Was ist Buddhismus?

Vortrag von Horst Gunkel (1996)

Lernen als Aufgabe

Die meisten Heilslehren werben damit, wie einfach und wie toll bei ihnen alles sei. Oder neudeutsch: "voll geil." Ich kann Ihnen so tolle Versprechungen leider nicht machen. Ich kann, wenn Sie sich spirituell entwickeln wollen, nur Lernen anbieten.

Alle Wesen haben die Chance zu lernen. Spätestens seit Überprüfung dieser These mit intelligenten Tieren (Pawlowscher Hund) ist dies auch für die westliche Wissenschaft erwiesen. Alle intelligenten Systeme haben die Chance zu lernen. Ein solches intelligentes System ist der Mensch. Der Mensch hat sogar die Pflicht zu lernen, um dem Begriff "Mensch" gerecht zu werden. Diese Entscheidung, zu lernen, ist der Schritt vom homo erectus (lat.: aufrecht gehendes Herrentier) zum homo sapiens (weises Herrentier, Mensch), vom intelligiblen Wesen (laut Immanuel Kant: die potentielle Intelligenz in sich tragend) zum intelligenten. Dies ist der Schritt, durch den sich der Mensch seiner "Buddhanatur" bewusst wird. Unter Buddhanatur versteht der Buddhismus die uns innewohnende Kraft so viel zu lernen, dass wir zur Erlösung, zum Nibbana gelangen. Was aber sollen die Lernobjekte des sich entwickelnden Menschen sein?

Wir lernen eine Menge in unserem Leben. Darunter eine ganz Reihe von Nützlichem. Wir lernen unseren Körper zu beherrschen und unsere Sinnesorgane zu benutzen. Wir lernen sprechen, vielleicht lernen wir sogar zu kommunizieren.

Aber wir lernen auch viele Fertigkeiten, die zwar gesellschaftlich erwünscht sind, die aber unserer Entwicklung nicht dienen. Wir lernen binomische Formeln, den Aufbau eines Atomkerns und Buchführung.

Hier, im Buddha-Dharma, geht es darum, über uns selbst zu lernen, zur Selbsterkenntnis zu kommen. Vier Punkte sind dabei wesentlich.

-a- lernen, unserer Gedanken und Motive gewahr zu werden

Wir handeln. Wir denken. Wir reden. Häufig genug ist das Reden nur Plappern. Häufig genug ist das Denken chaotisch. Häufig genug ist uns unser eigenes Handeln, wenn wir hinterher darüber reflektieren, selbst ein Rätsel. "Das hab' ich nicht gewollt," ist der Schlüsselsatz, für diejenigen, die auf dem Weg der geistigen Evolution noch nicht weit fortgeschritten sind, aber immerhin mit sich selbst bereits ehrlich sind. Wir müssten uns eigentlich endlich, wenn wir denn auf dem Weg der Menschwerdung weiterschreiten wollen, klar darüber werden, was uns denn zu bestimmten Handlungen motiviert hat, welche Gedanken dahinter standen.

Ein Beispiel. Oben wurde auf den Konsumismus verwiesen. Offensichtlich steckt dahinter eine Gier, sonst würden wir nicht so viele Dinge konsumieren wollen. Nun wäre es an der Reihe weiterzufragen: was ist das eigentlich, wonach wie gieren? Es ist bestimmt nicht das was wir kaufen. Wir kaufen vielleicht Zigaretten und suchen "Freiheit und Abenteuer". Freiheit wovon? Abenteuer, um aus welchem Trott zu entfliehen? Und warum gieren wir danach? Damit sind wir schon beim nächsten Punkt:

-b- erkennen, was uns beeinflusst

Wie komme ich dazu, eine bestimmte Art von Gier an den Tag zu legen? Oder: manchmal verhalten wir uns anderen Personen gegenüber negativ, ablehnend, mitunter verletzen wir auf diese Art unsere Mitmenschen. Damit ist nicht "verletzen" in dem sind gemeint, dass wir jemanden schlagen. Aber mitunter sagen wir etwas z.B. höhnisch und es kommt bei dem anderen kränkend an. Dies geschieht, ohne dass wir diese andere Person wirklich kränken wollen, ja vielleicht mögen wir sie sogar besonders gern. Vielleicht ist es jemand aus unserer allernächsten Umgebung, unser Lebenspartner, unsere Eltern oder unsere Kinder, Personen, die wir lieben und denen wir für viele Dinge dankbar sind. Dennoch verletzen wir sie.

Unsere Aufgabe ist es also, uns zu fragen: was brachte uns dazu, dies so zu formulieren? Was brachte uns dazu, diesen Tonfall zu verwenden? Wir haben (mit Worten) gehandelt. Wir haben jemanden verletzt.

Bei genauer Überlegung hätte uns das klar sein müssen. Dennoch haben wir so gehandelt. Was war unser Motiv? Was hat uns beeinflusst? Möglicherweise haben wir ein Verhalten wiederholt, das wir früher von anderen erfahren haben, was wir bei diesen als "überlegen" erkannt haben. Vielleicht haben wir ein solches Verhalten seitens unserer Eltern erfahren, als wir klein waren. Vielleicht war es auch die Erfahrung mit Mitschülern oder Lehrern, die so handelten. Möglicherweise ist uns auch im Arbeitsleben ein Vorgesetzter so begegnet. Vielleicht haben wir es jedoch auch aus "zweiter Hand" erhalten, z.B. aus einem Film, und es hat uns dort beeindruckt. Irgendwann haben wir wohl mitbekommen, dass dieses das Verhalten eines (scheinbar) Überlegenen ist, andere abzubügeln.

Wenn wir dieses höhnische Verhalten aus unserem Beispiel also früher als die Reaktion eines (scheinbar) Überlegenen gesehen haben, mit dem dieser seine Überlegenheit gegenüber anderen ausgespielt hat, und wenn wir dieses Verhalten jetzt auch gegenüber einer anderen Person zum Ausdruck bringen, dann sollten wir uns klar darüber sein:

· Früher hat mich dieses Verhalten, seine Überlegenheit zu zeigen beeindruckt;
· nun lege ich dieses Verhalten an den Tag;
· offensichtlich versuche ich gegenüber dieser anderen Person eine Überlegenheit aufzubauen.

