Aus der Vortragsreihe
"Der Edle Achtfältige Pfad (2015)"
Vortrag 4

       samma sankappa - Rechte Entschlossenheit

  zuletzt geändert am 6. November 2015
Im letzten Vortrag haben wir uns mit samma ditthi beschäftigt, was man mit Rechte Schauung oder mit Vollkommene Schauung übersetzen kann. Wir haben dabei gesehen, dass Buddhisten am Anfang ihres Weges eine gewisse Ahnung haben, wohin dieser Weg führt, sonst würden sie sich ja nicht darauf einlassen, den Weg zu beschreiten, den der Buddha aufgezeigt hat. Am Anfang steht also eine gewisse Ahnung, die sich im Laufe des Weges immer weiter verfestigt, immer klarer wird, bis sie schließlich zur Vollkommenen Schauung wird. Mein Lehrer Sangharakshita spricht daher auch zunächst vom weltlichen Achtfältigen Pfad, nämlich dort, wo wir also ein gewisse Ahnung davon haben, worum es geht. Dann handelt es sich um Rechte Schauung, Rechten Entschluss und so weiter - und wenn wir ein ziemlich großes Maß an Klarheit erreicht haben, dann spricht er vom überweltlichen Achtfältigen Pfad aus Vollkommener Schauung, Vollkommenen Handeln usw.

Rechte Schauung haben wir also, wenn wir einen gewissen Eindruck davon haben, worum es in der Lehre des Buddha geht, also wenn uns zum Beispiel klar wird, dass dies ein Weg ist, auf dem wir Mitgefühl und Weisheit immer weiter steigern werden. Und dieser Weg, den wir dann gehen, ist der, den wir hier auf der Wand aufgezeichnet und mit Nummern von 13 bis 24 versehen haben. Wir werden bereit sein, diesen Pfad zu gehen, wenn wir die Stufen 13 (dukkha) und 14 (saddha) erreicht haben, das heißt, dass wir dukkha haben, also die Erkenntnis, dass in unserem Leben etwas Entscheidendes fehlt, und dass wir saddha haben, also ein gewisses Maß an Vertrauen, dass dieser Pfad den erkannten Mangel beseitigen könnte. Dann entschließen wir uns, diesen Pfad - zumindest ein Stück weit - zu gehen. Damit haben wir uns auf den weltlichen Teil des Pfades begeben, wir haben den Rechten, d. h. den richtigen Entschluss gefasst.

Vielleicht kommen wir irgendwann bei Punkt 20 (yathabhuta-ñanadassana) an, dort erreichen wir etwas, das man "Sicht und Erkenntnis der Dinge, wie sie wirklich sind" nennt, also Vollkommene Schauung und hier beginnt gewissermaßen der überweltliche Achtfältige Pfad, von hier ab kann man von Vollkommener Schauung sprechen und auch von Vollkommener Entschlossenheit.

Ich möchte heute insbesondere versuchen zu erklären, wie wir vom Rechten Entschluss zum Vollkommenen Entschluss kommen.

Wir kennen Entschlüsse aus unserem Leben - und wir wissen, wie sie nur allzu oft enden. Da gibt es vielleicht den Entschluss mit dem Rauchen aufzuhören, mit Alkoholtrinken aufzuhören, Vegetarier zu werden, Veganer zu werden, weniger fernzusehen, abends früh ins Bett zu gehen oder 10 Kilo abzunehmen. Wir alle haben den ein oder anderen dieser Entschlüsse in unserem Leben schon gefasst und gewiss noch viele andere - und ich wette, dass jede und jeder von uns auch schon bemerkt hat, dass zwar ein Entschluss da ist, aber offensichtlich nicht genug Entschlossenheit, den Entschluss auch wirklich umzusetzen. Nur allzu leicht kommen wir vom Weg ab, der uns doch eigentlich so vernünftig erscheint. Woran liegt das?

Nun es liegt daran, dass wir nicht nur aus Vernunft bestehen. Ich wage sogar zu behaupten, dass die meisten unserer umgesetzten Handlungen in erster Linie nicht aus Vernunftgründen umgesetzt werden, sondern aus emotionalen Gründen. Vielleicht legen wir uns eine uns vernünftig erscheinende Begründung zurecht, um uns selbst vorzugaukeln, wir wären ein vernünftiges Wesen. Die Psychologie nennt dieses Verhalten "Rationalisieren", also sich eine vernünftig erscheinende Begründung zurecht zu legen, um unser emotionales Handeln pseudorational zu begründen.

