Thich Nhat Hanh
Wie ich Usama bin Laden begegnen würde


Thich Nhat Hanh ist ein Mönch in der Zen-Tradition Vietnams. Bekannt wurde er durch seine unermüdliche Friedensarbeit während des Krieges in seiner Heimat, wo er half, Dörfer, die von den Kämpfen zerstört worden waren, wieder aufzubauen. Nach einer Reise in die USA, bei der er eine Reihe von Antikriegsvorträgen gehalten hatte, wurde ihm die Wiedereinreise in seine Heimat verweigert. Schließlich ließ er sich in Frankreich nieder. Im Jahre 1967 wurde er von Martin Luther King für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Internationale Bekanntheit erwarb er sich durch seine Lehren und Bücher zur Achtsamkeit und seine Arbeit für einen "sozial engagierten Buddhismus", ein Aufruf zu sozialem Handeln auf der Grundlage der buddhistischen Lehren.

Thay (vietnamesisch für Lehrer), wie er von seinen Anhängern liebevoll genannt wird, sprach über seine Gedanken bezüglich der Reaktion Amerikas auf die jüngsten Terroranschläge. Dieses Interview wird in einem in Kürze erscheinenden Buch mit dem Titel "Out of the Ashes: A Spiritual Response to America's Tragedy" (Aus der Asche: Eine spirituelle Antwort auf Amerikas Tragödie), bei Beliefnet und Rodale Press erscheinen.

Frage: Wenn Sie mit Usama bin Laden sprechen könnten, was würden Sie ihm sagen? Und wenn sie zum amerikanischen Volk sprechen könnten, zu welchem Handeln würden Sie dem einzelnen amerikanischen Staatsbürger und unserem ganzen Volk an dieser Stelle raten?

Antwort: Hätte ich die Gelegenheit Usama bin Laden von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, würde ich ihm zuallererst einmal zuhören. Ich würde versuchen zu verstehen, warum er auf so grausame Weise gehandelt hat. Ich würde versuchen, das gesamte Leiden zu verstehen, das ihn zur Gewalt gebracht hat. Da es sicher nicht einfach wäre, auf diese Weise zuzuhören, müsste ich besonders ruhig und klar bleiben. Ich bräuchte die Unterstützung einiger Freundinnen und Freunde, die in ihrer Praxis des tiefen Zuhörens, des Zuhörens ohne zu reagieren, ohne zu urteilen und ohne zu beschuldigen, wirklich stark wären. Auf diese Weise würde für die beteiligten Menschen eine Atmosphäre der Unterstützung geschaffen, die es ihnen ermöglichen würde sich ganz und gar mitzuteilen, im Vertrauen wirklich gehört zu werden. Nachdem wir eine Weile zugehört hätten, bräuchten wir vielleicht eine Pause, damit uns das Gehörte wirklich zu Bewusstsein kommen könnte. Nur wenn wir uns ruhig und klar fühlten, würden wir antworten. Wir würden Punkt für Punkt auf das eingehen, was gesagt wurde. Wir würden sanft aber bestimmt antworten, auf eine Weise, die den anderen helfen würde ihre eigenen Missverständnisse zu erkennen, damit sie die gewaltsamen Handlungen aus eigenem freien Willen einstellen würden.

Dem amerikanischen Volk würde ich raten, dass wir alles tun sollten, was in unserer Macht steht, um unsere Ruhe und Klarheit wiederherzustellen, bevor wir auf die Situation reagieren. Übereilt zu reagieren, bevor wir die Situation nicht tiefer verstehen, kann äußerst gefährlich sein. Zuerst einmal sollten wir die Flammen des Zorns und des Hasses kühlen, die so stark in uns geworden sind. Wie bereits gesagt, ist es wesentlich zu sehen, auf welche Weise wir den Hass und die Gewalt in uns nähren und dann sofortige Schritte zu unternehmen, um unserem Hass und unserer Gewalttätigkeit die Nahrung zu entziehen.

Solange wir motiviert von Angst oder Hass handeln, haben wir noch kein tiefes Verständnis der Situation. Unser Handeln wird nur eine übereilte und oberflächliche Reaktion auf die Situation sein und nicht viel wahren Nutzen und Heilung mit sich bringen. Nur wenn wir abwarten und unseren Zorn zur Ruhe kommen lassen, wenn wir die Situation wirklich tief betrachten und mit der großen Bereitschaft zuhören, die Wurzeln des Leidens, die die Ursache für das gewaltsame Handeln sind, wirklich zu verstehen, werden wir genügend Einsicht gewinnen, um auf eine Weise zu handeln, die für alle Beteiligten zu Heilung und Versöhnung führen kann.