Dieses Verfahren bezeichne ich als Selbsterkenntnistheoretischen Dreisatz. Dieses bedeutet lernen; lernen über uns selbst, über unsere Motive und Gedanken, lernen, das Grundlage eine Verhaltensänderung sein kann, lernen als Basis unserer autonomen (selbstgesteuerten) Evolution. Wenn wir erkannt haben, was unsere Motive sind, wenn wir unsere unbewussten Gedanken bewusst gemacht haben, dann sind wir in der Lage, Verantwortung zu übernehmen für unsere Ansichten:

-c- Verantwortung übernehmen für unsere Ansichten

Der Weg ist also durch Lernen zur Selbsterkenntnis zu gelangen, durch Selbsterkenntnis zur Selbstverantwortung zu kommen. Nunmehr sind wir uns unserer Emotionen bewusst:

-d- erkennen, welche Emotionen dahinterstehen

Da wir emotional handeln, sind wir noch ganz von dieser Welt, tragen die Bürde der biologischen Evolution in uns. Mit dem Schritt in Selbsterkenntnis und Selbstverantwortung sind wir uns aber dieser Bürde bewusst, wir haben den Schritt vom homo erectus zum homo sapiens gemacht. Unser "Menschsein" ist nicht mehr auf ein äußeres Erscheinungsmerkmal begrenzt, sondern zeigt sich in einer geistigen Evolution.

Das Gesetz von Ursache und Wirkung ist eines der grundlegenden Erkenntnis jeder objektiven, jeder logischen jeder wissenschaftlichen Betrachtung. Dies Gesetz des Entstehens in Abhängigkeit (Pali: paticca samupadda) formuliert der Buddha so:

Gesetz des bedingten Entstehens

Buddha: "Wenn dieses besteht, wird jenes; aus der Entstehung von diesem entsteht jenes; wird dieses nicht, so wird jenes nicht; wenn dieses aufhört, hört jenes auf."

Dies zeigt, dass wir Dinge erkennen können und erkennen müssen in ihren Ursachen, aber auch in ihren Folgen. So logisch dieses Gesetz ist, und in so bemerkenswerten Einfachheit es vom Buddha formuliert wurde, so selbstverständlich es uns erscheint, so wenig sind wir uns dieses Gesetzes in unserem täglichen Handeln bewusst. Erst durch Reflexion dringen gewisse Selbstverständlichkeiten in unser Bewusstsein.

Ein Beispiel dafür: der Verbrauch von Tropenholz. Es ist unmittelbar einsichtig und bekannt, dass der Tropenwald ein Phänomen ist, das sich über Millionen von Jahren aufgebaut hat und unter den damals herrschenden Bedingungen ein stabiles Ökosystem war, sonst gäbe es ihn ja nicht mehr. Niemals früher wurden in großem Maßstab Tropenhölzer entnommen und exportiert. Da es sich bei den Hölzern um sehr hartes Material handelt, müssen es alte Bäume sein, die verarbeitet werden, denn junges Holz ist weich. All dieses ist uns bekannt. In den letzten Jahrzehnten kamen immer mehr Tropenhölzer auf dem Markt. Selbst ohne genaue Informationen über die Hintergründe müsste uns eigentlich klar sein,

· dass in den Tropen Raubbau an Hölzern getrieben wird,
· dass internationale Vermarkter und Anbieter ihre Profitmaximierung nicht in Zyklen von Jahrhunderten (nämlich die Zeit die eine funktionierende Waldwirtschaft benötigt, um Hölzer zu kultivieren), sondern in sehr viel kürzeren Zeiträumen anstrebt,
· dass der Verlust von Wäldern, die bekanntlich CO2 absorbieren und Sauerstoff abgeben, zum Anstieg des CO2-Gehaltes in der Luft führt,
· dass derzeit aufgrund der gestiegenen Verbrennungsprozesse durch Industrie, Kraftwerke, Raumheizung und Autos der CO2-Gehalt in der Luft sowieso die Tendenz zum Ansteigen hat, mithin mehr aufgeforstet und weniger abgeholzt werden müsste, um das Weltklima stabil zu halten,
· dass jede Nachfrage nach Tropenhölzern den gefährlichen Rodungsprozess verstärkt und ich daher
· unter keinen Umständen Tropenholz kaufen darf.

All dies müsste einem logisch denkenden Menschen eigentlich klar sein. Folglich kann ein verantwortungsbewusst handelnder Mensch eigentlich kein Tropenholz kaufen.

Dennoch habe ich Mitte der siebziger Jahre einen Wohnzimmerschrank aus Mahagoni gekauft, einfach weil mir die Farbe gefiel. Von der Tropenholzproblematik hatte ich noch nichts gehört. Hätte ich in Ruhe die Folgen meines Kaufentscheides logisch geprüft, so hätte mir klar sein müssen, dass dieser Kaufentscheid gefährlich und dumm ist. Dennoch habe ich es gemacht wie die meisten Menschen: nicht erst nachgedacht, sondern erst gehandelt. Das Gesetz des bedingten Entstehens ist uns allen klar. Wirklich bewusst wird es uns jedoch erst, wenn wir so weit sind, erst zu denken und dann zu handeln. Daher lautet die Maxime der ökologisch bewussten Buddhisten:

MEDITIEREN - WISSEN - HANDELN!

Heute würde ich den Schrank nicht mehr kaufen. Aber ich mache noch andere Fehler, denn häufig gelingt es mir nicht immer rechtzeitig, das Gesetz des bedingten Entstehens gedanklich anzuwenden. Dies unterscheidet den Menschen, der den Dharma einübt, von dem Erlösten, der richtig handelt und nicht mehr üben muss, vom Heiligen.

Man kann das Gesetz auf zwei Arten kurz formulieren:

(1) Das Gesetz von der Ursache:

Alles geschieht in Abhängigkeit von Ursachen.

Oben wurde auf ein Fehlverhalten hingewiesen: eine Person verhält sich höhnisch. Dies geschieht nicht von allein, sondern es geschieht in Abhängigkeit von Ursachen. Eine der Ursachen ist (a), dass ich zu einem früherem Zeitpunkt diese Art sich zu verhalten als eine mögliche Art kennen gelernt habe. Weiterhin sind Ursachen, (b) welchen Eindruck dies damals auf mich machte, (c) welche Person jetzt mein Gegenüber ist, (d) welchen Eindruck ich auf diese Person machen möchte und (e) von welchen Stimmungen ich gerade in diesem Moment abhängig bin.

(2) Das Gesetz von der Wirkung:

Keine Aktion ist ohne Wirkung.

