Von Krokodilen und Haien - MN 67
nacherzählt von Horst aus Gelnhausen
letzte Änderungen im November 2018

So habe ich gehört. Einst weilte der Erhabene im Lande Sakya bei der Ortschaft Catuma in einem Myrobalan-Hain. (Hinweis: dieser Baum trägt eine Frucht namens Amalaki, die man laut dem Ayurveda täglich einnehmen sollte. Horst)

Bei jener Gelegenheit waren 500 Bhikkhus, viele von ihnen noch nicht lange ordiniert, unter Führung von Sariputta und Moghallana angekommen. Die Neulinge tauschten Grüße mit den anderen Ankommenden aus und bauten ihre Laagerplätze auf, wobei es ziemlich laut zugegangen sein muss.

Der Buddha fragte Ananda: "Was sind denn das für Leute, man könnte meinen, es seien Fischer, die ihren Fang auf dem Markt anpreisen."

"Naja, Erhabener, viele von denen sind noch nicht lange ordiniert und wohl noch nicht gut in die Gepflogenheiten unserer Sangha eingeführt."

"Dann, Ananda, sage diesen neue Bhikkhus, sie sollen zu mir kommen." So geschah es und die neuen Bhikkhus traten etwas verlegen beim Buddha an.

Der Buddha fragte: "Bhikkhus, warum macht ihr solchen Lärm? Man könnte meinen, ihr wäret Fischer, die ihren Fang anpreisen."

"Ehrwürdiger Herr, wir sind hierher gekommen, um von euch selbst den Dhamma zu hören, und wie wir die anderen Mönche hier sahen, manche von ihnen kannte wir ja von früher, und uns für die Zeit hier einrichteten, waren wir wohl etwas zu unbedacht und zu stürmisch."

Doch der Buddha gab sich hart: "So nicht, Bhikkhus, geht weg, ihr könnt nicht mit mir zusammenleben."

Erschüttert und geknickt gingen die neuen Mönche zurück zu ihren Habseligkeiten, um sie einzusammeln und sich für den Aufbruch fertig zu machen.

Inzwischen waren auch die Bewohner von Catuma eingetroffen und hatten mitbekommen, was sich zugetragen hatte. Ihr Sprecher wandte sich an den Buddha: "Ehrwürdiger Herr, diese neuen Mönche sind gekommen, weil sie im Dhamma unterwiesen werden möchten, es wäre gut, wenn der Erhabene ihnen den Dharma darlegen würde. Wenn Ihr sie fortschickt, ist es, wie wenn ein neu geborenes Kalb seine Mutter nicht sieht, dann könnte in ihm eine negative Verwandlung stattfinden. Ebenso ist es auch mit diesen Mönchen. Wenn sie keine Gelegenheit haben, ihren Lehrer zusehen, könnte in ihnen eine negative Verwandlung stattfinden. Möge der Erhabene diese Mönche willkommen heißen."

Da sah auch Brahma Sahampati, was sich zutrug. Dieser Brahma ist eigentlich eine hinduistische Gottheit. Der Buddha berichtete jedoch davon, dass in der Nacht seiner Erleuchtung dieser Brahma Sahampati an ihn herantrat, als er, der frisch erwachte Buddha, sich fragte, ob er in der Lage sei, diese schwer verständliche Lehre, den Dharma, zu kommunizieren. Brahma Sahampati forderte damals den Buddha auf zu lehren "für diejenigen, die nur wenig Staub auf den Augen haben." Hier tritt jetzt also zum zweiten Mal in Buddhas Leben Brahma Sahampati mit einer Bitte an den Buddha heran: "Ehrwürdiger Herr, diese jungen Mönche sind gekommen, um in der wahren Lehre unterrichtet zu werden, es wäre gut, wenn der Erhabene das täte. Wenn Ihr sie fortschickt ist das genauso, wie wenn junge Setzlinge kein Wasser bekommen, dann könnte in ihnen eine negative Wandlung stattfinden und sie könnten verdorren.
Ebenso ist es auch mit diesen Mönchen. Wenn sie keine Gelegenheit haben ihren Lehrer zu sehen, könnte in ihnen eine negative Verwandlung stattfinden. Möge der Erhabene diese Mönche willkommen heißen."

Es heißt, die Bewohner von Catuma und Brahma Sahampati hätten den Buddha wieder zuversichtlich stimmen können. So wandte sich der Buddha an Sariputta: "Sag mal, Sariputta, was hast du gedacht
, als ich diese Bhikkhus entlassen habe?"

