Horst Gunkel: Die Jesus-Trilogie - Band 2: Jesus - die Jahre 30 - 96 - Kapitel 18 letztmals bearbeitet am 08.09.2025
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18
- Die neuen Siedler
Alle waren froh als Ende März, Anfang April die Tage wieder wärmer wurden. Doch am fünften Tag nach dem ersten Uposatha im April geschah etwas Unerwartetes: Eine Gruppe junger Menschen, alle im Alter zwischen zwölf und siebzehn Jahren, kam an: insgesamt 19 Personen, darunter vier junge Frauen.
Amita saß gerade auf der Bank vor ihrem Haus und schälte Bataten1, als sie die Gruppe erblickte. Ein Gruppenmitglied, mutmaßlich der Anführer der Gruppe, ging auf sie zu und stellte sich vor: „Ich nehme an, Ihr seid Amita, die Heilige, von der man landauf, landab spricht. Mein Name ist Teja, ich bin der Sohn des Kaufmanns Śiva, der überall von euch rühmt, und das hier ist meine Frau Lalita. Wir kommen aus der Stadt, die drei Tagesreisen Richtung Sonnenaufgang von hier liegt. Und diese anderen hier sind alles Freunde, die genauso begeistert von Euch sind. Wir sind gekommen, um von Euch belehrt zu werden.”
Amita schickte sofort Reena, um Yuz zu holen, dann fragte sie: „Und ihr seid alle den weiten Weg aus der Stadt gekommen? Wie lange wollt ihr denn bleiben?”
„Solange es geht, vielleicht für immer. Einige von uns werden im Herbst zurückgehen, aber etwa ein Dutzend sind wild entschlossen dauerhaft bei euch zu bleiben!”
Amita sieht die praktischen Probleme, die das mit sich bringt: „Wir wissen gar nicht, wo wir euch unterbringen können und jetzt nach dem Winter sind auch gar nicht mehr genügend Vorräte da, um so viele Menschen zusätzlich ernähren zu können.”
In diesem Augenblick kommen Yuz und Reena zurück, man stellt sich einander vor, dann sagt Teja: „Das haben wir selbstverständlich alles bedacht. Nächste Woche wird eine Karawane hier eintreffen, mein Vater wird sie persönlich begleiten. Außerdem werden wir uns selbstverständlich am Ausbau der Metta-Sangha beteiligen und zwar erstens, indem wir unsere Arbeitskraft einbringen, und zweitens hiermit!”
Er überreicht Yuz einen Beutel, der öffnet ihn: „Gold?”
Teja nickte: „Wir haben alle zusammengelegt, es ist auch noch Dana von einigen anderen Stadtbewohnern dabei, die leider nicht mitkommen konnten, insgesamt 100 Goldstücke. Ich denke, die finanzielle Situation der Metta-Sangha ist damit vorerst gesichert.”
Amita wurde ganz praktisch: „Ihr habt sicher Hunger. Fünf von euch gehen zu Ajala, das ist die nette Frau dort drüben, sie wird mit euch ein Essen zubereiten, das wir dann gemeinsam verzehren werden. Die anderen folgen mir zu Jagan und Sita, ihnen gehört das Land hier. Mit denen müssen wir besprechen, wo ihr wohnen könnt.”
Dann gingen Yuz, Amita, Teja und die dreizehn anderen zum Herrenhaus. Natürlich waren Jagan und Sita genau so überrascht: „Wollt ihr alle bei uns arbeiten? Oder sucht ihr eigenes Land?”
Teja korrigierte „Wir sind keine Śūdras, keine Arbeiter. Außerdem haben wir das untereinander diskutiert und haben beschlossen: für uns gibt es keine Kasten. Wir sehen uns alle als Menschen, als spirituelle Menschen. Vier von uns haben als Handwerker gearbeitet, andere sind aus Kaufmannsfamilien. Wir suchen Land, auf dem wir unsere Hütten errichten und etwas Getreide und Gemüse für uns selbst anbauen können.”
Sita nickte, wenn sie auch alles andere als begeistert war von der drohenden kastenlosen Gesellschaft: „Ihr hab ja gesehen, wo bereits Felder sind, der Bereich um dieses Anwesen gehört uns. Alles was von hier aus gesehen hinter unserem Nachbarn liegt, also hinter dem Anwesen, indem die heilige Familie wohnt, und das noch nicht als Felder genutzt wird, dort könnt ihr siedeln.”