Alles, was ich tue, hat Auswirkungen, so z.B. wenn ich höhnisch bin. Die direkte Auswirkung auf die Person, gegenüber der ich höhnisch war, ist, dass diese Person sich verletzt fühlt. Vielleicht ist diese Person dadurch aggressiv und lässt diese Aggressivität an einem Dritten aus. Oder aber: diese Person reagiert nicht aggressiv, sie ist traurig, sie kann an diesem Tag oder in den nächsten Stunden nicht ruhig das tun, was sie tun wollte, weil sie sich geärgert hat, wütend ist. Dadurch dass diese Person nicht das tut, was sie in Ruhe tun wollte, z.B. die Zeitung lesen, entgeht ihr eine bestimmte Information, auch dies kann Folgen haben.

Keine Aktion ist ohne Wirkung. Und sie wirkt natürlich auch auf mich selbst zurück. Vielleicht fühle ich mich durch die gelungene Zurschaustellung meiner (vermeintlichen) Überlegenheit bestätigt, in meinem Verhalten verstärkt. Möglicherweise führt dies aber auch dazu, dass sich die anderen von mir zurückziehen. Dies könnte nun dazu führen, dass ich mein Verhalten überdenke und korrigiere. Auch dies wäre eine Rückwirkung, eine positive. Wahrscheinlicher allerdings ist, dass ich auf die entstehende Vereinsamung damit reagiere, dass ich noch höhnischer und sarkastischer werde. In diesem Fall ergäbe sich ein sich negativ verstärkender Regelkreis (sog. Teufelskreis).

Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass es nicht genau eine, klar erkennbare Rückwirkung gibt. Alles was geschieht, hat ein ganzes Bündel von Ursachen. Und alles was geschieht hat eine Vielzahl von Auswirkungen, einen Teil davon auf andere, ein Teil davon auf mich selbst. Wir brauchen also kein lineares Ursache-Wirkung-Denken, vielmehr vollzieht sich dieses Gesetz im Rahmen der Multikausalität (Konditionalität), daher ist vernetztes Denken nötig, wie es für ökologische System typisch ist.

Stufen des Bedingten Entstehens (Teil 1)

Dieses bedingte Entstehen möchte ich jetzt untersuchen, indem ich die Evolutionstheorie in die Überlegungen einbeziehe.

1. physikalisch-anorganische Stufe

Dies ist die einfachste Stufe bedingten Entstehens. Hier gelten die Gesetze von Physik und Chemie. Wenn ich z.B. einen Stift, den ich in der Hand halte, loslasse, so fällt er nach unten. Ursache und Wirkung sind hier für jeden unmittelbar einsichtig. Die Wirkung "der Stift fällt" kam hier durch das Zusammenwirken zweier Ursachen zustande, nämlich einmal der Tatsache, dass ich den Gegenstand loslasse, zum anderen weil wir uns im Schwerkraftfeld des Planeten Erde befinden. Das gleiche gilt für chemische Gesetze. Wenn ich Wasserstoffmoleküle und Sauerstoffmoleküle zusammenbringe, dann kommt es zu einer Verpuffung: Knallgas. Viele ähnliche Beispiele der Anwendung physikalischer und chemischer Gesetze kennen wir entweder aufgrund eigener Erfahrung oder aus unserem Schulunterricht.

2. organische Stufe

Auf der organischen Stufe kommen biologische Gesetze hinzu, während die physikalischen und chemischen weitergelten. Tausende solcher einfachen Vorgänge gibt es, z.B. auf der Ebene der Zellen. Die Photosynthese ist ein solcher biologischer Vorgang, oder die Wirkung von Bakterien und Gärstoffen. Diese Gesetze sind auf der Stufenleiter der Evolution eine Stufe höher entwickelt, als die physikalischen und chemischen Gesetze. So ist der Planet Erde der derzeit einzige uns bekannte Ort, an dem die Evolution diese Stufe erreicht hat. Da die Grundlage hiervon jedoch allgemeingültige Gesetze - Dharma - sind, ist zu vermuten, dass es zahlreiche Orte im Universum gibt, an denen diese Evolutionsstufe erreicht wurde.

Hier sprechen wir nicht mehr nur von Materie, sondern von etwas höher entwickelten: von Leben. Ein neuer "Schöpfungstag" hat damit begonnen würden die Christen und andere an einen Schöpfergott Gläubige sagen. "Das Rad der Evolution hat sich einmal mehr gedreht", heißt der gleiche Sachverhalt aus öko-buddhistischer Sicht.

Auch diese biologischen Gesetze der organischen Stufe funktionieren auf der Basis des bedingten Entstehens. So müssen z.B. bestimmte Bedingungen gegeben sein, damit Brot schimmelt.

3. untere psychische Stufe

In dieser dritten Stufe treten Sinnenwahrnehmungen auf, aufgrund derer unwillkürliche Bewusstseinsfunktionen entstehen. Verbrennen wir uns beispielsweise die Finger aufgrund unachtsamen Anfassens eine heißen Gegenstandes, so werden wir sofort, d.h. aufgrund einer unwillkürlichen Reaktion, die Hand zurückziehen. Entwickelte Lebewesen unterliegen den Stufen 1 bis 3. Insofern hat sich mit dem Auftreten der Sinneswahrnehmung zur Steuerung unwillkürlicher Reaktionen das Rad der Evolution ein weiteres Mal gedreht.

Bevor wir uns den Gang der Evolution zu Ende betrachten, möchte ich noch ein weiteres Prinzip in unsere Betrachtung mit einbeziehen.

Ich komme nun zu einem anderen Begriff der Philosophie des Buddha-Dharma, dem Karma. Wenn wir den Begriff "Karma" hören, denken wir meist an so etwas wie Schicksal; vielleicht verwechseln wir den Begriff sogar mit dem arabischen Wort "Kismet", das "unausweichliches Schicksal" bedeutet und einer völlig anderen Denkrichtung entstammt. Karma heißt aber nichts anderes als "Handeln, beabsichtigte Tat". Und damit sind wir wieder zurück bei dem Prinzip von Ursache und Wirkung, beim bedingten Entstehen.

Erste Ableitung des Gesetzes von der Wirkung:

(3) Gesetz von der karmischen Ordnung:

Jedes willentliche Tun führt zu einer Wirkung, die der Täter selbst schließlich erleben wird; die Eigenart dieser Wirkung ist von der Absicht bedingt, in der die Tat begangen wurde.

