Der Nacktasket Mahavira - MN56
nacherzält von Horst aus Gelnhausen
letzte Änderungen im November 2018

So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Nalanda in Pavarikas Mangohain auf. Zu dieser Zeit hielt sich auch der sogenannte Furtbereiter der Jains, der Nacktasket Nataputta, den die Jains Mahavira (großer Held) nennen, bei Nalanda auf. (Die von Nataputta - oder Mahavira - gelehrte Religion des Jainismus gibt es noch heute in Indien. Außerhalb Indiens konnte sie jedoch, anders als der Buddhismus, niemals Fuß fassen. Man nennt sie die "Nacktsaketen", weil Nattaputta einen extremen Verzicht auf allen Luxus propagierte, u.a. auch auf Kleidung, und daher nackt umherging, seine Mönche taten dies auch. Einer der berühmtesten Aussprüche des Nataputta ist: Keine Gewalt -  weder gegen Menschen noch gegen Tiere, auch nicht gegen Pflanzen, nicht einmal gegen Mineralien! Anmerkung von Horst)

Digha Tapassi, einer dieser Nacktasketen, suchte den Buddha auf. Der Buddha bot ihm einen Sitz an und - nach den üblichen Begrüßungsfloskeln - fragte er ihn: „Wie viele Arten der Handlung beschreibt Nataputta, wenn es um üble Taten geht?“

„Freund Gotama, bei uns gibt es drei Arten: das Handeln mit Körper, mit Rede und mit Geist. Und wie lehrt ihr es, Freund Gotama?“

Der Buddha antwortete: „Auch in meiner Lehre sind es drei Arten: das Handeln mit Körper, mit Rede und mit Geist. Aber was lehrt Nataputta als die verwerflichste davon?“

„Von diesen drei Arten beschreibt Nataputta die körperliche Handlung als die verwerflichste, nicht so sehr die sprachliche und die geistige. Und wie ist das bei euch, Freund Gotama?“

Und – vielleicht überraschender Weise – antwortete der Buddha: „Ich beschreibe die geistige Handlung als die verwerflichste, nicht so sehr die körperliche und die sprachliche Handlung.“

Nachdem er das vernommen hatte und sich beim Buddha noch zweimal erkundigt hatte, ob er sich da nicht verhört hätte, stand Digha Tapassi auf, ging zu seinem Meister und berichtete diesem von seiner Unterredung mit dem Erhabenen. Dabei waren viele andere Menschen anwesend, unter anderem der Haushälter Upali, der einer der großzügigsten Unterstützer der Sekte der Nacktasketen war. Upali sagte: „Was zählt die unbedeutende geistige Handlung schon im Vergleich zur körperlichen! Ich werde jetzt zu diesem Mönch Gotama gehen und ihn auf der Grundlage dieser seiner Aussage widerlegen.“ Dabei wurde er von Nataputta, dem Anführer der Nacktsaketen, unterstützt.

Digha Tapassi wandte dagegen ein, dass nicht Upali gehen solle, da der Buddha ein bekannter Magier sei, der eine bekehrende Magie kenne und in der Lage sei, seine Kritiker in Anhänger zu verwandeln, doch Nataputta ließ diesen Einwand nicht gelten. Also begab sich Upali zum Erhabenen, teilte ihm mit, dass er von seinem Gespräch mit Digha Tapassi gehört habe und man kam überein, darüber einen Disput zu führen.

Im folgenden stellt der Buddha dem Haushalter eine ganze Reihe von Fragen, die alle in die gleiche Richtung führen, so z. B. die folgende. (Anmerkung des Nacherzählers: Dazu muss man jedoch zunächst wissen, dass die Nacktasketen, die Jains, einen extremen Gewaltverzicht fordern, z. B. kehren sie den Weg vor ihren Füßen, um sicherzustellen, dass sie kein Kleinstinsekt töten.)

Der Buddha fragt also: „Was meinst du, Haushälter, da könnte ein Nacktasket Gehmeditation üben, und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kommt es dabei zur Tötung vieler kleiner Insekten, Was hätte das für Folgen für ihn, auf der Basis der Regeln der Jains, versteht sich?“

„Ehrwürdiger Herr, der Nacktasket Nataputta beschreibt das, was unbeabsichtigt geschieht, als nicht besonders verwerflich.“

„Ach so, Haushälter, und wie wäre es, wenn er das absichtlich getan hätte?“

„Dann ist es besonders verwerflich, ehrwürdiger Herr!“

„So Haushälter, und unter welche der drei Gruppen fällt der Wille, die Absicht? Unter körperliches, sprachliches oder geistiges Handeln.“

„Unter geistiges Handeln, ehrwürdiger Herr.“

„So, Haushälter, das widerspricht aber eindeutig Nataputtas Aussage, dass die körperliche Handlung verwerflicher sei als die geistige!“