„Gut,” antwortete Teja und holte aus seinem Beutel ein Kästchen, das er ihr überreichte: „Mit einer freundlichen Empfehlung meines Vaters!”
Sita öffnete das Kästchen: „Ein goldener Armreif für mich? Das ist aber eine Überraschnung!” Sita war jetzt sogar fast bereit die kastenlose Gesellschaft zu schlucken. Immerhin war sie jetzt die einzige in der Sangha mit einem goldenen Armreif!
Man verabschiedete sich. Auf dem Rückweg zu ihrem Haus bat Amita, die jetzt mit ihrem mächtigen Bauch nicht mehr so beweglich war wie sonst: „Yuz, kannst du bitte das Organisatorische mit den Neuankömmlingen erledigen, ich möchte mich nach dem Essen ein wenig zurückziehen.”
„Es geht dir doch hoffentlich gut, meine Liebe?” erkundigte sich Yuz besorgt.
„Keine Bange, alles in Ordnung, ich möchte mich nur ein wenig ausruhen.” Das war allerdings nur die halbe Wahrheit. Ja, Amita fühlte sich in ihrem Zustand eher angestregt als sonst. Aber sie hatte auch gesehen, dass Yuz darunter litt, dass er von vielen nicht mehr als der Führer ihres Ashrams angesehen wurde. Wenn er für die Neuen im Mittelpunkt steht, ist das sicher besser im Einklang mit seinem Selbstbild, sagte sie sich.
Yuz ließ sich das nicht zweimal sagen: „Nach dem Essen führe ich euch herum, zeige euch alles und werde einen vorläufigen Ablaufplan bekanntgeben.”
Beim Essen hatten sich natürlich die neu Hinzugekommen und die Bewohner des Hauses der heiligen Familie einiges zu erzählen, was nichts mit der spirituellen Praxis zu tun hatte. Dann fragte Yuz: „Ajala und Reena, kann ich euch jetzt hier mit eurer Arbeit allein lassen und mit den Neulingen alles weitere besprechen?”
„Klar, Yuz, wir schaffen das schon allein”, das war die Stimme Reenas, die sich allmählich zu so etwas wie dem weltlichen Vorstand des Hauses der heiligen Familie entwickelte.
Yuz führte sie bis etwa 100 Schritte von ihrem Haus entfernt, dort war der Weg, auf dem die anderen von der Stadt aus hergewandert waren und der dann ein Stück am See entlang führte. „Hier jenseits des Weges, das ist alles herrenloses Land. Wie ihr euch das einteilt, macht ihr unter euch aus. Nur hier am Weg möchte ich, dass ein 100 Schritt langer und 50 Schritt breiter Platz frei bleibt. Vielleicht könnt ihr das später abmessen und abstecken, an diesem Platz habe ich etwas anderes vor. Wenn jetzt hier alles klar ist, gehen wir gerade zur Versammlungshalle und beschäftigen uns mit dem spirituellen Programm.”
Die anderen nickten und folgten ihm, nur Lalita sprach Yuz an: „Auf der Wanderung hierher war es nachts ziemlich kalt draußen, aber wir hatten Glück, dass es die letzten beiden Tage wenigstens trocken war.”
Yuz nickte, er hatte den Hinweis verstanden. Inwischen waren sie an der Halle angekommen. „Lasst uns hereingehen, ihr könnt dann die Fenster aufmachen, damit wir uns sehen können.” Als das geschehen war, setzte sich Yuz hin und machte eine einladende Handbewegung, sodass die anderen wussten, das sie sich auch setzen konnten.
„Das ist unsere Versammlungshalle. In den nächsten Wochen könnt ihr diese auch als Schlafraum nutzen. Allerdings muss zur Morgenstunde euer perönliches Zeug alles dort hinten an der Wand abgelegt werden. Tagsüber könnt ihr diesen Raum nicht nutzen, allerdings könnt ihr euch bei starken Regenfällen hier unterstellen. Auf dem Gelände der Herrschaften, also in deren Haus, den Gärten, Feldern und Ställen habt ihr nicht zu suchen, das ist absolut tabu für euch.
Wenn in diesem Raum hier gerade keine Veranstaltung ist, könnt ihr euch von Einbruch der Dunkelheit an hier drin aufhalten. Lampen dürfen grundsätzlich nur dort vorn auf dem Schrein und in den beiden Sandkästen angezündet und abgestellt werden. Zur Schlafenszeit darf nur eine Öllampe brennen, die rote auf dem Schrein.