Und auf dem Pfad, den der Buddha lehrt wird es uns vermutlich nicht anders gehen. Vielleicht hat der eine oder die andere von euch schon einmal den Entschluss gefasst, täglich zu meditieren, regelmäßig zu Meditation am Obermarkt zu kommen, einen buddhistischen Kurs zu besuchen - und ist dann von diesem Entschluss wieder abgekommen - vermutlich mit einer sehr vernünftig erscheinenden Begründung, warum es diesmal eben nicht ging. Rationalisierung eben.

Der Grund, warum wir so handeln liegt daran, dass wir zwar mit dem Verstand einen Entschluss gefasst haben, aber unsere Emotionen nicht mitgenommen haben. Gerade wir aufgeklärten, westlichen, neuzeitlichen Menschen neigen dazu, unsere Vernunftseite zu über- und unsere emotionale Seite zu unterschätzen. In weiten Teilen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ist das anders.

Vor einigen Jahren war ein Ordensmitglied aus Mexico City bei uns, Jnanadakini. Ihr Name bedeutet übrigens "himmlische Wandlerin der Weisheit". Sie kam gerade aus Indien von einer Yogafortbildung beim berühmten Yogameister Iyengar. Sie berichtete uns, wie stark die emotionale Seite beim indischen Zweig unserer Buddhistischen Gemeinschaft Triratna ist, dass sie das ganz toll gefunden habe, und dass es in ihrer Heimat Mexiko genauso sei.

Selbst Leute, die das erste Mal in den Schreinraum von Triratna Mexiko City kämen und christlich sozialisiert seien, würden sich sofort vor den Buddha niederwerfen, Kerzen und Weihrauch entzünden und mit Inbrunst in ihnen völlig unverständliche Paligesänge einstimmen. Etwas, das uns bornierten Vernunftmenschen irgendwie unterentwickelt erscheint.

Und Jnanadakini sagte, dass wir in Europa in vielem so viel weiter entwickelt seien als sie das aus ihrer Heimat und aus Indien kenne, aber hier hätten wir ein großes Defizit: wir würden unsere emotionale Seite verkümmern lassen, unterdrücken, vernachlässigen, wir würden keine Rituale machen, sondern immer nur Vorträge und Diskussionen und würden vermutlich sogar dann, wenn wir zu meditieren glauben, in Wirklichkeit noch mit unserem Bewusstsein reflektieren statt zu meditieren. Und aus diesem Grunde übte sie mit uns einige Mantras ein und das Lied, das bei allen Triratna-Veranstaltungen in Indien zum Schluss gesungen wird.

Warum erzähle ich euch das eigentlich? Nun, ich sage euch das übrigens aus zwei Gründen. Ein Grund ist, weil wir dieses Defizit, das Jnanadakini erkannt hat, denn sie ist, wie ihr Name sagt, nicht nur weise, sondern auch eine Himmelstänzerin, ich sage dieses, weil dieses Defizit hier bei uns, bei Meditation am Obermarkt, auch besteht. Wir kommen an viele Bereiche unseres Selbst, an unsere Emotionen nicht heran, weil wir nicht singen, keine Mantras chanten, keine Rituale pflegen. Und der zweite Grund, warum ich euch das sage, ist der, weil es genau hierhin gehört, zu samma sankappa, zur Vollkommenen Entschlossenheit. Denn samma sankappa heißt nicht nur Rechter Entschluss. Mein Lehrer Sangharakshita übersetzt samma sankappa erstaunlicherweise mit "Vollkommener Emotion".

Diese Übersetzung ist ausgesprochen ungewöhnlich - und sie ist auch nicht ganz richtig. Denn zu samma sankappa gehört durchaus auch ein vernünftiger Entschluss. Dennoch übersetzt Sangharakshita "Vollkommene Emotion", denn er weiß, dass er uns dies immer wieder unter die Nase reiben muss, damit das allmählich in unser Bewusstsein vordringt.

Als Sangharakshita nach zwanzig Jahren, die er in Indien als Mönch lebte, in den sechziger Jahren in seine Heimat England zurückkehrte, bemerkte er, wie verknöchert, wie abgehoben, wie intellektuell und wie borniert dortige BuddhistInnen waren. Und das erste, was Sangharakshita beim nächsten buddhistischen Kongress in England einführte, war eine Puja, eine Ritualfeier. Damit hat er begonnen ein Manko des westlichen Buddhismus zu bekämpfen. Und erst, wenn wir begriffen haben, wie wichtig Rituale sind, wie wichtig es ist, unsere emotionale Seite mitzunehmen, erst dann werden wir in der Lage sein, den Schritt vom Rechten Entschluss zur Rechten Entschlossenheit zu machen - und dann, und nur dann, haben wir die Chance, tatsächlich zu Vollkommener Entschlossenheit zu kommen, zu unerschütterlicher Entschlossenheit.