Ich möchte dieses am oben erwähnten Beispiel des "höhnischen Verhaltens" erläutern. Der Täter ist über einen Rückkoppelungsmechanismus derjenige, der die Wirkung seines Handelns zu spüren bekommt, z. B. dadurch, dass sich andere von ihm zurückziehen. Diese Wirkung ist verursacht durch die Absicht, die er hatte: er wollte seine (vermeintliche) Überlegenheit deutlich werden lassen. Er wollte sich über andere erheben. Und damit ist es so, wie Jesus dieses Prinzip erläutert: wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden. Dies ist das Wirken des Gesetzes von der karmischen Ordnung.

Die karmische Ordnung ist ein kybernetisches System der Rückkopplung zwischen Subjekt und Objekt. Dieses System sucht nach jeder Störung (durch karmisches Handeln) nach einem neuen Gleichgewicht. Jede Handlung des Subjektes stört die Balance; das System muss sich anpassen, um das Gleichgewicht wiederzufinden.

Jede Handlung, jedes Einwirken auf die Umwelt, führt zu einer Rückkoppelung. Damit sind das Gesetz des bedingten Entstehens plus das kybernetische Prinzip zusammen nichts anderes als das Gesetz von der karmischen Ordnung (allerdings unter Verwendung der im Westen üblichen Terminologie).

Die Taten des Subjektes verändern das Objekt, das diese Einwirkungen aufnimmt, das wiederum wirkt auf das Subjekt zurück. Wir können diese Wirkung aus zwei Blickwinkeln betrachten:

(4) Das Gesetz von der subjektiven Wirkung

Unsere Umstände und unser Erleben ist durch das geformt, was wir früher gedacht, gesagt oder getan haben. (Das Bewusstsein bestimmt das Sein.)

Wenn ich in der Vergangenheit gegenüber Dritten höhnisch war, dann beeinflusst dies meine derzeitigen Lebensumstände, z.B. meine Vereinsamung. Das Bewusstsein auf der vorigen Stufe, in der Vergangenheit, bestimmt das Sein im Hier und Jetzt. "Das Bewusstsein bestimmt das Sein," ist die grundlegende These der Philosophen des Deutschen Idealismus des 19. Jahrhunderts (Kant, Hegel, Fichte). Damit reduziert sich der Deutsche Idealismus im Wesentlichen auf die Erläuterung eines Aspektes des karmischen Gesetzes. Man kann das Gesetz jedoch auch anderes herum fassen:

(5) Das Gesetz von der objektive Wirkung

Wir finden die Wirkungen unsres früheren Handelns in den heutigen Situationen und Erfahrungen. Wir finden die Wirkungen unseres heutigen Handelns in den Situationen und Erfahrungen von morgen.
(Das Sein bestimmt das Bewusstsein.)

Wenn ich mich heute höhnisch gegenüber anderen verhalte (und keine Überlagerung mit anderen Strängen karmischen Handelns gegeben ist), dann werde ich morgen wenige Freunde haben, heißt die Anwendung auf unser obiges Beispiel. Wie ich bin, das Sein zum Zeitpunkt t1, bestimmt das Bewusstsein, bestimmt meine Lebensumstände und damit die Weiterentwicklung meines Bewusstseins, zum Zeitpunkt t2. Damit sind wir vom Deutschen Idealismus des 19. Jahrhunderts zur Philosophie des Materialismus (Karl Marx u. a.) gekommen, die auf den Deutschen Idealismus antworteten. Beides ist jedoch nur ein unterschiedlicher Aspekt ein und derselben Wirkungsweise, nämlich der Wirkung vom Gesetz von der karmischen Ordnung.

So klar dieses Prinzip ist, so schwer ist es jedoch zunächst zu entdecken. Daher taten sich nicht nur die Philosophen des 19. Jahrhunderts schwer damit. Die Komplexität dieser Gesetzmäßigkeit und damit das Erkennen der Wirkungsweise erhöht sich nämlich durch zwei Gruppen von Überlagerungen.

Die Komplexität der karmischen Ordnung erhöht sich durch

1. Die Überlagerung der fünf Stufen des Bedingten Entstehens

Bereits oben wurden die ersten drei Stufen des bedingten Entstehens erläutert. Neben dem Ursache-Wirkung-Gefüge der karmischen Ordnung gibt es also auch das der physikalisch-chemischen Ordnung, der biologischen Ordnung und der unteren psychischen Ordnung. Wenn ich unzufrieden über mein höhnisches Verhalten bin und dann die Treppe herunterstürze und mir ein Bein breche, so kann das an der Tatsache liegen, dass die Treppe frisch gebohnert war, also eine Wirkung physikalisch bedingten Entstehens sein. Es kann allerdings auch sein, dass ich die Treppe nicht heruntergefallen wäre, wenn nicht mein zuvor höhnisches Verhalten mich innerlich beschäftigt hätte und damit ein erheblicher Teil meiner Achtsamkeit vom Prozess des Treppeheruntergehens abgezogen worden wäre.

2. Überlagerung mehrerer karmischer Rückkopplungen.

Nur das Karma-Gesetz garantiert Rückkopplung und damit Entwicklung.

Damit stellt der Buddha die Lerntheorie auf und wendet sie auf den Bereich ethischen Handelns an. Eine Weiterentwicklung, eine Evolution ist nur möglich, durch eine Entwicklung zu Systemen höherer Komplexität. Im Gegensatz zu anderen Evolutionsstufen muss im Bereich der geistigen Evolution ein Lernmechanismus gegeben sein. Soll nämlich die Evolution über den Bereich der physischen und biologischen Evolution auch für den Bereich des Geistigen gelten, so kann dies nur der Fall sein, wenn auch hier Rückkoppelungen zu Lernen führen, wenn also das Gesetz der karmischen Ordnung gilt. Betrachten wir uns den Prozess der Evolution genauer.

(6) Das Gesetz von der Evolution:

Alles Bestehende organisiert sich in einem definierten zeitlichen und räumlichen Rahmen zu Strukturen höherer Komplexität.

Technik der Evolution:
 Stufen  Evolutionsmechanismen

 Physikalisch Entstehung von Galaxien: vom Urknall zum
Kosmos; Materie organisiert sich zu Strukturen höherer Komplexität
 Biologisch Sinnengesteuerte Interaktion: von der Aminosäure
zum Säugetier; Organismen organisieren sich zu Strukturen höherer Komplexität
 geistig  Bewusstseins-Evolution: vom homo erectus zum
Buddha; Bewusstsein organisiert sich zu Strukturen höherer Komplexität

Dabei kann der definierte zeitliche und räumliche Rahmen sehr weit gefasst sein, nämlich bezogen auf unser Universum (räumlich) bzw. bezogen auf die Zeit zwischen Urknall und Kollaps unseres Universums.