In Südafrika hat die "Kommission für Wahrheit und Versöhnung" bereits ernsthafte Versuche in dieser Richtung unternommen. Alle in Gewalt und Ungerechtigkeit verstrickten Parteien haben zugestimmt, in einem ruhigen und unterstützenden Umfeld einander zuzuhören und gemeinsam die Wurzeln des gewaltsamen Handelns tief zu betrachten, um angemessene Mittel und Wege zu finden mit den entsprechenden Umständen konstruktiv umzugehen. Um ein derartiges Umfeld zu stützen und aufrecht zu erhalten, hat sich die Anwesenheit gefestigter spiritueller Führungspersönlichkeiten als sehr hilfreich erwiesen. Schon bei der Lösung der gegenwärtigen Probleme können wir uns an diesem Modell orientieren; wir müssen nicht erst viele Jahre warten, bis wir endlich verstehen.

Frage: Sie haben ja die Verwüstungen durch den Krieg in Ihrer Heimat ganz persönlich erfahren und sich aktiv für die Einstellung der Feindseligkeiten eingesetzt. Was sagen sie Menschen, die voller Zorn sind und um Angehörige trauern, die sie in dem Terroranschlag verloren haben?

Antwort: Ich habe meine spirituellen Söhne und Töchter im Krieg verloren, weil sie in die Kampfgebiete gegangen waren, um den bombardierten Dorfbewohnern beizustehen. Einige sind im Laufe kriegerischer Angriffe umgekommen, andere wurden einfach ermordet, weil jede Seite glaubte, sie würden die Sache des Gegners unterstützen. Als ich die vier hingeschlachteten Körper meiner spirituellen Söhne sehen musste, die auf so grausame Weise ermordet worden waren, habe ich zutiefst gelitten. Ich kann das Leiden derjenigen, die geliebte Menschen in der gegenwärtigen Tragödie verloren haben, sehr gut nachempfinden. Auch ich musste in Situationen großen Verlusts und tiefer Trauer meine Ruhe finden, um meine Klarheit und das Herz meines Verstehens und Mitgefühls wiederherzustellen. Durch die Praxis des tiefen Schauens habe ich aber begriffen, dass Ungerechtigkeit und Leid nur immer weiter zunehmen, wenn wir Gewalt mit Gewalt beantworten.

Als wir von der Bombardierung des Dorfes Bentra in Vietnam hörten, in deren Verlauf die Unterkünfte von 300.000 Menschen zerstört wurden und die Piloten den Journalisten dann auch noch sagten, dass sie das Dorf zerstört hätten, um es zu retten, war ich zutiefst schockiert und von Zorn und Trauer erfüllt. Wir übten Gehmeditation, wir machten ruhige und sanfte Schritte auf der Erde, um unsere Geistesruhe und unser friedvolles Herz wiederzufinden. So gewaltig die Herausforderung auch ist, unsere Offenheit gerade in solchen Momenten aufrecht zu erhalten, so wesentlich ist es auch, dass wir auf keinerlei Weise reagieren, bevor wir nicht die Ruhe und Klarheit wiedererlangt haben, um die tiefere Wirklichkeit der Situation zu erkennen.

Wir wussten damals, dass wir mit einer von Hass oder Zorn motivierten Reaktion nur uns selbst und unseren Mitmenschen Schaden zufügen würden. Wir übten uns darin, das Leiden der Menschen, die uns grausam behandelten, tief zu betrachten, damit wir sie und auch uns selbst umfassender verstehen konnten. Mit diesem Verständnis waren wir dann fähig, Mitgefühl hervorzubringen und unser eigenes Leiden und das der anderen Seite zu lindern.

Frage: Was bedeutet "rechtes Handeln" im Hinblick auf eine Reaktion auf die Terroranschläge? Sollen wir durch militärisches Handeln Gerechtigkeit schaffen? Durch Rechtsprechung? Ist militärisches Handeln und/oder Vergeltung gerechtfertigt, wenn dadurch verhindert werden kann, dass in Zukunft weitere Unschuldige sterben müssen?

Antwort: Gewalt ist in jedem Falle ungerecht. Wir können das Feuer von Hass und Gewalt kann nicht löschen, indem wir mehr Hass und Gewalt hinzufügen. Das einzige Gegenmittel gegen Gewalt ist Mitgefühl. Und woraus besteht Mitgefühl? Es besteht aus Verständnis. Wie können wir Mitgefühl empfinden, wie können wir das vorhandene große Leiden lindern, wenn wir nicht verstehen? Verständnis ist also die ganz reale Grundlage auf die wir unser Mitgefühl bauen können.