So ging es noch mit einer ganzen Reihe von Beispielen weiter, dann sagte Upali: „Großartig, ehrwürdiger Herr, ich habe es eigentlich schon beim ersten Beispiel eingesehen, aber es war einfach wunderbar, wie ihr eines ums andere Male in zahlreichen Beispielen bewiesen habt, dass die geistige Handlung die verwerflichste unter den dreien ist. Möge der Erhabene mich von heute an als Laienanhänger, der für sein ganzes Leben Zuflucht genommen hat, betrachten.“

„Nicht so schnell, Haushälter, untersuche sorgfältig, bevor du Zuflucht nimmst, ein kluger Mann wie du sollte sich genau umsehen, bevor er irgendwo Zuflucht nimmt.“

„Ehrwürdiger Herr, ich bin glücklich, dass ihr das sagt, denn das habe ich noch von keinem religiösen Führer gehört, ich bitte trotzdem als Laienanhänger angenommen zu werden.“

„Mein lieber Upali, deine Familie hat lange die Nacktasketen unterstützt, ich möchte, dass ihr ihnen weiter Almosen gebt.“

„Wunderbar, Erhabener, wunderbar, so soll es geschehen, eure Güte ist unübertroffen, aber bitte nehmt mich als Laienanhänger an.“

Der Buddha erläuterte Upali jetzt die Grundlinien des Dharma, damit er sich genau überlegen konnte, ob er wirklich Zuflucht nehmen möchte. Das wollte er, und er wurde als Laienanhänger aufgenommen. Während der Belehrungen des Buddha soll er außerdem den Stromeintritt erreicht haben.

Dann nahm Upali Abschied vom Buddha und ging nach Hause. Dort wies er seinen Torwächter an: „Von heute an ist das Betreten meines Anwesens den Nacktasketen verboten, stattdessen haben jetzt die Bhikkhus und Bhikkhunis sowie die Laienanhängerinnen und Laienanhänger des Buddha Zutritt. Frage aber die Nacktasketen und ihre Anhänger, wenn einer von ihnen kommen sollte, ob sie Almosen benötigen, dann würde man ihnen etwas ans Tor bringen.“

Als Digha Tapassi hörte, was vorgefallen war lief er zu seinem Chef Nataputta und rief: „Der Haushälter Upali ist in die Schülerschaft des Mönchs Gotama übergetreten!“ Dieser wollte das zunächst nicht glauben, und schickte Digha Tapassi weg, um Näheres herauszufinden. Der ging zum Anwesen des Haushälters Upali, wo ihm der Torwächter mitteilte, Nacktasketen hätten jetzt keinen Zutritt mehr, aber wenn er Almosen brauchte, solle er etwas warten, dann würde man ihm es bringen.

„Ich brauch` keine Almosen!“ schrie Digha Tapassi und eilte zurück zu Nataputta, um Bericht zu erstatten. Der wollte es zwar immer noch nicht glauben, rief dann jedoch alle erreichbaren Nacktasketen zusammen und sie zogen zum Anwesen Upalis.

Dort ging es ihnen wie zuvor Digha Tapassi, aber Nataputta sagte: „Torwächter, geh zu deinem Herrn und sage ihm, Nataputta selbst steht hier mit zahlreichen Anhängern, er wünscht dich zu sehen.“ Der Torwächter tat, wie ihm aufgetragen wurde.

Als Upali von der Ankunft der Nacktasketen hörte, sagte dem Torwächter, er solle die mittlere Eingangshalle mit Sitzplätzen ausstatten. Dann nahm er, Upali, selbst den höchsten und vornehmsten Sitzplatz ein und sagte: „So Torwächter, jetzt kannst du die Nacktasketen einlassen.“ Das war natürlich nicht nur gegen alle Etikette, sondern stand auch in diametralem Gegensatz zu seinem früher unterwürfigen Verhalten gegenüber Nataputta, der immerhin ein ähnlich angesehener Religionsstifter war wie der Buddha.

Nataputta war außer sich: „Haushälter, du bist offensichtlich verrückt geworden. Du wolltest die Lehre des Mönchs Gotama widerlegen und nun hast du dich in dessen Lehrmeinung verfangen. Du bist ganz eindeutig vom Mönch Gotama mit einer bekehrenden Magie verhext worden.“

Upali entgegnete, indem er sich auf seinen Stromeintritt bezog: „Glücksverheißend ist jene bekehrende Magie. Ehrwürdiger Herr, ich würde mich glücklich schätzen, wenn alle meine Familienmitglieder auch von dieser Bekehrung erfasst würden. Herrlich wäre es, wenn alle Adligen von diese Bekehrung erfasst würden, wenn alle Händler davon erfasst würden, wenn alle Arbeiter davon erfasst würden!

Dann stand er auf und sang eine Lobeshymne auf den Buddha, hier nur die letzte Strophe daraus:

Getilgt hat er´s Begehren, wurde der Erleuchtete,
Vertrieben hat er alle Wolken, völlig fleckenlos,
Am allermeisten wert der Gaben, mächtig wie ein Gott,
Vollkomenster der Menschen, greifbar nicht durch Urteilskraft;
In Herrlichkeit der Größte, Ruhmesgipfel schon erreicht;
Man nennt ihn den Erhabenen, und sein Schüler bin ich jetzt!

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