Rahulas Atembetrachtung - MN 62
nacherzählt von Horst aus Gelnhausen
letzte Änderungen im November 2018

Einst weilte der Erhabene in Anathapindikas Bhikkhuheim im Jeta-Hain bei Savatti. Auch Rahula war dort, und er nutzte bei dieser Gelegenheit den Buddha, seinen Vater, über die Atemmeditation zu befragen:

"Ehrwürdiger Herr, wie wird die Achtsamkeit auf den Atem entfaltet und geübt, so dass sie von großer Frucht und Nutzen ist?"

Der Buddha wusste, dass sein damals 18jährige Sohn, der seit rund 10 Jahren Novize war, für seine eigene Schönheit und die anderer empfänglich war. Er erläuterte ihm daher die Atembetrachtung auf eine vielleicht etwas ungewöhnliche, aber sicher sehr nutzbringende Art: 

"Rahula, was immer in dir an Festem ist, also Kopfhaar, Körperhaar, Nägel, Zähne, Haut, Muskelfleisch, Sehnen, Knochen, Knochenmark, Nieren, Herz, Leber, Zwerchfell, Milz, Lunge, Dickdarm, Dünndarm, Mageninhalt, Kot oder was sonst noch an Festem in dir ist, das ist Erdelement, und zwar das innere Erdelement. Aber das innere Erdelement und das Feste da draußen, das ist einfach nur Erdelement. Und dafür gilt: Das ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst. Auf diese Art wirst du begierdelos gegenüber dem Erdelement.

Und dann zum Wasserelement; was immer in dir an Flüssigem ist, also Wasser, Galle, Schleim, Eiter, Blut, Schweiß, Fett, Tränen, Talg, Speichel, Rotz, Gelenkschmiere oder was sonst noch an Flüssigem in dir ist, das ist das innere Wasserelement.
Aber das innere Wasserelement und das Flüssige da draußen, das ist einfach nur Wasserelement. Und dafür gilt: Das ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst. Auf diese Art wirst du begierdelos gegenüber dem Wasserelement.

Und wie ist es mit dem Feuerelement? Was immer in dir heiß und feurig ist, also was dich wärmt, altern lässt und verzehrt und das, wodurch der ganze Stoffwechsel erfolgt, das ist das Feuerelement in dir.
Aber das innere Feurige und das  Feuerelement da draußen, das ist einfach nur Feuerelement. Und dafür gilt: Das ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst. Auf diese Art wirst du begierdelos gegenüber dem Feuerelement.

Und was ist mit dem Windelement? Was immer in dir windartig ist, also aufsteigende und absteigende Winde, Winde im Bauch, Winde in den Därmen, Winde, die durch die Glieder verlaufen, Einatmung und Ausatmung, das ist das Windelement in dir.
Aber das innere Windige und das  Windelement da draußen, das ist einfach nur Windelement. Und dafür gilt: Das ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst. Auf diese Art wirst du begierdelos gegenüber dem Windelement.

Rahula, was ist das Raumelement? Was immer an dir Raum, raumhaft ist, also Ohrlöcher, Nasenlöcher, Mundöffnung und der ganze Nahrungsaufnahme- und -verdauungstrakt bis zur Ausscheidung, das ist einfach nur Raumelement.
Aber das innere Raumhafte und das Raumelement da draußen, das ist einfach nur Raumelement. Und dafür gilt: Das ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst. Auf diese Art wirst du begierdelos gegenüber dem Raumelement.

Rahula, entwickle Meditation, die gelassen ist wie die Erde, damit angenehme und unangenehme Kontakte nicht in dein Herz eindringen und dort bleiben. Wenn einer Abfall auf die Erde wirft oder Kot, dann ist die Erde deswegen nicht entsetzt, angewidert oder eingeschnappt, und genau so sollst du auch erdhafte Gelassenheit entwickeln, damit angenehme und unangenehme Kontakte nicht in dein Herz eindringen und dort bleiben.

Rahula, entwickle Meditation, die gelassen ist wie Wasser, damit angenehme und unangenehme Kontakte nicht in dein Herz eindringen und dort bleiben. Wenn Waschwasser oder Kot, Urin, Blut oder Speichel ins Wasser schüttet, dann ist das Wasser deswegen nicht entsetzt, angewidert oder eingeschnappt, und genau so sollst du wasserhafte Gelassenheit entwickeln, damit angenehme und unangenehme Kontakte nicht in dein Herz eindringen und dort bleiben.