Übermorgen ist Uposattha, da ist hier ganztags eine Veranstaltung, an der ihr teilnehmt. Da ihr mit unseren Gewohnheiten und Ritualen noch nicht vertraut seid, ist morgen Nachmittag hier eine Einführungsveranstaltung, an der ihr alle ausnahmslos teilnehmen werdet. Wenn der große Gong ertönt, kommt ihr her. Diese Veranstaltung am Tag vor Uposattha ist eine einmalige Sache.
Es gibt aber auch noch eine andere regelmäßige Veranstaltung, nämlich am Tag nach Uposattha. Da findet hier in diesem Raum, oder – wenn das Wetter es zulässt draußen auf der Wiese zwischen dieser Halle und dem See – etwas statt, das ich das `kleine Kolloquium´ nenne. Da werden alle spirituelle Themen besprochen, die vom Leiter, das sind antweder Amita oder ich, oder aber von euch vorgeschlagen werden. Grund dafür ist folgender: Wir haben derzeit ein wöchentliches Kolloquium im Herrenhaus, da sind aber außer Amita, mir und inzwischen einem anderen Mann und seine Tochter nur Kṣatriyas drin. Ich habe vor, das zu ändern. In drei Monaten sollten zwei oder drei von euch so weit sein, in dieses Kolloquium aufzurücken. Außerdem findet es derzeit im Herrenhaus statt, der dortige Raum hat aber nur für maximal acht Personen, also die jetzige Mitgliederzahl, Platz. Sodass wir dann dieses Kolloquium auch hier abhalten, an einem anderen Tag natürlich als das `kleine Kolloqiuum´. Auf diese Art ist dann alles Spirituelle hier. Momentan begeben wir uns immer in ein uns sehr fremdes Ambiente mit ausgestopften Tieren und so. Habt ihr dazu noch Fragen?”
Teja ergriff das Wort: „Das finde ich toll, dass du die momentane Situation in einen echten Ashram umwandeln willst. Ich nehme an, das abgesteckte Land am Weg hat auch damit zu zun?”
„Ja, hat es. Ich kann mir vorstellen, dass ihr nicht die einzigen seid, die zeitweilig hierherkommen. Ich möchte diese Halle hier aber künftig nicht als Unterkunft für Obdachlose spirituelle Sucher verwenden. Daher möchte ich dort am Weg zunächst einen Schlafraum errichten, mittelfristig einen zweiten, von denen dann einer von Männern und der andere von den Frauen genutzt wird. Habt ihr noch Fragen?”
„Ja, eine noch”, meldete sich Mohana, eine der Frauen, „was ist denn mit dem See, können wir darin Wäsche waschen und sie auf der Wiese bleichen und wie ist das, können wir darin baden, oder gibt es irgendwelche Bereiche, die reserviert sind?”
„Bislang nicht, aber du hast recht, das könnte möglicherweise zu Konflikten führen, die wir versuchen sollten zu vermeiden. Ich schlage vor, ihr nutzt den See nur dort, wo der Weg ist oder maximal bis zu unserem Haus. - So und jetzt empfehle ich euch auf euer neues Land zu gehen und zu besprechen, wie ihr das aufteilt.”
Damit war die Versammlung beendet. Yuz ging zu Amita und erzählte ihr, was er bekannt gegeben hatte. Amita nickte, sie hätte einiges etwas anders gemacht, aber alles, was Yuz gemacht hatte, schien ihr vertretbar, daher sagte sie nur: „Das hast du prima gemacht!” und steichelte ihm zärtlich über den Arm.
Am Rest des Nachmittags und an diesem Abend waren die Neuankömmling völlig damit beschäftigt, die neuen Eindrücke zu verarbeiten, sich einzurichten und die Gegend zu entdecken. Amita und Yuz aber saßen vor ihrem Haus. „Was werden wir am morgigen Nachmittag mit den Leuten in der Vorbereitung machen”, fragte Amita.
„Nun wir werden alles erklären, was für den Ablauf der Uposatha-Veranstaltung nötig ist. Für das Gebet müssen wir auch Abba und Tara einführen.”
„Wer ist eigentlich Abba für dich, Yuz?”
„Nun ich dachte, das hätte ich schon hinreichend klar gemacht. Er ist der um die kriegerischen Züge bereinigte Schöpfergott.”