Dieser hier benannte zeitliche Rahmen ist nicht gleich unendlich, da der Buddha von vielen Phasen der Entstehung und des Kollapses von Universen ausgeht. Ein solcher Zeitraum nennt der Dharma ein "Kalpa".

Auf der ersten Stufe organisiert sich Materie, die anfangs vielleicht noch nicht einmal in Form von Molekülen oder Atomen vorliegt, sondern in Form von Protonen, Elektronen, Quarks - oder was auch immer - zum Kosmos. Vom größten denkbaren Chaos angefangen, dem Urknall, gelingt es der Materie sich zum Inbegriff der Ordnung (griechisch: Kosmos) zu organisieren. Aus instabilen atomaren Strukturen, den Radionukliden, entstehen stabile Atome, entstehen Moleküle, entstehen Sternennebel, entstehen Mineralien, entstehen Fixsterne, entstehen Planetensysteme. Das ist physikalische Evolution.

Dann haben wir die biologische Evolution, das ist das, was von Darwin zunächst unter dem Begriff der "Evolution" gefasst wurde. Hierher gehört auch alle sinnengesteuerte Interaktion.

Die Vorfahren des Menschen, die vor einer Million Jahren aus dem afrikanischen Busch in die Savanne zogen, sich am Rücken kratzten und verwundert feststellten. "O, wir können ja stehen!", die haben mit dieser Evolutionsstufe begonnen. Diese Evolution schreitet voran, bis zu dem Punkt, den wir als das Vollkommene, das Vollendete bezeichnet, oder mit dem Pali-Wort: Buddha.

Die höchste geistige komplexe Struktur, die wir erkennen können, ist die eines Buddha. Als Lebewesen, die sich bewusst entwickeln, die in einer autonomen Evolution sind, streben wir danach, uns dieser Vollkommenheit, Buddha, anzunähern. Dies manifestiert sich unter anderem in der Person des historischen Buddha Siddharta Gotama Shakyamuni, der allerdings nicht die einzige Person war, der die Ehrenbezeichnung "Buddha" gebührt.

Moses, der Autor der ersten fünf Bücher der christlichen Bibel, zeigt uns den Beginn der geistigen Evolution, der Evolution der dritten Stufe, sehr deutlich auf: Beginn der Evolution der dritten Stufe ist das Essen der Frucht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse.

Laut christlicher Auffassung ist dies ein Sakrileg und Grund für die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies. Wir Buddhisten aber sagen: damit hat die geistige Evolution begonnen. Das ist die Evolution, die es ermöglicht Gut und Böse, Positiv und Negativ aufgrund eigener Erkenntnis zu unterscheiden. Aufgrund eigener Erkenntnis heißt, dass nicht irgendein Gott daherkommt und uns sagt, was wir dürfen und was nicht. Warum z.B. sollte man nicht von der Frucht der Erkenntnis essen? Noch dazu, wenn man dadurch befähigt wird, Gut und Böse zu unterscheiden? Der Buddhismus unterstützt die Entwicklung dieses Entscheidungsvermögens. Er ist damit die Religion der Emanzipation des Menschen und steht damit im Widerspruch zur Religion des blinden Glaubens des Moses.

Fassen wir zusammen:

Die Evolution vollzieht sich in kybernetischen Prozessen, nur so ist Entwicklung möglich. Die geistige Evolution vollzieht sich (u.a.) in Prozessen geistiger Kybernetik (karmische Prozesse).

Bleibt die Frage nach dem Ziel dieser Entwicklung, nach dem Ziel der Evolution der dritten Stufe, der geistigen Evolution, der Menschwerdung der Herrentiere.

Ziel der Evolution der dritten Stufe ist die Überwindung der Auffassung von Subjekt und Objekt. (anatta, anicca, sunyata)

Gerade hatten wir festgestellt, dass am Beginn der geistigen Evolution die Einsicht in die Begriffe von Gut und Böse steht. "Gut", so könnte man sagen, ist alles das, was mir nützt. So denkt der Egoist. Wenn ich jemandem etwa stehle, so die Folge, so ist das gut, denn ich habe es je dann, dieses Gut (!). Moralisch würden wir sagen, das ist nicht gut, weil wir es einem Dritten weggenommen haben.

Beides geht aber davon aus, dass diese beiden Wesen "Ich" und "der Dritte" verschieden sind. Ziel der dritten Stufe der Evolution ist es aber gerade, die Auffassung von der Trennung in Subjekt und Objekt zu überwinden. Das heißt: ich sehe mich nicht mehr als getrennt vom Rest an. Ich sage nicht mehr: hier ist der Mensch, hier bin ich, da ist die Umwelt, sondern ich erfahre mich als Teil dieser Umwelt. Dadurch ist die Umwelt nicht mehr die "Um"-Welt, sie ist dadurch "die Welt". Das deutsche Wort "Umwelt" ist eigentlich eine sprachliche Katastrophe, denn es tut so, als wäre der Mensch und das, was "um ihn herum" ist, ein Gegensatz. Damit ist "Umwelt" das unökologischste Wort überhaupt. Richtig wäre es vielmehr, die gesamte Ökosphäre zu betrachten, wovon ein Teil der Mensch ist, wozu "ich" gehöre. Erst wenn wir dieses wirklich verinnerlicht haben, erst dann sehen wir uns nicht mehr im Widerspruch zur Welt. Ziel ist also Überwindung der Auffassung von Subjekt und Objekt. Der Buddha prägte den Ausdruck anatta (Nicht-Ich), die buddhistische Richtung des Mahayana hat als zentralen Begriff sunyata (Leerheit von eigenständigem Wesen).

Zurück zu den Stufen des bedingten Entstehens. Die ersten drei wurden oben bereits besprochen, sie werden hier erneut aufgezählt, die entscheidenden Stufen vier und fünf werden nunmehr erläutert.

Stufen des Bedingten Entstehens (Teil 2)

1. physikalisch-anorganische Stufe

hier gelten die Gesetze von Physik und Chemie

2. organische Stufe

hier kommen biologische Gesetze hinzu (die physikalischen und chemischen gelten weiter)

3. untere psychische Stufe

aufgrund von Sinnenwahrnehmungen entstehen unwillkürliche Bewusstseinsfunktionen (entwickelte Lebewesen unterliegen den Stufen 1 bis 3)

4. karmische Stufe

Diese Stufe ist der Bereich des Wollens. Nicht nur unwillkürliche Bewusstseinsfunktionen beeinflussen uns, sondern willentliches Handeln. Durch die beabsichtigenden Taten kommen wir in den Bereich des Karma. Menschen unterliegen der Stufe 1 bis 4. Demnach ist die karmische Ordnung, wie oben bereits erwähnt, nur eine Ebene der Konditionalität, die sich mit anderen Prozessen vermischt.

