Achtsamkeit beim Namenschreiben

von horst gunkel:

Wohl kaum etwas beherrscht man so gut, wie die Schreibweise seines Namens. Unsere Unterschrift können wir „im Schlaf schreiben“. Und auch unseren Namen mit der Schreibmaschine oder dem Computer schreiben ist sicher eine leichte Übung, selbst für Leute die mit dem Zweifingersuchsystem arbeiten (wie ich).

Als Sie meinen Namen das erste Mal gelesen haben, haben Sie vielleicht gedacht, ich hätte einen Schreibfehler gemacht, der kleinen Anfangsbuchstaben wegen. Bald wird Ihnen aufgefallen sein, dass ich meinen Namen immer so schrieb und Sie werden festgestellt haben: das ist eine Marotte von ihm. Ist es auch. Aber alles hat seine Ursachen, auch diese Marotte. Und alles ist unbeständig. Auch diese Marotte.

In jungen Jahren (lang ist´s her), war ich ein Anhänger der radikalen Schreibreform. Nicht nur diese wenigen kleinen Änderungen und Vereinfachungen, wie wir sie jetzt seit einigen Jahren als neue deutsche Rechtschreibung kennen gelernt haben, wollte ich, sondern eine radikale Vereinfachung. Also z.B. die Aufhebung der Groß- und Kleinschreibung. Hier war ich noch viel radikaler als Engländer und Franzosen: nicht nur alle Substantive (einschließlich dem Namen Gottes!) wollte ich klein schreiben, sondern auch Namen und Satzanfänge. Damit wäre das Großbuchstabenalfabet praktisch abgeschafft. Und da ich kein Mensch bin der lange herumredet, sondern ein Mann der Tat, begann ich gleich damit: ich schrieb nach meiner eigenen neuen Rechtschreibung. Und noch weitere „Vereinfachun-gen“ wollte ich. Einige davon waren aus anderen Sprachen übernommen, z.B. aus dem Englischen. So schrieb ich statt „sch“ nur noch „sh“, aus der Endung „-ismus“ wurde „ism“ - was im Englischen ging, musste doch auch im Deutschen gehen. Auch Doppellaute und Dehnungslaute schaffte ich gleich mit ab, ich schreib also beispielsweise nicht „Buddhismus“ sondern „budism“. Und mit dieser eigenwilligen Schrift malträtierte ich beispielsweise meine Kommilitoninnen an der Uni, denn wir machten wechselseitig Ausarbeitungen zu dem Uni-Vorlesungen und ich schrieb natürlich in meiner Schrift.

Mit dem Ende des Studiums kam jedoch zwangsläufig auch das Ende dieser Schrift, denn ich wurde Lehrer und an der Tafel oder bei den Anmerkungen unter Klassenarbeiten konnte ich natürlich nicht mit meiner Schrift schreiben. Also stellte ich mich schweren Herzens wieder auf normale Schreibweise um. Das tat ich mit Beginn des Jahres 1975. Eine Freiheit jedoch nahm ich mir heraus: meinen Namen so zu schreiben, wie ich wollte. „Zu-mindest diese zwei Worte, mein Vor- und mein Nachname, gehören mir – und die werde ich so schreiben wie es richtig ist: klein.“

Das ist lange her und lange habe ich nicht mehr an meine alte Schreibweise gedacht. Nur wenn mich jemand auf die eigenwillige Schreibweise meines Namens ansprach, habe ich mich daran erinnert und habe die Geschichte so erzählt, wie ich sie hier aufgeschrieben habe, fast immer mit den gleichen Worten. Das geschah in diesem mehr als einem Viertel Jahrhundert bestimmt Dutzende Male. Es war so zur Routine geworden, dass ich mir dabei nicht einmal mehr selbst zuhörte – außer einmal, im Sommer diesen Jahres. Da richtete ich meine Achtsamkeit auf meine eigenen Worte und mir fiel etwas auf, ein Widerspruch. Der Satz: „Zumindest diese zwei Worte, mein Vor- und mein Nachname, gehören mir – und die werde ich so schreiben wie es richtig ist: klein.“ Ist zwar in sich stimmig – zumindest wenn man davon ausgeht, das Kleinschreibung „richtig“ ist - aber er passt nicht mehr zum Umfeld.

„Das bin ich nicht, das gehört mir nicht, das ist nicht mein Selbst“ ist ein bekannter Ausspruch des Buddha, der uns dazu veranlassen soll, uns mit nichts, wirklich mit gar nichts zu identifizieren. Ich hatte diesen Spruch häufig zitiert und, wie ich glaubte, auch für mich angenommen. Und dann erzähle ich immer wieder, dass es zwei Wort gibt die mir „gehören“ – offensichtlich ein Widerspruch, eine Un8samkeit.

„Das bin ich nicht, das gehört mir nicht, das ist nicht mein Selbst“ ist richtig, konsequenterweise werde ich künftig meinen amen so schreiben, wie es sich gehört: mit großen Anfangsbuchstaben. Und wenn ich dabei ein wenig von meiner Eitelkeit ablege, schadet das gar nichts, schließlich muss ich nicht der einzige Mensch sein, der seinen Namen kleinschreibt. Lediglich meine Unterschrift werde ich so belassen wie sie ist, mit kleinen Anfangsbuchstaben, aber das fällt nicht sehr auf, sie ist glücklicherweise nicht besonders leserlich. Und dieses kleine geheime Stückchen Eitelkeit, das ich mit anderen eitlen Menschen teile (dem Bundesaußenminister beispielsweise), werde ich beibehalten, allerdings nicht um in Eitelkeit zu schwelgen, sondern als geschicktes Mittel. Wann immer ich meine Unterschrift leiste, so habe ich mir vorgenommen, werde ich innerlich den Satz „Das bin ich nicht, das gehört mir nicht, das ist nicht mein Selbst“ aufsagen und mich so dem Loslösen zuwenden und mich wohl dabei oft an meine Un8samkeit erinnern, die ich beschrieben habe.

Horst Gunkel
(sieht irgendwie ungewohnt aus)



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