„Dann entspricht er also für diese im Brahmanismus erzogenen Menschen, die dir morgen zuhören, zweien der drei Götter der Trimurti, lediglich Śiva hast du weggenommen, den Zerstörer. Die schöpferische Kraft des Brahma ist noch drin und auch die erhaltende Kraft von Viṣṇu. Das ist dann aber ein sehr konservativer Ansatz, während du doch ansonsten den Umsturz predigst, das Einreißen der Kastenschranken. Aber dafür steht bei diesen in der brahmanischen Religion geschulten Menschen Śiva. Das kann in deren Augen kein konsistentes Weltbild sein.”
Yuz schwieg einen Augenblick, dann sagte er: „Du hast recht, das ist aus deren Blickwinkel nicht konsistent, so habe ich es noch nicht betrachtet.”
„Im Nonnenkloster habe ich eine Sache wirklich durchschaut und klar verstanden: Der meiste Streit entsteht dadurch, dass die Menschen Dinge aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Erst wenn wir die Sichtweise des anderen verstanden haben, können wir erfolgreich mit ihm kommunizieren.”
„Was schlägst du also vor?”
„Ich glaube wir sind uns darin einig, Yuz, dass es so etwas wie das Transzendente, das Göttliche, etwas Geistiges, das größer ist als wir, gibt, ja?”
„Ja, das ist so, ich nenne es Abba.”
„Da bin ich mir nicht sicher, Yuz. In deinem Abba steckt mehr drin, als das, was ich gerade benannt habe. Für dich ist Abba auch der Schöpfer.”
„Nun ja, die Welt ist da, die Erde ist da, die Sterne sind da, Pflanzen, Tiere und Menschen sind da. Irgendwer muss sie doch gemacht haben!”
„Warum?”
„Weil sie sonst nicht da wären.”
„Wer hat Abba gemacht?”
„Der muss schon vorher da gewesen sein.”
„Nein, Yuz. Du hast Abba gemacht, die Juden haben JHWH erschaffen, die Brahmanen haben Brahma geschaffen. Das einzige, was da war, ist eine Kraft, eine schöpferische Kraft, eine Tendenz zur Entwicklung, zur Evolution. Das ist die göttliche Kraft. Das ist auch das Prinzip nach dem sich alles in der Natur entwickelt. Und weil es die Kraft der Natur ist, habe ich sie früher im Nonnenkloser Grünkraft genannt.”
„Und dann ist deine Schöpferin die Grüne Tara?”
„Nein, es gibt keine Schöpferin, nur eine schöpferische Kraft. Die Grüne Tara entspringt meinem Geist, wie Abba dem deinen entspringt. Ich verzichte inzwischen gewöhnlich auf das Wort Grünkraft, weil es offensichtlich zu falschen Assoziationen führen kann, ich nenne diese Kraft lieber `die schöpferischer Kraft, die das ganze Universum durchdringt´. Der Brahmanismus sprcht auch von der Prāṇa, dem Lebenshauch.”
„Den gibt es im Judentum auch, er heißt dort der Odem, was als der Hauch Gottes angesehen wird.”
„Weil die Juden überall ihren Gott JHWH unterbringen wollen, das Wort Odem würde doch genügen. Da gefällt mir der Ausdruck Prāṇa aber besser, weil da nicht der Schöpfergott Brahma mitschwingt.”
„Eigentlich sind wir gar nicht so weit entfernt voneinander, Amita. Ich werde also den Begriff `Schöpfer´ vermeiden, wenn ich von Abba spreche.”
Amita lachte: „Das ist doch schon ein Anfang, Liebster, wenn es dir gelingt den Begriff `Schöpfer´ auch zu vermeiden, wenn du an Abba denkst, dann bist du auf dem richtigen Weg.”
Statt einer Antwort küsste er Amita.
Am nächsten Morgen hatten Ajala und Reena ein Frühstücksbuffet auf dem Tisch im großen Raum ihres Hauses aufgebaut, Amita ging zur Versammlungshalle, wo man gerade dabei war, alle persönlichen Gegenstände an die hintere Wand zu bringen, und sagte den anderen, dass das Frühstück fertig sei. Während der Morgenmahlzeit informierte Teja das `heilige Paar´ über die Ergebnisse der gestrigen Siedlerbesprechung: „Wir haben insgesamt drei Paare, die dauerhaft hier bleiben wollen: Aryan und Dajita, Dhiren und Nainan sowie Lalita und ich. Für diese Paare werden Einfamilienhäuser errichtet Desweiteren gibt es zwölf einzelne Männer und eine Frau, nämlich meine Schwester Mohana. Mohana wird vorerst bei uns wohnen, also wenn unser Haus fertig ist. Von den Männern wird vermutlich ein Teil im Herbst zurückgehen, teilweise weil sie im kommenden Frühjahr heiraten werden. Wir müssen also insgesamt vier Gebäude errichten, die drei Häuser für Paare, aus denen allmählich Familien werden, in einem Fall sogar schon in diesem Jahr, denn Dajita ist schwanger, und ein Männerwohnheim.”
