen haben, die Lehre dar, heute zum Beispiel euch.

Liebe Mönche, es gibt fünf Arten des Sinnenvergnügens, die euch an das Rad des Werdens fesseln, nämlich Formen, die das Auge erblickt, Klänge, die das Ohr vernimmt, Gerüche, die die Nase erpürt, Geschmäcker, die die Zunge erkennt und Berührungen, die eure Haut wahrnimmt. Mönche, solange euch diese Dinge fesseln, seid ihr ebenso gefeselt, wie ein Hirsch, der sich in der Schlinge des Jägers verfangen hat. Ein weiser Hirsch jedoch erkennt die Schlingen des Jägers und er meidet die Gebiete, von denen er weiß, dass der Jäger dort Schlingen ausgelegt hat.

Und ebenso wie ein weiser Hirsch diesen Fallen ausweicht, so auch wird ein weiser Mönch den Sinnesvergnügen nicht nachgeben und so in die meditativen Vertiefungen eintreten. Natürlich wird Mara, der Böse, ihm weiter ebenso Fallen stellen, wie der Jägersmann dem Hirsch Schlingen legt, jedoch wird sich der weise Mönch ebenso verhalten wie der weise Hirsch. Und auf diese Art, werte Mönche, wird der Mönch für Mara unsichtbar. Er ist nicht mehr in Reichweite des Bösen.“

Die Mönche waren glücklich und zufrieden über diese Worte des Erhabenen, und wenn es ihnen gelungen sein sollte, den Ratschlägen des Buddha zu folgen, haben sie sicher das Erwachen erreicht, das Nibbana.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.