Frage: Wie können wir das Verständnis und die Einsicht gewinnen, die uns durch derartig herausfordernde Momente leiten können, wie wir sie augenblicklich in Amerika erleben?

Antwort: Um zu verstehen, müssen wir Wege der Kommunikation finden, die es uns ermöglichen diejenigen zu hören, die verzweifelt um unser Verständnis flehen - denn ein derartiger Akt von Gewalt ist ein verzweifelter Ruf um Aufmerksamkeit und Hilfe.

Wie können wir auf ruhige und klare Weise zuhören, um nicht jede Chance einer Entwicklung von Verständnis von vornherein zu zerstören? Als Nation müssen wir uns die Frage stellen: Wie können wir Umstände schaffen, in denen tiefes Zuhören möglich wird, damit unsere Antwort auf die jeweilige Situation unserem ruhigen und klaren Geist entspringt. Klarheit ist ein großes Geschenk, das wir in dieser Zeit machen können.

Es gibt Menschen, die nur eins wollen: Rache. In den Schriften sagt der Buddha, dass wenn Hass mit Hass beantwortet wird, nur eine weitere Eskalation des Hasses die Folge sein kann. Wenn wir aber diejenigen, die uns geschadet haben, voller Mitgefühl umarmen, kann die Bombe in unserem und ihrem Herzen entschärft werden.

Wie können wir aber nun den Tropfen Mitgefühl hervorbringen, der das Feuer des Hasses zu löschen vermag. Sie wissen selbst, dass man Mitgefühl nicht im Supermarkt kaufen kann. Würden wir es kaufen können, bräuchten wir es nur noch heimzubringen und könnten alle Probleme des Hasses und der Gewalt in der ganzen Welt ganz einfach lösen. Aber Mitgefühl kann nur in unserem eigenen Herzen entstehen, hervorgebracht durch unsere Praxis.

Amerika brennt vor Hass. Darum müssen wir unseren Christenfreunden sagen: "Ihr seid die Kinder von Jesus Christus." Ihr müsst zu euch selbst zurückfinden und tief schauen, um herauszufinden, warum die Gewalt geschehen ist. Warum herrscht so viel Hass? Was liegt all der Gewalt zugrunde? Warum hassen sie so sehr, dass sie ihr eigenes Leben opfern und so viel Leid über die Menschen bringen? Warum haben diese jungen Menschen, voller Vitalität und Kraft, sich entschieden ihr Leben zu lassen, um derartige Gewalt auszuüben. Das ist es, was wir verstehen müssen.

Natürlich müssen wir auch Mittel und Wege finden, die Gewalt zu stoppen. Wenn nötig müssen wir die Männer ins Gefängnis stecken. Das Wichtigere aber ist es, tief zu schauen und uns die Frage zu stellen: "Warum ist es passiert? Welche Verantwortung tragen wir selbst am Geschehenen?" Vielleicht haben sie uns missverstanden. Aber warum konnten sie uns so sehr missverstehen, dass sie einen derartigen Hass entwickelt haben?

Die Methode des Buddha ist es, tief zu schauen und die Quelle des Leidens zu erkennen, die Quelle der Gewalt. Wenn wir viel Gewalt in uns selbst haben, kann jede Handlung diese Gewalt zum Explodieren bringen. Diese Energie des Hasses und der Gewalt kann sehr gewaltig sein, und wenn wir sie in einem anderen Menschen sehen, dann tut er uns leid. Wenn er uns leid tut, ist der Tropfen des Mitgefühls in unserem Herzen geboren und wir fühlen uns schon sehr viel glücklicher und in Frieden mit uns selbst.

Das Mitempfinden bringt den Nektar des Mitgefühls in uns zum Vorschein. In ein Kloster geht man, um genau das zu lernen, damit wir auf jedes Gefühl des Leidens und des Zorns mit tiefem Schauen reagieren können und so der Tropfen des Mitgefühls aus unserem Herzen hervorkommen und das Fieber des Zorns löschen kann. Ausschließlich dieser Tropfen des Mitgefühls ist in der Lage, die Flammen des Hasses auszulöschen.