„Gut”, sagte Yuz, „Uposatha ist arbeitsfrei, am darauffolgenden Tag ist Kolloquium. Die übrigen Tage sind dann also Arbeitstage. Ich denke wir sollten uns an diesen Tagen zur ersten Stunde2 in der Halle zur Morgenandacht und Meditation einfinden. Zur zweiten Stunde wird die Morgenmahlzeit gemeinsam eingenommen. Ich schlage vor, dass die vier Siedlerfrauen ein Küchenteam bilden, das Ajala anleitet. Dieses Team bereitet die Mahlzeiten vor und arrangiert alles, was mit Essen und Trinken zu tun hat. Seid ihr damit einverstanden?”
Mohana wandte ein: „Das klingt praktisch, und ich denke, das können wir auch in den ersten Monaten während der Bauphase so handhaben. Ich aber möchte mich jedenfalls nicht daueraft in der Rolle des Küchenmädchens einrichten.”
Amita sah in die Runde, keine der anderen Frauen schien sich äußern zu wollen: „Dann sollten wir es genau so machen, wie es Yuz und Mohana vorgeschlagen haben: während der Bauphase bilden die fünf Frauen das Küchenteam, danach besprechen wir die künftige Arbeitsverteilung. Im übrigen scheint es mir darauf hinauszulaufen, dass die Männer das Bauteam sind. Yuz und ich haben aber auch die Uposatha-Veranstaltungen und die beiden Kolloquien vorzubereiten. Ich möchte mich daher ganz aus den allgemeinen Arbeiten heraushalten, ich denke ich werde in den nächsten Monaten in erster Linie für unser Kind da sein. Yuz hat ganz früher als Zimmermann gearbeitet und hat auch unsere Halle im Wesentlichen errichtet. Er kann euch selbstverständlich immer beraten und auch ggfs. unterstützen. Ich möchte aber nicht, dass er in den regulären Baubetrieb eingegliedert wird aus den Gründen, die ich genannt habe. Seid ihr damit einverstanden?”
Yuz ergänzte: „In der ersten Woche, wo es um ganz grundlegende Entscheidungen für den Bau geht, möchte ich schon gern beim Bautrupp dabei sein, für die folgende Zeit macht das, was Amita vorgeschlagen hat, absolut Sinn.”
Es erhob sich dagegen kein Widerspruch. Man wollte gerade auseinandergehen, da meldete sich Mohana: „Eine Sache hätte ich noch, wir haben bisher nur über die Morgenmahlzeit gesprochen, diese ist zur zweiten Stunde. Ich meine eine weitere Mahlzeit am Tag reicht. Während das Frühstück im Sommerhalbjahr eine kalte Mahlzeit sein sollte, sollten die andere Mahlzeit ein warmes Essen sein, nach gut der Hälfte der Arbeitszeit, ich denke zur siebten Stunde. Abendliches Essen ist sowieso nicht gesund.”
Jetzt gab es aber Einwände gleich von mehreren Männern, die anführten, wenn sie hart arbeiteten, hätten sie nach der Arbeit Hunger.
Amita sprach mit Ajala, dann verschaffte sie sich Gehör: „Ich kann verstehen, wenn hart arbeitende Menschen nach der Arbeit noch etwas Hunger haben. Andererseits führt reichliches abendliches Essen tatsächlich dazu, dass man schlecht schläft, vor allem bei denen, die weniger hart arbeiten. Daher lasst es uns doch so machen, dass auf dem Esstisch im unserem Haus abends nach der Arbeit, also ab der 11. Stunde immer genug Obst und Brot bereitliegt, außerdem Getreide und Milch, damit sich – wer will – einen Brei machen kann. Zur zwölften Stunde wird eine kurze Abendandacht im Saal gemacht, es wäre schön, wenn ganz, ganz viele von euch daran teilnehmen würden.”