Rahula, entwickle Meditation, die gelassen ist wie Feuer, damit angenehme und unangenehme Kontakte nicht in dein Herz eindringen und dort bleiben. Wenn einer Abfall oder Dung verbrennt, dann ist das Feuer deswegen nicht entsetzt, angewidert oder eingeschnappt, und genau so sollst du feuerhafte Gelassenheit entwickeln, damit angenehme und unangenehme Kontakte nicht in dein Herz eindringen und dort bleiben.

Rahula, entwickle Meditation, die gelassen ist wie der Wind, damit angenehme und unangenehme Kontakte nicht in dein Herz eindringen und dort bleiben. Denn über  Abfall, Kot, Urin, Blut oder sonstiges Unreine streicht der Wind einfach hinweg und ist deswegen nicht entsetzt, angewidert oder eingeschnappt, und genau so sollst du windhafte Gelassenheit entwickeln, damit angenehme und unangenehme Kontakte nicht in dein Herz eindringen und dort bleiben.

Rahula, entwickle Meditation, die gelassen ist wie der Raum, damit angenehme und unangenehme Kontakte nicht in dein Herz eindringen und dort bleiben. Denn  der Raum stützt sich nicht auf irgendetwas, er braucht nichts Formhaftes, aber er ist davon auch nicht angewidert. Sei deshalb gelassen wie der weite Raum in deiner Meditation, damit angenehme und unangenehme Kontakte nicht in dein Herz eindringen und dort bleiben.

Rahula, übe die Metta Bhavana, die Meditation der liebenden Güte, so überwindest du jedes Übelwollen.

Rahula, übe die Karuna Bhavana, die Meditation der Barmherzigkeit, so überwindest du jede Grausamkeit.

Rahula, übe die Mudita Bhavana, die Meditation der Mitfreude, so überwindest du jede Missgunst.

Rahula, übe die Meditation über Nicht-Schönheit, so überwindest du jede Begierde.

Rahula, übe die Meditation über Vergänglichkeit, so überwindest du jeden Ich-Dünkel.

Rahula, übe die Meditation der Vergegenwärtigungen des Atems. Und wie übt man diese Meditation der Vergegenwärtigungen des Atems?

Wenn ein so Meditierender lang einatmet, dann weiß er, dass er lang einatmet, 
wenn ein so Meditierender kurz einatmet, dann weiß er, dass er kurz einatmet. Er übt so: ich werde einatmen und dabei den Körper beruhigen, ich werde ausatmen und dabei den Körper beruhigen.

Er übt so: ich werde einatmen und dabei Verzückung erleben, ich werde ausatmen und dabei Verzückung erleben. Er übt so: ich werde einatmen und dabei Glückseligkeit erleben, ich werde ausatmen und dabei Glückseligkeit erleben.


Er übt so: ich werde einatmen und dabei das Herz beruhigen, ich werde ausatmen und dabei das Herz beruhigen. Er übt so: ich werde einatmen und dabei das Herz erleben, ich werde ausatmen und dabei das Herz erleben. Er übt so: ich werde einatmen und dabei das Herz erfreuen, ich werde ausatmen und dabei das Herz erfreuen. Er übt so: ich werde einatmen und dabei das Herz sammeln, ich werde ausatmen und dabei das Herz sammeln.  Er übt so: ich werde einatmen und dabei das Herz befreien, ich werde ausatmen und dabei das Herz befreien

Er übt so: ich werde einatmen und dabei die Vergänglichkeit betrachten, ich werde ausatmen und dabei die Vergänglichkeit betrachten. Er übt so: ich werde einatmen und dabei das Aufhören betrachten, ich werde ausatmen und dabei das Aufhören betrachtenEr übt so: ich werde einatmen und dabei das Loslassen betrachten, ich werde ausatmen und dabei das Loslassen betrachten.

Rahula, so wird die Achtsamkeit auf den Atem entfaltet und geübt, dass sie von großer Frucht und von großem Nutzen ist.

Das war es, was der Erhabene seinem Sohn mit auf den Weg gab. Rahula hatte Erfolg mit dieser Praxis, er erreichte die Arahantschaft und ging noch vor dem Buddha uns Paranibbana ein.


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