Der indische Prinz Siddhartha war wirklich vollkommen entschlossen, Erleuchtung zu erlangen. Er hatte sich nicht nur mit dem Kopf, mit dem Hirn, mit dem Verstand entschlossen, nein, er war auch mit seinem Herzen, mit seinem Gemüt, mit seinen Emotionen voll auf dem Pfad zur Erleuchtung. Er berichtete selbst von seiner Erleuchtungsnacht bei Vollmond im Mai vor mehr als 2500 Jahren. Er berichtet, wie in ihm Zweifel aufkamen, ob er die Erleuchtung erreichen würde.

Er beschreibt dies mit einer wunderschönen unser Herz und nicht nur unseren Geist ansprechenden mythologischen Sprache, indem er sagt, Mara, der Versucher, sei an ihn herangetreten, und hätte gesagt, er würde niemals Erleuchtung erreichen, es wäre gescheiter, er würde wieder ein weltliches Leben führen, er hätte nicht genug positives Karma angesammelt in den letzten Jahrtausenden.

Doch Siddhartha ließ sich davon nicht erschüttern. Es wird gesagt, er widersprach Mara, dem Versucher. Und als Mara von Siddhartha verlangte, dass er einen Zeugen benenne, der berichten könne, wie er über Jahrtausende den Rechten Pfad gegangen sei, berührte Siddhartha den Boden und sprach: die Erde ist mein Zeuge. Und weiter heißt es in diesem wunderschönen Mythos, dass die Erdgöttin selbst aus dem Boden stieg und für ihn zeugte. Auch dies ist eine Sprache, die sich nicht an unseren Intellekt richtet, unseren bornierten Intellekt, der uns vielleicht weismacht, es gäbe weder Mara, den Versucher, noch eine Erdgöttin. Nein, Siddhartha war völlig integriert, er hatte auch Zugang zu seiner emotionalen Seite, zu der Seite, die die Sprache der Mythen sprach und verstand. Und so erreichte er in ebendieser Maiennacht die volle Erleuchtung

Dieser Mythos ist so zentral und so wichtig, er zeigt uns die riesige Bedeutung der emotionalen Seite für unsere Entschlossenheit. Und weil dieser Mythos so wichtig ist, ist er in diesem Raum gleich dreimal dargestellt. Er erscheint dort in dem Bild unseres Inspirationsbaumes bei der Figur des Akshobhya, das ist der blauen Buddha in der oberen Reihe. Und weil ihr den von euren Plätzen kaum erkennen könnt, habe ich ihn hier noch einmal an die Wand gemalt. Ihr seht, wie dieser blaue Buddha mit der rechten Hand die bhumi-sparsa-mudra, die Erdberührungsgeste, zeigt, um Mutter Erde zu seiner Zeugin aufzurufen. Und weil ich fürchte, dass ihr es dennoch immer noch nicht begreift, wie wichtig die emotionale Seite für eure Entschlossenheit ist, habe ich hier noch eine Rupa, eine Buddhafigur, die den Buddha mit der Erdberührungsgeste zeigt, damit ihr diese in die Hand nehmen könnt, damit ihr das wirkliche BEGREIFEN, mit euren Händen begreifen könnt.

Vielleicht seid ihr ja heute hier, weil ihr den Rechten Entschluss gefasst habt, euch auf Meditation und den Buddha einzulassen. Damit aus dem Rechten Entschluss aber ein Vollkommener Entschluss wird, ist es unabdingbar, dass ihr auch eure emotionale Seite entwickelt und mit einbezieht. Daher werden wir heute als abschließende Praktik eine Verbindung aus etwas Meditation und viel Ritual machen. Das ist dann zwar noch keine Vollkommene Emotion, aber vielleicht ein Einstieg in die Rechte Emotion.

Man hätte zum Pfadglied Rechte Entschlossenheit noch viel mehr sagen können.

Ich habe es bewusst nicht gemacht. Denn ich wollte, dass eine einzige Botschaft bei euch ankommt: wenn ihr eure emotionale Seite nicht mit einbezieht, zum Beispiel durch Rituale, werdet ihr damit genau so scheitern, wie ich mit meinem nur vernunftmäßig begründeten Wunsch abzunehmen.



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