Auf diese Art hatte Amita den aufkeimenden „Essensstreit” beigelegt und gleich noch eine regelmäßige Abendandacht eingeführt. Yuz ging inzwischen mit dem Bautrupp auf den Bauplatz, wo man die durchzuführenden Maßnahmen erörterte, in erster Linie galt es, stützende Baumstämme zu besorgen. Der vermutliche Engpass lag bei dem wenigen vorhandenen Werkzeug. Im Haus der hl. Familie gab es lediglich ein Beil, eine große und eine kleine Säge sowie ansonsten eher Kleinwerkzeug.
Yuz wandte sich deshalb an Teja: „Stelle fest, was an wünschenswertem Handwerkzeug zu besorgen ist. Dann sprichst du mit Anup, was davon im Herrenhaus vorhanden ist und euch leihweise überlassen werden kann. Du könntest auch vorschlagen, dieses Werkzeug euch ganz zu überlassen, und dem Herrenhaus dafür neues zurückzugeben. Wenn im Laufe der Woche dein Vater mit der Karawane eintrifft, sagst du ihm, was noch benötigt wird und er soll es bei nächstbester Gelegenheit herbringen lassen. Baubeginn ist in drei Tagen. An diesem Tag besorgt ihr die ersten Stämme wie besprochen. Wenn ihr die als Pfeiler errichten wollt, sag mir Bescheid, dann komme ich und zeige euch, worauf zu achten ist.”
Zuvor hatte man sich darauf geeinigt, mit dem Bau der drei Familienhäusern simultan zu beginnen. Da jedes der Gebäude mindestens drei Zimmer hatte, konnten die anderen Personen vorübergehend dort unterkommen, bis das Männerhaus fertig ist. Außerdem ging man davon aus, dass man im Sommer im Freien schlafen könne.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen versammelte man sich wie abgemacht, um die neuen Siedler hinsichtlich der Uposatha-Feier in all das einzuweihen, was sie dazu wissen mussten, damit sie am nächsten Tag diese mit den anderen begehen und inhaltlich verstehen konnten. Die diesbezügliche Einweisung fand auf Amitas Bitte nicht nur durch das heilige Paar statt, vielmehr wurden als weitere Tutoren Raj und Yuva hinzugezogen, also zwei Personen die in etwa im Alter wie die jungen Siedler waren. Außerdem war es so möglich, diesen beiden auch eine gewisse Anerkennung für ihren unermüdlichen Einsatz zu geben. Amita hatte dabei auch noch im Sinn, dass es gut wäre, Unterstützung (und vielleicht auch ein Korrektiv) zu haben, wenn sie in Zukunft immer Mal wegen des Kindes ausfallen würde und daher Yuz weitgehend das Feld überlassen müsste, er war doch in ihren Augen immer noch manchmal zu sehr von der alten Religion beeinflusst.
Diese den Uposatha vorbereitende Veranstaltung wurde von allen Teilnehmenden sehr hifreich empfunden. Die Tatsache, dass den 19 neuen Siedlern nun gleich vier Lehrkräfte, die sich die Bälle gegenseitig zuspielten, gegenüberstanden, war für die aus der brahmanischen autoritären Religion kommenden Siedler wie die Offenbarung einer neuen Zeit, in der dem Primat des Glaubens als gleichberechtigte Säule der Religion das Wissen, die Vernunft, die Logik zur Seite gestellt wurde.
Auch die Uposatha-Veranstaltung am nächsten Tag war ein voller Erfolg. Die schiere Größe dieser Veranstaltung mit jetzt fast siebzig Teilnehmern, das gemeinsame Gebet und die gemeinsamen Mantren erzeugten ein Gefühl von Ergriffenheit und nicht wenige beendeten diesen Tag unter Tränen der Rührung und mit einer wohligen Gänsehaut ob der erhabenen Veranstaltung, an der sie teilgenommen hatten.
Und
mindestens
an diesem Abend war es, wenn man den Gesprächen der in der
Halle übernachteten Personen lauschte, so, als würde
niemand im Herbst diesen Ort verlassen wollen. Lediglich
diejenigen, die im nächsten Jahr vermählt werden sollten,
wollten nach Hause, um dann mit ihrer Bräuten
zurückzukehren. Sie besprachen alle diese Pläne bis lang
in die Nacht hinein, bis schließlich einem nach der
anderen die Augen zufielen und bis Mohana aufstand, um bis auf die rote
Öllampe alle anderen Lichter zu löschen.
Fußnoten
1 Heute nennt man sie Süßkartoffeln, diese waren damals im asiatischen Raum weit verbreitet. Das, was wir heute als Kartoffeln nennen, gab es damals nur auf dem amerikamischen Kontinent. Als Spanier und Portugiesen sie dort vorfanden, nannten sie diese so wie ihre asiatischen Verwandten: patatas (engl: potatoes).
