Horst Gunkel: Die Jesus-Trilogie - Band 2: Jesus - die Jahre 30 - 96 - Kapitel 13 letztmals bearbeitet am 01.09.2025
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13
-Am blauen See ankommen
Bis zum Abend hatten sich Amita und Īsā in ihrem Zimmer eingerichtet, das nur eine relative Abgeschiedenheit erlaubte, da die Zimmer keine Türen hatten. Sie hatten die beiden Betten auf Īsās Wunsch an die beiden gegenüberliegenden Wände gestellt. Īsās Bett war vom Zimmer der alten Leute aus zu sehen, Amitas nicht. Außerdem befanden sich jetzt in diesem Zimmer noch ein Tisch, eine Bank und eine Kommode. Ajala hatte Amita noch weitere Kleidungsstücke ihrer Tochter gegeben, und auch für Īsā noch Kleidung von Jeevan, die er seit seiner Verwundung nicht mehr tragen konnte.
Wie üblich ging man zu Bett, sobald es dunkel wurde. Īsā zog sich mit dem Rücken sowohl zur Tür als auch zu Amita aus und schlüpfte schnell unter eine dünne Decke, das Gesicht der Wand zugewendet.
„Wozu brauchst du eine Decke, es ist doch warm genug?” fragte Amita.
„Ist mir lieber so”, war die knappe Antwort.
Amita zuckte mit den Schultern und zog sich auch aus. „Ich scheine weniger verfroren zu sein als du”, sagte sie.
Īsā kommentierte das nicht, aber er stellte sich dennoch die Szene vor, die sich hinter seinem Rücken abspielen musste. Bald hörte er ihr ruhiges Atmen, was gar nicht so leicht zu erkennen war, da die beiden Alten schnarchten. Īsā aber konnte nicht einschlafen. Ob das am Schnarchen lag, oder an der Gegenwart Amitas, war ihm nicht ganz klar.
Er war inzwischen schon fast zwei Stunden im Bett und konnte noch immer nicht schlafen. Außerdem war es unbequem immer auf der einen Seite zu liegen. Also drehte er sich um. Er öffnete etwas die Augen: Da lag die Frau, die er seit ihrer ersten Begegnung vor vielen Jahren liebte, das Mondlicht fiel auf ihren wunderschönen Körper – und er sagte sich: `Sie muss meine Frau werden, mein Körper verlangt genauso nach ihr wie mein Geist.´ Er blieb aber in seinem Bett und näherte sich ihr nicht. Ob es seine natürliche Zurückhaltung war oder die offene Tür, wusste er wohl selber nicht. Er fand erst gegen Morgen etwas Schlaf.
Anders Amita, sie hatte sich mit dem Gesicht zu Īsā und ohne Decke aufs Bett gelegt und sie hatte auch bemerkt, wie vorteilhaft der Mond ihren traumhaft schönen Körper in Szene setzte. In ihr war ebenso Verlangen wie in ihm, aber sie wusste, dass es von ihm ausgehen musste. Sie hatte die Augen ganz leicht geöffnet, völlig unmerklich, als sie hörte, wie er sich – nach langen zwei Stunden – endlich umdrehte, bemüht, dass seine dünne Decke ihn bedeckte. Sie spürte seine hungrigen Blicke auf ihrem nackten Körper und sie konnte auch an der Wölbung unter der dünnen Decke erkennen, wie sehr ihr Anblick ihn erfreute.
Amita schloss jetzt die Augen. Sie wusste, dass die Zeit für sie beide und ihre Liebe arbeitete. Sie war rundum zufrieden mit dem Lauf der Dinge und glückselig schlief sie ein.
Im Laufe der Nacht bekam sie am Rande mit, dass es Bewegung und leise Stimmen im anderen Zimmer gab und sie schloss aus den Geräuschen, dass der verkrüppelte Mann assistiert von seiner Frau seine Notdurft in ein Gefäß entrichtete.
Am nächsten Morgen weckte sie Īsā mit einem Kuss auf die Wange und den Worten: „Aufstehen, mein lieber, ein neuer Tag ist da.” Dann bereitete sie den Frühstücksbrei.
Als alle beim Frühstück saßen, fragte sie: „Ich habe in einer Entfernung von etwa einer viertel Stunde Häuser gesehen, ist das ein Dorf?”
„Nein, eigentlich nicht”, antwortete Ajala, „dort wohnt der Jagan1. Das ist der reichste Mann weit und breit. Er soll von einem Feldherrn des Kaiser Aśoka abstammen, der vor 300 Jahren lebte und das Kaschmirtal besiedeln ließ. Er besitzt ganz viel Land, dass seine Arbeiter bestellen.”