5. Dharma-Stufe

Mit dem Erreichen der Dharma-Stufe, dem Transzendenten, erreicht das Wesen den point-of-no-return. Wer soweit gekommen ist, der ist auf dem Weg zur Vollendung, zur Buddhaschaft. Menschen, die so weit fortgeschritten sind, bezeichnet der Buddha als Sotapannas, als "in den Strom Eingetretene". Der "Sotapanna" ist die erste von vier Stufen der Entwicklung in der Dharma-Stufe, die zur Heiligkeit und damit zum Nibbana führt. Entscheidend ist, dass von hier an die geistige Entwicklung so weit fortgeschritten ist, dass sie in relativ kurzer Zeit (der Buddha nennt sieben Leben) zum Erreichen des Nibbana führt.

Am Übergang von der vierten (der karmischen) zur fünften Stufe des Bedingten Entstehens steht die Gretchenfrage des Buddha: Warum strebe ich - die Vergänglichkeit erkennend - nach Besitz, dem Vergänglichen (Schalheit, Spießertum). Warum suche ich nicht nach dem Ungeborenen, Nicht-Alternden, Nicht-Verfallenden, Todlosen, Sorgenfreien, Reinen, dem höchsten Schutz vor Fesseln - nach Nibbana.

Das Streben im Bereich der Vergänglichkeit, also vor dem Stromeintritt, basiert auf dem Verfangensein in den drei Grundübeln, die der Buddha benennt:

 Drei Wurzelübel

 Gier   Das ist Habenwollen, z.B. von
- vielen Sachen
- Spaß, Genuss, Sex
Hass  was wir nicht mögen, was wir ablehnen was uns
weh tut
 Verblendung Nichtwissen, Dummheit, nicht wahrheitsgemäßes
Erkennen der Realität

Das Streben zum Bereich des nibbana wird gestützt durch drei Hilfen. Das sind die drei Inhalte, zu denen der Buddhist Zuflucht nimmt. Diese "Zufluchtnahme" entspricht dem christlichen Taufritus.

 Drei Zufluchten

 Buddha Siddharta Gotama, das Vorbild
Die Buddhanatur in uns = das Potential, die fünfte Stufe
des bedingten Entstehens zu erreichen
 Dharma Die vom Buddha verkündete Lehre (ein Naturgesetz) das,
was in seinen Grundzügen in diesem Vortrag entwickelt und erläutert wird.
 Sangha Die Gemeinschaft der eifrig nach der Verwirklichung der
Buddhaschaft Strebenden (ein Kommunikationszentrum)

Der Stromeintritt in die fünfte Stufe bedingten Entstehens lässt in uns den Wunsch entstehen, zur Vollendung zu kommen, der Buddha-Natur, die in uns enthalten ist, zum Durchbruch zu verhelfen. Dabei können wir uns des historischen Buddha, des Siddharta Gotama, als Vorbild bedienen. Entscheidender ist jedoch, das, was uns der Buddha verkündet hat, die Lehre, die dargelegt wurde, der Dhamma. Schließlich gibt es den Sangha, wo wir mit Fragen und Diskussionen, aber auch in einer Gemeinschaft der Übenden unseren Rückhalt finden.

Die Analyse in der Predigt von Benares

Die Predigt von Benares ist die erste Predigt des Buddha nach seiner Erleuchtung. Hier hat der Buddha erstmals die Eckdaten des Dharma festgelegt. Grundlage ist die Erkenntnis dessen, was uns im Daseinskreislauf gefangen hält, die

DIE VIER EDLEN WAHRHEITEN

1. Die Wahrheit von der Unvollkommenheit (vom Leiden)

Letztlich ist alles leidvoll (unbefriedigend). Geburt, Alter, Krankheit, Tod, mit Unliebem vereint sein, vom Lieben getrennt sein.

Jede Geburt hat als Folge unweigerlich Alter, Krankheit und Tod. Da alles dies leidvoll ist, leitet die Geburt einen Leidensprozess ein, auch die Geburt selbst ist leidvoll, für die Mutter und insbesondere für das Kind, das aus der Geborgenheit entrissen wird. Der Prozess des Alterns und des damit einhergehenden körperlichen Verfalls, am deutlichsten zu spüren in Krankheiten, ist leidvoll; und auch der Tod, der all dem, wofür wir im Leben gekämpft haben, was wir uns erworben haben, ein Ende bereitet und hinter dem das Fragezeichen der Ungewissheit steht, ist leidvoll. Mit Unliebem vereint sein, vom Lieben getrennt sein ist leidvoll.

Und wir können bei genauer Betrachtung erkennen, dass alles, was wir besitzen leidvoll ist, der schöne neue BMW, den wir gekauft haben, bedeutet Leiden. Für den Igel, den er totfährt, für die Bäume, die unter seinen Abgasen leiden, für die gesamte Ökosphäre, die aufgrund der negativen CO2-Bilanz leiden muss, für denjenigen, der ihn sich gekauft hat und jetzt die Raten zahlen muss und daher an anderer Stelle Verzicht üben muss, Unfallfolgen bedeuten Leiden und wenn wir erst einmal 20.000, 30.000, 50.000 km damit gefahren sind, ist auch der anfängliche Genuss vorbei. Letztendlich befriedigend ist dieses Objekt unserer Gier genauso wenig wie irgend ein anderes. Tief in unserem Inneren wurzelt die Überzeugung, dass es da etwas gibt, das nicht derart unbefriedigend und schal ist, nur was?

2. Die Wahrheit von der Entstehung der Unvollkommenheit

Wenn es da Unvollkommenheit, Leiden, gibt und wenn das Gesetz des bedingten Entstehens gilt, dann muss dieses Leiden eine Ursache haben. Diese Ursache des Leidens ist die Gier

· die Gier nach Lust
· die Gier nach nichtigen Dingen
· die Gier nach Werden
· die Gier nach Vergehen

Ursache der vielfältigen Leiden, die der oben erwähnte BMW-Fahrer verursacht, ist seine Gier nach Lust gewesen: kauf Dir den Spaß - aus Freude am Autofahren. Das Auto ist eines der nichtigen Dinge, die vielleicht kurzfristig Spaß machen können, aber weit ab von dem sind, was eigentlich wesentlich ist.