2 Die Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang wurde damals in zwölf Stunden geteilt, diese waren naturgemäß im Sommer länger und im Winter kürzer als die bei uns üblichen 60 Minuten
Erläuterungen
Abba
– Wenn
Jesus Gott anbetete, verwendete er
dieses aramäische Wort für „Vater“.
Er nahm nicht die Anrede JHWH,
die
im Judentum
verwendet
wurde. Während JHWH
den
alttestamentarischen strengen Gott, der
ursprünglich der Kriegsgott der Juden
war, bezeichnet, interpretiert Jesus
das Göttliche neu und sieht darin eine
milde, verständnisvolle und
unterstützende Vaterfigur.
Ashram – bezeichnet ursprünglich die Einsiedelei eines indischen Asketen, heute jedoch ein klosterähnliches Meditationszentrum einer hinduistisch beeinflussten Sekte an dem Anhänger einer spirituellen Lehre leben und sich unterweisen lassen. Den spirituellen Leiter und Führer eines Ashrams nennt man Guru.
Bodhisattva – Figur im Mahāyāna-Buddhismus. Bodhisattvas sind Wesen, die Erleuchtung nicht nur für sich selbst anstreben, sondern zum Wohl aller Wesen. (Im Theravāda wird das Wort nur für den späteren Buddha vor seiner Erleuchtung verwendet.)
Brahmā – einer der Hauptgötter des Hinduismus, er gilt dort als der Schöpfer. Der Buddhismus kennt keinen Schöpfergott.
Brahmanen – eine der Kasten im Hinduismus, nur Brahmanen dürfen religiöse Rituale vollziehen
Brahmanismus – indische Religion, in der (u.a.) ein Brahman (Gott) verehrt wird. Der Btahmanismus wird heute als Hinduismus bezeichnet.
Dāna – „Gebefreude“, auch: Großzügigkeit. Dana ist eine hohe buddhistische Tugend und eine der sechs Tugenden, die ein Bodhisattva übt.
Dharmamitta – in diesem Buch die Bezeichnung für eine Person der Metta-Sangha, die eine Zeremonie der Zufluchtnahme gemacht hat
Drei Juwelen – die drei höchsten Kostbarkeiten im Buddhismus: der Buddha (unser Ideal), der Dharma (die von ihm begründete Wissenschaft) und der Sangha (die Gemeinschaft der erfolgreich Praktizierenden), der Sanskrit-Terminus hierfür ist Triratna.
Grüne Tārā – Figur, die für grenzenloses Mitgefühl zu allen Wesen steht. Sie wird immer sitzend dargestellt, im Begriff aufzustehen, um den leidenden Wesen aktiv zu helfen, ihre rechte Hand zeigt die Geste der Wunschgewährung. Sie hat grüne Haut, denn sie gehört zu einer Gruppe von grünen Wesen, genannt die Karmafamilie. Neben der Grünen Tārā gibt es noch 20 weitere Tārās, die Grüne Tārā ist aber die bekannteste davon.
Grünkraft oder viriditas – (vom lat. viridis = grün) ein von der dt. Kath. Nonne Hildegard von Bingen geprägter Begriff für eine Kraft, die der gesamten Natur innewohnt, also Menschen, Tieren, Pflanzen und Mineralien. Diese Kraft ist heilend. Man kann das als Kraft der Evolution verstehen.
JHWH – ist der Eigenname des Gottes im Tanach. Da es in
der hebräischen Schrift keine Vokale gibt enthält er nur
Konsonanten. Ausgesprochen wird er Jahwe, oder auch Jehova.
Kaste – die indische Gesellschaft wird gemäß der hinduistischen Religion in streng voneinander abgetrennte Kasten eingeteilt, die wichtigsten Kasten sind die Brahmanen (Sanskrit: ब्राह्मण, brāhmaṇa = Priester), kṣatriya (Sanskrit: क्षत्रिय, Adel, Krieger, Beamte) und die vaiśya (Sanskrit: वैश्य = Kaufleute, Händler, Großgrundbesitzer) und śūdras (Sanskrit शूद्र, = Arbeiterklasse incl. Handwerker), darunter stehen die Dalits (Kastenlose, Unberührbare). Auf diese Art schuf der Hinduismus eine Apartheidsgesellschaft mit einer arischen Mittel- und Oberschicht, und einer indigenen Bevölkerung, die man nicht einmal berühren durfte; so sollte eine Rassenvermischung verhindern werden.