„Warum habt ihr euch denn nicht an ihn gewendet, wenn ihr so arm seid?” fragte Īsā.
„Früher war er einmal hierher gekommen und wollte unser Land übernehmen, wir sollten dann auch für ihn arbeiten. Er hat uns angeboten, im Alter für uns zu sorgen, wenn wir ihm das Land schenken. Aber mein Mann hat das abgelehnt, wir wollten es schließlich an unsere Kinder vererben.”
„Aber die sind jetzt doch alle weg, ihr habt niemanden mehr, dem ihr es vererben könnt!” wandte Īsā ein.
„Genau so war´s, deshalb bin ich ja zu ihm hin, als unsere Tochter verschwunden war. Da habe ich mit Sita gesprochen, seiner Frau. Sie hat mich gar nicht zu Jagan vorgelassen. Der hätte nichts zu sagen, er sei nur eingeheiratet, sie sei die eigentliche Herrin. Und sie hat mich nur ausgelacht, hat gesagt, sie brauche mein Land jetzt nicht. Ohne Unterstützung wären wir in ein bis zwei Jahren tot, dann könnten sie das Land sowieso übernehmen. Warum also sollten sie für uns sorgen. Ich sage euch: die Frau ist eine Hexe!”
Jetzt schaltete sich Jeevan ein: „Nein, so kann man das nicht sagen. Ganz früher war sie nicht so, aber seit vielleicht zehn Jahren ist sie von einem mächtigen Dämon besessen. Sie ist einfach nicht mehr sie selbst. Und bald darauf ist auch Jagan erkrankt. Er leidet unter dem Dämon, der in seine Frau gefahren ist. Er ist inzwischen blass und krank, er hüstelt und stottert, vermutlich, weil er Angst vor ihr hat. Man sagt: sie züchtigt ihn!”
„Dämonen sind eigentlich ein Fall für mich, ich habe schon viele von ihnen ausgetrieben!” empfahl sich Īsā.
Aber Amita wandte ein: „Lass mich erst einmal vorfühlen, du wolltest doch heute im Haus arbeiten, ich gehe hin und sondiere die Lage, gegenüber einer Frau sind die Leute gespächiger, ich versuche mich bei den Feldarbeitern und ihren Frauen zu informieren.”
„Ja, und ich wollte heute vormittag fischen gehen und heute nachmittag mit der Reparatur des Daches anfangen.”
„Du willst fischen, Īsā, warum um Himmels Willen denn das?” Amita war einigermaßen entsetzt.
„Ich habe es Alaya versprochen. Außerdem habe ich noch letztes Jahr mit meinen Jüngern Petrus und Simon sehr erfolgreich im See Genezareth gefischt.”
Amita räumte die Breischalen und die Löffel weg, sie antwortete nicht. Diesmal hatte er es Alaya versprochen, fischen zu gehen, aber das sollte eine einmalige Aktion bleiben, sagte er sich, denn er wusste natürlich, dass auch Fische fühlende Wesen sind.
Dann erkundigte sich Amita bei Alaya: „Sag mal, dieser Jagan und die Sita, sind das eigentlich Anhänger des Buddha oder gehören sie einer Kaste an?”
„Das weiß ich nicht genau. Aber wenn sie von einem Feldherrn abstammen, sind es Kṣatriyas. Allerdings ist Aśoka, nachdem er Kaiser wurde, zur Religion des Buddha konvertiert. Das ist aber die Linie der Ehefrau, von Jagan weiß ich das gar nicht so genau. Aber ich weiß: wenn buddhistische Mönche vorbeikamen, sind sie dort immer bewirtet worden.”
„Dann werde ich meine Robe anziehen, wenn ich dorthn gehe.”
Amita zog sich um, während Īsā zum Boot ging, um zu fischen. Dann nahm Amita ihre Bettelschale und ging auf die Häuser in der Ferne zu. Als sie ihnen näher kam, erkannte sie, dass es sich um ein großes, zweistöckiges Haus handelte, einige Stallungen und etwa 20 Katen, in denen die Arbeiterfamilien wohnten. Die Landarbeiter waren auf den Feldern; auf dem Gemüseacker arbeiteten Frauen, vor den Häusern waren kleine Kinder. Die größeren Kinder ab sieben oder acht Jahren, wurden auch zur Arbeit eingesetzt.