Die Gier nach Werden bestimmt uns fortwährend. Wir streben danach, etwas erreichen zu wollen, etwas sein zu wollen, ein bestimmtes Image zu haben. Auch die Lebenslust gehört hierzu, denn auch der Wunsch, wiedergeboren zu werden, ist Gier nach Werden. Doch auch die umgekehrte Gier, die Gier nach Verderben, nach Tod, nach dem Ende des Kreislaufes der Wiedergeburten ist eine Gier und damit leidhaft.

3. Die Wahrheit von der Überwindung der Unvollkommenheit

Wir haben im Rahmen des Gesetzes vom bedingten Entstehen gesehen, dass das Leid eine Ursache hat: die Gier. Verschwindet die Ursache des Leidens, so verschwindet auch das Leid. Damit ist der Weg zur Leidensüberwindung klar: die Gier ist zu überwinden. Wie dies im Einzelnen aussieht, sagt uns der Buddha in der vierten Edlen Wahrheit:

4. Die Wahrheit von dem zur Überwindung der Unvollkommenheit führenden Weg

Das Leid kann überwunden werden, wenn man sich entsprechend verhält, den Heiligen Achtfachen Pfad geht.

Oder anders ausgedrückt:

(7) Das Gesetz von der Überwindung der Unvollkommenheit

Das alles durchdringende Unbefriedigende kann nur durch Überwindung seiner Bestimmungsfaktoren überwunden werden; dies geschieht durch den Achtfachen Pfad von Wissen, Ethik und Konzentration. Das Ergebnis dieser Transformation ist die Vollkommenheit (Nibbana).

Der Edle Achtfache Pfad

1. das wahrheitsgemäße Erkennen der Wirklichkeit, das ist das Erkennen des dharma

Das Erkennen der Wahrheit, das Erkennen des Weltgesetzes, ist die natürliche Voraussetzung dafür, zielgerichtet Handeln zu können. Dies ist im Prinzip das, was ich hier in dieser Broschüre kurz erörtert habe. Natürlich hat man nicht bereits dadurch Vollkommenes Erkennen erreicht, dass man dieses einmal durchgelesen hat. Erst wenn man dies völlig durchdrungen hat, wenn es in Reflexion und Sammlung geschärft wurde, wenn dieses Erkennen zur eigenen Weltsicht geworden ist, erst dann ist das Erkennen soweit gereift, dass man von wahrheitsgemäßem Erkennen sprechen kann. Zum Vollkommenen Erkennen gehört noch weitere Detailkenntnis, die im Rahmen dieser Broschüre nicht vermittelt werden können.

2. der richtige Entschluss (den Achtfachen Pfad zu gehen)

Das Erkennen allein bedeutet jedoch noch keine Verhaltensänderung. Gemäß dem Leitspruch

MEDITIEREN - WISSEN - HANDELN!

muss auch der Wille da sein, die Erkenntnis in tatkräftiges Handeln umzusetzen. Dieser Entschluss bedeutet die feste Absicht, den Achtfachen Pfad zu gehen und somit das Leid zu überwinden.

3. das Vollkommene Reden dieses ist

· wahrhaft
· freundlich
· nützlich und
· harmoniefördernd

Mit dem Schritt des Vollkommenen Redens kommen wir bereits in den Bereich des - verbalen - Handelns. Mit Vollkommenem Reden ist nicht Rhetorik gemeint. Zum Vollkommenen Reden gehört zunächst einmal das Gebot aller Religionen und ethischen Richtungen, nämlich nicht zu lügen, Vollkommene Rede ist also immer erst einmal wahrhafte Rede.

Erinnern wir uns an das oben angeführte Beispiel von der höhnischen Rede. Vielleicht war diese Rede wahr. Vielleicht war genau der zentralen Fehler des Gesprächspartners erkannt worden und treffend durch den Hohn karikiert worden. Wahrheitsgemäß war diese Rede möglicherweise, aber sie war weder nützlich noch harmoniefördernd. Vollkommene Rede soll also nicht nur wahr, sondern auch hilfreich sein. So lenkt beispielsweise der schwatzhafte small talk von allem Wesentlichen ab, und ist damit nicht hilfreich, sondern fernab von jeder Vollkommenheit.

4. das vollkommene Handeln - nicht zum Nachteil von Wesen handeln

Wenn es nämlich, wie wir oben festgestellt haben, Ziel ist, den Dualismus von "Ich" und "Rest der Welt" zu überwinden, wenn es Ziel ist zu erkennen, dass da gar kein Gegensatz ist, dann darf ich nicht zum Nachteil anderer Wesen handeln, sondern muss die Rechte dieser Wesen, die genau wie ich, Teil des Einen, des Ganzen, sind, respektieren.

Nehmen wir als Beispiel den Eierkauf. Ein Sprichwort sagt über vollkommen gleichartige (homogene) Produkte, diese glichen sich wie ein Ei dem anderen. Und in wirtschaftlichen Lehrbüchern wird das Funktionieren des Marktes gern am Beispiel des Eiermarktes erläutert. "Wirtschaftlich" verhält sich dort der Verbraucher (welch Schwachsinn liegt allein schon darin einen Menschen auf den Begriff des "Verbrauchers" zu reduzieren!), der ein gegebenes Ziel, z.B. den Kauf von zehn Eiern einer bestimmten Gewichtsklasse, mit dem minimalen Mitteleinsatz erledigt. Minimaler Mitteleinsatz ist der Einsatz von möglichst wenig Geld und Zeit. Die Konsequenz solch unethischen Verhaltens ist, dass viele Millionen Hennen in Legebatterien auf winzigem Platz dahinvegetieren müssen, niemals ein Nest sehen, niemals sich richtig setzen können, niemals Tageslicht, nie die Sonne sehen können, von Antibiotika ernährt und stressgeplagt sich gegenseitig verletzen. Wer immer sich also so verhält, wie unsere kapitalistisch-konsumistische Schulweisheit es lehrt, der schafft Nachfrage nach Eiern aus der Legebatteriehaltung, der handelt zum Nachteil von Wesen.

Ich kann natürlich auch sagen, ich kaufe nur noch Eier aus Bodenhaltung. Jetzt verhalte ich mich zwar "unökonomisch", denn ich minimiere nicht mehr den Geldaufwand. Allerdings weiß ich auch nicht, wie diese Bodenhaltung aussieht. Es kann sein, dass die Hühner jetzt zu Zigtausenden in einem Gebäude auf dem Boden herumlaufen und die gleichen Stresssymptome zeigen, wie die oben genannten. Bleibt die Möglichkeit, dass ich nur noch Eier aus der Freilandhaltung kaufe. Aber es gibt in Deutschland etwa acht Mal soviel Eier von "freilaufenden Hühnern", wie alle freilaufenden Hühner legen können.