Kṣatriya (Sanskrit: क्षत्रिय) höchste indische Kaste, umfasst Adel, Krieger, Beamte
Mahābhūtas
-
„Große Geister“ eine in Indien geläufige Bezeichnung
der vier klassischen Elemente der antiken Philosophie
(Erde, Wasser, Feuer/Hitze und Luft/Wind)
Māra – das Böse, in der Regel personifiziert als der Böse, der Versucher. Das Wort ist etymologisch verwandt mit dem deutschen „mahr“ (wie in Nachtmahr = Albtraum) - und dem lateinischen mors (Tod).
Mettā-Sangha – Bezeichnung für die von Yuz und Amita gestiftete Spirituelle Gemeinschaft
Pataliputra – Die Stadt (das heutige Patna) an der Mündung des Son in den Ganges wurde zu Buddhas Zeit von König Ajatasattu (unter dem namen Pataligama) gegründet worden. Ajatasattus Sohn Udayin machte sie dann zur Hauptstadt des Königreiches Maghada. Sowohl der Buddha als auch Mahavira besuchten die Stadt mehrfach und im Jahr 253 v.u.Z. fand hier das dritte buddhistische Konzil statt.
prāna – steht (vor allem im Hinduismus)
für Lebenshauch, Lebenskraft, Lebensenergie; es kommt in
seiner Bedeutung dem nahe, was Hildegard von Bingen als
„Grünkraft“ bezeichnete).
Rājā
– Herrscher, mitunter als „König“ übersetzt. Die Rājās
von Shakya,
dem Kleinstaat aus dem der Buddha stammt,
wurden aber beispielsweise vom Adel gewählt. Ähnliches galt damals
in vielen dieser kleinen Staaten, es gab also teilweise
monarchische,
teilweise republikanische Verhältnisse – und auch Mischformen.
Sādhu – wörtlich „Heiliger“, Bezeichnung für spirituelle Sucher, die häufig obdachlos sind, Sadhus gab es schon zu Buddhas Zeiten in Indien, aber auch heute noch. Der Ausruf „Sadhu-sadhu-sadhu!“ wird in buddh. Kreisen als feierlich-freudiger Ausruf verwendet.
Sangha – spirituelle Gemeinschaft, meist für die Gemeinschaft der Schülerinnen und Schüler des Buddha. (Zur Sangha in engeren Sinn gehören nur Mönche und Nonnen, zur Sangha im engsten Sinn nur Erleuchtete.)
Śiva – (sanskrit: Glückverheißender) ist einer der Hauptgötter des Hinduismus. Als Bestandteil der „hinduistischen Trinität“ (Trimurti) mit den drei Aspekten des Göttlichen, also mit Brahma, der als Schöpfer gilt, und Viṣṇu, dem Bewahrer, verkörpert Śiva das Prinzip der Zerstörung. Außerhalb dieser Trinität verkörpert er Schöpfung und Neubeginn ebenso wie Erhaltung und Zerstörung.
Śūdras - (Sanskrit: शूद्र) = Arbeiterklasse incl. Handwerker, vierte (und niedigste) der Großkasten, darunter gab es sog. „Unberührbare“
Taracitta – Zusammengesetz aus Tara (Stern, Name einer Bodhisattva) und Citta (Herz, Geist), der Name bedeutet also, die ein Herz und einen Geist hat wie Tara.
Trimurti - siehe Trinität
Trinität – (lat. trinitas; deutsch ‚Dreiheit‘) ist in der christlichen Theologie die Wesenseinheit Gottes in drei Personen (Gottvater, Jesus und der hl. Geist). In der indischen Trinität (Trimurti genannt) sind es Brahma (Schöpfer), Vishnu (Bewahrer) und Śiva (Zerstörer).
Uposatha – heißt wörtlich Fastentag. Alle sieben Tage ist Fastentag: bei Neumond, bei Vollond und bei Halbmond (es galt der Mondkalender). Bei den Buddhisten sollen zwar die Laien auch enthaltsam leben und auf alle Unterhaltung (Musik, Gesang, Theater) verzichten. Die Mönche machen an diesem Tag das “Eingeständnis von Fehlern”, eine Art Beichte.
Viṣṇu
- (sanskr.;
sprich:
Wischnu)
ist eine der wichtigsten Formen des Göttlichen im Hinduismus
und kommt bereits in den Veden
vor. Er gilt als das bewahrende Prinzip.
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