Wir müssen unsere gegenwärtige Situation eingehend und aufrichtig betrachten. Wenn wir die Ursachen des Leidens in uns selbst und im anderen Menschen erkennen können, können wir beginnen, den Teufelskreis von Hass und Gewalt allmählich aufzulösen. Wenn unser Haus in Flammen steht, müssen wir zuerst das Feuer löschen, bevor wir nach den Ursachen forschen können. Ähnlich verhält es sich in unserer gegenwärtigen Situation: Wenn wir zuerst den Zorn und Hass in unserem eigenen Herzen auslöschen können, haben wir auch eine Chance, die Situation mit Klarheit und Einsicht zu analysieren, um sämtliche Ursachen und Bedingungen zu identifizieren, die zu dem Maß an Hass und Gewalt geführt haben, das wir momentan in uns und in unserer Umwelt erleben. "Rechtes Handeln" ist das Handeln, das zum Erlöschen der Feuersbrunst von Hass und Gewalt führt.

Frage: Glauben Sie, dass das Böse existiert? Und wenn ja, halten Sie die Terroristen für bösartige Menschen?

Antwort: Böses existiert. Gutes existiert ebenso. Gut und Böse sind zwei Seiten von uns selbst. Gott ist das umfassende Verstehen, die große Liebe in uns. Wir können es auch Buddha nennen. Der erleuchtete Geist ist fähig, alles Unwissen zu durchschauen.

Was ist das Böse? Der Zustand, wenn das Angesicht Gottes, das Angesicht des Buddha in uns verborgen ist. Wir haben die Wahl, ob die böse Seite an Einfluss gewinnt, oder ob die Seite Gottes und des Buddha zu strahlen beginnt. Aber selbst wenn die Seite der großen Ignoranz, des Bösen, zu einem gewissen Zeitpunkt sehr stark manifest wird, heißt das noch nicht, dass Gott nicht da wäre.

In der Bibel heisst es ganz eindeutig: "Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Das bedeutet doch, dass ein Akt der Bosheit ein Akt großen Unwissens und großen Missverständnisses ist. Vielleicht stehen viele Fehlwahrnehmungen hinter einem boshaften Akt; wir müssen begreifen, dass Unwissenheit und Missverständnis die Wurzeln des Bösen sind. Jeder Mensch trägt sämtliche Elemente des großen Verstehens, des großen Mitgefühls aber auch der Ignoranz, des Hasses und der Gewalt in sich.

Frage: In Ihrem neuen Buch "Wut" beschreiben sie beispielsweise "mitfühlendes Zuhören" als ein Werkzeug zur Heilung von Familien. Kann man dieses Werkzeug auch auf nationaler Ebene einsetzen, und wenn ja, wie würde das aussehen?

Antwort: Vergangenen Sommer kam eine Gruppe von Palästinensern und Israelis nach Plum Village, dem Praxiszentrum in Südfrankreich, indem ich lebe, um die Künste des tiefen Zuhörens und des liebevollen Redens zu lernen. (Etwa 1600 Menschen aus aller Welt kommen jeden Sommer nach Plum Village, um zu lernen, wie sie Frieden und Verständnis in ihren Alltag bringen können.) Die Gruppe der Palästinenser und Israelis beteiligte sich an den täglichen Aktivitäten wie Gehmeditation, Sitzmeditation und Mahlzeiten in Schweigen, und zusätzlich übten sie auf eine Weise einander zuzuhören und miteinander zu sprechen, die mehr Verständnis und Frieden zwischen ihnen als Individuen und Angehörigen ihrer jeweiligen Nation möglich machte.

Unter der Anleitung und mit der Unterstützung der Mönche und Nonnen setzten sie sich nieder und hörten einander zu. Solange eine Person sprach, wurde sie von niemandem unterbrochen. Alle übten achtsames Atmen und Zuhören auf eine Weise, die dem anderen das Gefühl gab, gehört und ver-standen zu werden. Wer immer auch sprach, hielt seine Rede frei von Anschuldigungen, Hass und Verdammung. Alle sprachen in einer Atmosphäre von Vertrauen und Respekt.

Durch diese Dialogen erkannten die beteiligten Palästinenser und Israelis tief bewegt, dass beide Seiten gleichermaßen unter der Angst litten. Sie lernten die Praxis des tiefen Zuhörens sehr zu schätzen und trafen Vorbereitungen, das Gelernte bei ihrer Heimkunft mit anderen zu teilen. Wir empfahlen, dass die Palästinenser und Israelis in einem öffentlichen Forum über ihr Leiden, ihre Ängste und ihre Verzweiflung reden sollten, damit die ganze Welt es hören könnte. Wir alle würden zuhören, ohne zu urteilen, ohne zu verdammen, um die Erfahrung beider Seiten zu verstehen. Dies würde den Boden des Verständnisses für zukünftige Friedensgespräche bereiten.