Ich z. B. backe meiner Familie gerne einen Kuchen. Für die meisten Kuchen braucht man Eier. Da ich jedoch nicht zum Nachteil von Wesen handeln möchte, habe ich mir selbst Hühner zugelegt. Ich weiß jetzt, wie diese Hühner leben, handele zum Vorteil dieser Wesen und kann meine Familie mit Kuchen erfreuen. Allerdings ganz "unökonomisch". Erstens kommt mich jedes Ei teurer und zweitens kostet es mich auch noch Zeit. Im letzten Satz stand zweimal das Wort "mich". Dies ist die gängige "wirtschaftliche" Betrachtungsweise, die "mich" in den Gegensatz zum Rest der Welt stellt und von mir verlangt, mein Interesse gegen die anderen Wesen durchzusetzen, also das Dschungelgesetz vom Recht des Stärkeren durchzusetzen, auch dann wenn die Stärke nur darin liegt, Teil eines Systems struktureller Gewalt gegenüber anderen Wesen zu sein.

5. der richtige Lebensunterhalt, die aus Rechtem Handeln resultierende Folge hinsichtlich des Berufs: z.B. nicht mit Drogen, Lebewesen und Waffen handeln

Wenn wir über unser Handeln reden, dann müssen wir natürlich auch in Betracht ziehen, welchen Lebenswandel wir insgesamt führen und damit auch, womit wir unseren Lebensunterhalt verdienen. Gier, so haben wir gesehen, ist das Wurzelübel, das uns im Leidenskreislauf gefangen hält. Ich habe mich im letzten Punkt über die "wirtschaftliche" Betrachtungsweise ausgelassen, weil mir dieses Denken vertraut ist, ich habe Betriebswirtschaftslehre studiert. Was also läge näher, als mir einen Job in der Wirtschaft zu suchen, um einen möglichst gut bezahlten Managerposten zu ergattern. Aber, so fragte ich mich: Wo sollte ich mich bewerben? Zunächst betrachtete ich mir dazu die Betriebe in der Nähe meines Wohnortes, z.B. die Hanauer Nuklearbetriebe mit ihrer Technologie, die gefährlich im Normalbetrieb ist, die gefährlich ist, weil ihre Endlagerung nicht gesichert ist, die gefährlich ist, weil sie zum Terrorismus einlädt, die gefährlich ist weil zivile und militärische Technologie hier extrem verwoben, ja nicht voneinander zu trennen sind. Oder ein anderer Großbetrieb bei Hanau: Honeywell. Hier werden neben zivilen Steuerungsmechanismen im Bereich "Sondertechnologie" Komponenten von Massenvernichtungswaffen und von Landminen produziert. Oder die chemischen Betriebe. Ganz abgesehen von den dort stattfindenden Tierversuchen greift die chemische Industrie in unsere Ökosphäre durch fortgesetzte Vergiftungsprozesse ein.

Welche andere große Industrieunternehmen gibt es im Rhein-Main-Gebiet? die Farbwerke Hoechst (Chemie - Gift - Schädigung der Wesen) Opel (Auto - Abgase - Klimakatastrophe - Schädigung der Wesen) die Flughafen AG (Luftverkehr - Abgase - Klimakatastrophe - Schädigung der Wesen). Überall dort, so stellte ich fest, würde ich mein Geld mit etwas verdienen, das ich gar nicht vertreten kann, das mit dem Gebot des richtigen Lebensunterhaltes, das mit dem Achtfachen Pfad, das mit der Maxime der Nichtschädigung der Wesen nicht vereinbar ist. Wie löste ich dieses Dilemma? Ich ging in den Schuldienst, unterrichte Ökonomie, aber nicht so, wie ich dies oben als für unser Wirtschaften typisch beschrieben habe, sondern im Einklang mit dem Dharma.

6. das wahre Streben (sich bei alldem anstrengen)

Hierbei geht es also darum, der Laschheit entgegenzutreten und bei der Verwirklichung all dieser Pfadglieder sich anzustrengen. Nur wenn man sich anstrengt, hat man die Chance, dem Anspruch

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gerecht zu werden.

7. die höchste Achtsamkeit (immer die Folgen bedenken)

Ganz wichtig, vielleicht das wichtigste Pfadglied überhaupt, ist die Entfaltung der höchsten Achtsamkeit. Denn wenn alles bedingt entsteht, dann muss ich mich bei allem, was entsteht fragen: Was sind die Ursachen, dass dieses entsteht; und noch wichtiger: bei allem meinem Handeln muss ich fragen: was sind denn die Folgen dieses meines Handelns?

Um an mein Eierbeispiel anzuschließen folgendes: da sagt einer, er möchte jetzt ein halbes Hähnchen essen, es sich vom Hähnchengrill an der Ecke holen. Häufig hört man in diesem Zusammenhang Rationalisierungen wie: "Das Hähnchen ist doch sowieso schon tot." Aber natürlich schafft man durch den Kauf dieses Produktes Nachfrage. Und dies bedeutet nicht nur den Tod von Wesen in Kauf zu nehmen, sondern ich weiß auch, wie der Marktmechanismus wirkt, ich weiß, dass die Hähnchen aufgrund der Marktgesetze möglichst billig produziert werden müssen. Kaufe ich also ein halbes Hähnchen, so nehme ich nicht nur den Tod eines unschuldigen Wesens in Kauf, sondern ich unterstütze, ich subventioniere damit die tierquälerische Massentierhaltung.

8. die vollendete Meditation
nur durch Meditation (Sammlung, Konzentration) kann Wissen entfaltet werden

Nur durch diese Sammlung, durch die Konzentration auf Objekte unseres Betrachtens, kann Wissen entfaltet werden - und damit schließt sich der Kreis. Dabei bedeutet "Kreis" nicht etwa, dass man nun durch ist, wenn man sich einmal auf all das eingestellt hat, vielmehr ermöglicht gerade die Meditation ein mehr an Wissen, woraus ein noch besseres Handeln erwachsen kann, wodurch wir zu noch intensiverer Sammlung kommen, so dass das Bild einer Spirale nach oben, zur Vollendung, zum Buddha, das richtigere Bild ist. Eine Spirale gebildet aus dem Achtfachen Pfad, basierend auf dem buddhistischen Dreiklang

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