Ein Mann lief herum und gab den anderen Anweisungen, er musste wohl der Aufseher sein. Auf diesen ging Amita zu: „Guten Tag werter Herr, seid Ihr hier wohl der Herr des Anwesens?”
„Nein, Ehrwürdige – verzeiht meine Überraschung, aber Ihr seid doch eine Frau, gibt es denn auch Mönchsfrauen?”
„Nein, ich bin nicht die Frau eines Mönchs, ich bin eine Nonne, das ist eigentlich dasselbe wie ein Mönch, nur eben als Frau.”
„Ah, das wusste ich nicht. Ich heiße übrigens Anup und bin hier der Vorarbeiter, also ich passe auf, dass jeder ordentlich arbeitet und verteile die Arbeiten. Ich sehe, ihr habt eine Bettelschale bei euch, es ist aber noch zu früh, in der Mittagspause könnt ihr gern eine Mahlzeit bekommen.”
„Ich wollte eigentlich mit eurer Herrschaft sprechen, wenn das möglich ist.”
„Das ist etwas problematisch, mein Herr ist krank und mit der Herrin könnt ihr gar nicht sprechen, die ist ... also das geht gar nicht.”
„Dann meldet mich doch beim Herrn an.”
„Das werde ich machen.”
„Gut, ihr findet mich bei den Hütten, ich würde gern mit einigen Frauen reden.”
Anup wusste nicht, was er dazu sagen sollte, also verbeugte er sich einfach und ging.
Amita steuerte eine der Hütten an. „Guten Tag, darf ich eintreten.”
Nikara, nahm gerade einen schreienden Säugling hoch, als Amita eintrat. Naürlich musste sie als erstes wieder erklären, was eine Nonne ist.
Nikara nickte, obwohl sie ziemlich verwundert war, sie hatte schließlich noch nie von Nonnen gehört. Inzwischen hatte sie ihren Säugling angelegt, der Kleine trank mit sichtlichem Appetit.
„Kannst du mir etwas über eure Herrschaft sagen, Nikara? Ich habe da so merkwürdige Dinge gehört und soll nachher zu Jagan. Was du sagst, bleibt vertraulich unter uns, Nonnen sind bekanntlich verschwiegen.”
„Da hast du aber Glück, dass du nicht zu Sita musst, die ist von einem üblen Dämon befallen. Alle fliehen, wenn sie die Herrin nur von weitem sehen, sie hat sogar schon zur Peitsche gegriffen und auf Männer eingeschlagen.”
„Und er, wie ist er?”
„„Jagan war eigentlich ein ganz vernünftiger Mann. Man sagt, er stamme aus einer ganz alten Familie, aus der Zeit als es im Kaschmirtal noch keine Kasten gab. Früher war er sehr nett, aber er schien dann auch unter seiner Frau zu leiden, außerdem hat er eine merkwürdige Krankheit, irgend etwas mit der Lunge, er hustet auch oft. Und er stottert. Früher gar nicht, dann allmählich, schließlich wurde es immer schlimmer.”
„Wie ist er zu euch?”
„Also er ist eigentlich so, wie eine Herrschaft sein soll. Er ist verantwortungsvoll, hat nie einer von uns Frauen nachgestellt und uns auch nicht angefasst. Das Essen ist ausreichend und wir wurden auch nicht gezüchtigt. In den letzten Jahren hat Jagan sich immer mehr zurückgezogen. Jeden zweiten oder dritten Tag geht Anup zu ihm, berichtet und erhält vermutlich auch Anweisungen. Für uns ist eigentlich Anup der Ansprechpartner bei allem, mit der Herrschaft selbst haben wir nichts zu tun. Nur wenn Händler kommen, dann ist für die natürlich Jagan der Ansprechpartner – eigentlich wäre es Sita, aber sowohl die Händler als auch Jagan bemühen sich, dass Sita gar nicht mitbekommt, wenn Händler da sind.”
Inzwischen hatte Nikara ihr Baby wieder von der Brust genommen und hielt es an ihre Schulter, damit der Kleine `Bäuerchen´ machen konnte. Die beiden Frauen unterhielten sich nun über das Wetter, Amita hatte Nikara im Vertrauen gesagt, dass sie sich hier in der Nähe niederlassen wollte, dass sie den Nonnenstand aufgeben würde, um eine Familie zu gründen, aber das sei noch ganz vertraulich. Nikara war froh und stolz, dass diese Nonne sie wie eine Vertraute behandelte.
Kurz darauf trat Anup ein und berichtete, dass Jagan bereit war, Amita zu empfangen, allerdings im Gartenhäuschen, damit sie vor Sita sicher waren.