Eine ähnliche Situation besteht nun zwischen dem amerikanischen Volk und den Völkern der islamischen und arabischen Staaten. Es herrscht viel Missverständnis und Mangel an Kommunikation vor, die unsere Fähigkeit behindern, unsere Schwierigkeiten friedlich beizulegen.

Mitgefühl spielt im Buddhismus und in der buddhistischen Praxis eine sehr wichtige Rolle. Aber zum jetzigen Zeitpunkt scheint es fast unmöglich Mitgefühl für die Terroristen aufzubringen. Ist es realistisch anzunehmen, dass die Menschen gegenwärtig wahres Mitgefühl empfinden können? Ohne Verständnis ist Mitgefühl unmöglich. Aber wenn Sie das Leiden anderer verstehen, müssen Sie sich nicht mehr zu Mitgefühl zwingen, das Tor Ihres Herzens tut sich ganz von selbst auf. Alle Flugzeugentführer waren noch so jung und haben dennoch ihr Leben geopfert, für was? Warum konnten sie das tun? Welches tiefe Leiden war da am Werk? Es wird tiefes Zuhören und tiefes Hinschauen erfordern, das zu verstehen.

In dieser Situation Mitgefühl zu empfinden, ist ein großer Akt der Vergebung. Zuerst können wir das Leiden umarmen und zwar sowohl das außerhalb von Amerika als auch das der Amerikaner selbst. Wir müssen uns um die Opfer hier in unserem eigenen Land kümmern und gleichzeitig Mitgefühl mit den Entführern und ihren Familien haben, denn auch sie sind Opfer von Ignoranz und Hass. Auf diese Weise können wir wahres Nicht-Diskriminieren üben. Wir müssen nicht Jahre oder Jahrzehnte warten, um zu Versöhnung und Vergebung zu finden. Wir brauchen jetzt einen Weckruf, um den Hass nicht unser Herz überwältigen zu lassen.

Frage: Glauben Sie, dass die Dinge aus einem bestimmten Grund geschehen? Wenn ja, was war der Grund für die Angriffe auf die USA?

Antwort: Der tiefere Grund für unsere gegenwärtige Situation liegt in unserem Konsumverhalten. Die Bürger der USA verbrauchen 60 % der Energievorräte der Welt, machen aber nur 6 % der Weltbevölkerung aus. Wenn sie die Grundschule abschließ
en, haben amerikanische Kinder bereits 100.000 Gewalthandlungen im Fernsehen verfolgt. Weitere Gründe für die gegenwärtige Situation sind unsere Außenpolitik und der Mangel an aufrichtigem Zuhören in unseren Beziehungen. Wir setzen nicht auf tiefes Zuhören und Verständnis der wahren Bedürfnisse der Menschen anderer Nationen.

Frage: Was wäre Ihrer Meinung nach die wirksamste spirituelle Antwort auf diese Tragödie?

Antwort: Hier und jetzt können wir damit anfangen unseren Zorn zu beruhigen; wir können tief in die Wurzeln des Hasses und der Gewalt in unserer Gesellschaft und unserer Welt blicken; und wir können mit Mitgefühl zuhören, um jetzt das zu hören und zu verstehen, was wir bisher nicht in der Lage waren zu hören und zu verstehen. Wenn der Tropfen des Mitgefühls in unseren Herzen und in unserem Geist allmählich zum Vorschein kommt, fangen wir an, konkrete Antworten auf unsere gegenwärtige Situation zu finden. Wenn wir tief zugehört und hingeschaut haben, fangen wir vielleicht an, die Energie der Verbundenheit zwischen allen Nationen zu entwickeln - das tiefste spirituelle Erbe aller Religionen und kulturellen Traditionen. Auf diese Weise nehmen Frieden und Verständnis in der ganzen Welt von Tag zu Tag zu.

Den Tropfen des Mitgefühls in unserem eigenen Herzen hervorzubringen, ist die einzig wirksame spirituelle Antwort auf Hass und Gewalt. Wenn wir unseren Zorn beruhigen, tief die Wurzeln unserer Gewalt betrachten, tief zuhören und das Leiden aller Beteiligten in den Handlungen von Hass und Gewalt zu verstehen beginnen, wird dieser Tropfen des Mitgefühls ganz natürlich in unseren Herzen entstehen.

(Übersetzung Tom Geist)



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