"Ehrwürdiger Herr, ich dachte: Der Erhabene wird jetzt untätig verweilen, sich dem angenehmen Verweilen hier und jetzt widmen."

"Halte ein, Sariputta, eine solche Einstellung sollte von dir nicht gehegt werden!"

Dann richtete der Erhabene sich an den anderen seiner beiden wichigsten Jünger:
"Sag mal, Mogallana, was hast du gedacht, als ich diese Bhikkhus entlassen habe?"

"Ehrwürdiger Herr, ich dachte: Der Erhabene wird jetzt untätig verweilen, sich dem angenehmen Verweilen hier und jetzt widmen. Dann werden eben Sariputta und ich die Sangha der Bhikkhus leiten."

Der Buddha erstaunt: "Ach ja, entweder ich leite die Sangha, oder Sariputta und Mogallana machen das, tolle Einstellung!"

Etwas später, als sich die neue Lage herumgesprochen hatte und die Mönche - inzwischen sehr diszipliniert und kleinlaut - sich wieder versammelt hatten, richtete der Buddha doch noch sein Wort an sie:

"Ihr Bhikkhus, wenn Menschen zum Wasserholen an den großen Fluss gehen, gibt es vier Schrecken, mit denen sie rechnen müssen. Was sind das für vier? Es sind die Schrecken der Wellen, die Schrecken der Krokodile, die Schrecken der Strudel und die Schrecken der Haie.

Ebenso gibt es vier Schrecken, die gewisse Leute, die in die Disziplin dieser Sangha eintreten, fürchten müssen.
Was sind das für vier? Es sind die Schrecken der Wellen, die Schrecken der Krokodile, die Schrecken der Strudel und die Schrecken der Haie.

Was aber sind das für Schrecken der Wellen? Da wird ein neuer, aber an Jahren älterer Bhikkhu, von einem schon länger ordinierten, aber an Jahren jüngerem Bhikkhu, ermahnt: Das solltest du so und so machen. Dann kommt ihm die Idee: als ich noch im Hause lebte, beriet ich andere, erzog ich andere, jetzt kommen diese Bhikkhus, die meine Söhne oder Enkel sein könnten, und wollen mir Vorschriften machen! Und so gibt er das Ordensleben auf und kehrt ins weltliche Leben zurück. Das nenne ich den Schrecken der Wellen. Diese Wellen sind das Aufwogen von zorniger Verzweiflung.

Was aber sind das für Schrecken der Krokodile? Da gibt es in dieser Sangha Regeln, was wir verzehren und wann wir es verzehren.  Dann kommt diesem neuen Mönch die Idee: als ich noch im Hause lebte, aßen wir, was wir wollten und wann wir wollten. Wenn uns jetzt jemand Almosenspeise am Nachmittag gibt, soll ich das nicht essen. Ich lasse mir doch keine Maulkorb anlegen! Und so gibt er das Ordensleben auf und kehrt ins weltliche Leben zurück. Das nenne ich den Schrecken der Krokodile. Krokodil ist hier der Ausdruck für Gefräßigkeit.

Was aber sind das für Schrecken der Strudel? Da sieht ein neuer Mönch irgendeinen Haushälter, der den fünf Sinnengelüsten frönt - und er sieht ihn dabei sichtlich vergnügt. Da denkt sich dieser Mönch: früher frönte auch ich den fünf Sinnengelüsten und vergnügte mich auf diese Weise. Meine Familie hat Reichtum. Ich kann doch eigentlich dahin zurückkehren und mir nebenbei einige spirituelle Verdienste erwerben. Das nenne ich den Schrecken der Strudel. Strudel steht hier für die fünf Stränge sinnlichen Vergnügens.

Was aber sind das für Schrecken der Haie? Da ist ein Mönch in die Hauslosigkeit gezogen, er geht ins nächste Dorf oder die nächste Stadt, ohne seine Achtsamkeit aufrecht zu erhalten, ohne seine Sinnesorgane zu hüten - und dann sieht er eine leicht bekleidete, nicht vollständig angezogene Frau. Sein Herz ist von Begierde angesteckt, er gibt die Übung auf und kehrt zum niedrigen Leben zurück. Das nenne ich den Schrecken der Haie. Und die Haie sind hierbei natürlich die Frauen.

Ihr Bhikkhus, das sind die vier Schrecken, mit denen alle, die in die Hauslosigkeit gezogen sind, rechnen müssen.

Und vielleicht hast auch du dich darin wiedererkannt!


Zurück zu den buddhistischen Geschichten
Zur Übersicht   Gelnhausen-Meditation
Zur Hauptseite kommundsieh.de