Als
Amita das Gartenhäuschen betrat,
sagte Jagan: „G...G.. Guten Tag, E...
Eh... Ehrwü... würdige. Wa... Wa.. Was v... ver... ver..
verschafft m... m... mir die Eh... Eh... die Ehre?”
„Ich freue mich ausgesprochen, dass Ihr mich empfangen habt, Ihr, der einflussreichste Mann im ganzen Tal, wie ich höre.”
„D... D... Das i... ist ho... ho... hoffnung... offnung... hoffnungsl... hoffnungslos ü... ü... übertrie... übertrieben, a... a... aber an di... di... diesem See hi.. hier i... ist es i... i... in der Ta... Ta... Tat so, da... da... dass w.. wir d.. d.. den grö... größten La... La... Landb... Landbesitz ha... ha... haben. M... M... Meine F... Fr... Frau stammt aus ei... ei... einer Fa... Familie, die sich hi... hier schon zu Zeiten A... A... Aśokas a... a... angesi... angesiedelt ha... hat. Ich bi... bin n... nur ei... ei... eingehei... heiratet.”
„Aber ich habe gehört, dass Ihr aus einer noch älteren Familie stammt, gewissermaßen von den allerersten Siedlern im Kaschmirtal.”
„D... D.. Das ist ri... ri... richtig, m... m... meine Fa... Fa... Familie ist vor m... m... mehr als fü... fü.. fünfhund... fümfhundert Ja... Jahren hi... hi... hiererherge... gezogen, ma... ma... manchmal wird s... s... sogar von mehr als ta... ta... tata... tausend Ja... Ja... Jahren g... ge... gesprochen, a... a... aber das ha... h... halte ich f... f... für übertri... trieben.”
„Da kann Eure Frau aber von Glück sagen, einen Mann aus einer so renommierten Familie bekommen zu haben.”
„An... Anfangs schi... schien d.. d.. das auch so, es war eine Ver... Ver... Verbi... Verbindung zwi... zwi... zwischen indi... indi... indischem A... Adel u... und meiner Fa... Fa... Familie, die der a... alten Re... Re.. Reli... Religion angehö... angehörte, an die sich die mei... meisten n... nicht me.. mehr e... e... erinnern kö... können. Heute sind fa... fast alle Me... Menschen hier A... A... Anhäng... Anhängerer des Brah... Brah... Brahmanismus, ei... einige auch des Bu... Bu... Buddhismus. Das, was man frü... früher `die wa... wahre Re... Re.. Reli... Religion´ nannte, ist fast in Ve... Ve... Verges... gessenheit ge... ge... geraten, ob... obwohl sie in mei.. meiner Fa... Fa... Familie noch lange ho... hochgehalten wurde, mei... meine Gro... Gro... Großeltern ha... haben sie noch ri... richtig pra... pra... praktiziert, ha... haben sams... samstags nicht ge... ge... gearbeitet, sondern ihrem Go... Go... Gott ge... geop...geopfert. Mei... Mein Va... Vater ka... ka... kannte noch den grö... grö.. größten Teil der Hei... Hei... Heiligen Schri... Schrift a... a... auswendig, ich viel we... weniger. A... A... Aber vi... vi... vielleicht war es auch scho... schon zu vi... viel.”
„Das verstehe ich nicht, Herr Jagan, wieso zu viel?”
„Sie ha... ha... ben ge... gehö.. hört, w... was mit mei... meiner Frau pa... passi... passiert ist?”
„Nichts Genaues, aber man sieht sie selten, habe ich gehört, auch dass sie manchmal wütend ist.”
„Das ist u... u... ntertrieben, sie ist be.. be... bebe... besessen! Und ich fü... fürchte, i... i... ich bin Schu... Schuld da... daran!”
„Wie kommen Ihr denn darauf?”
„Sie hat mi... mich, gla... gla... glaube ich, nur w... w... wegen dieser alten Re... Re... Religion gehei... heiratet, das erschien ihr so schön ex... ex... exotisch. Und d... d... dann wollte sie alles da... da... darüber wi... wissen. Vor a... allem sollte ich ihr alle diese a... a... alten Ge... Geschichten aus der Hei... Heii... Heiligen Schrift e... e... erzä... zählen, die manchmal s... s... sehr blut... blut... blutrünstig si... sind. Zunächst da... dachte ich mir ni... ni... nichts dabei, aber da... da.. daraus e... e... ntwick.... wickelte sich eine Be.. Be.. eine Besess.... Besessenheit, e... es ist schr... schr... schrecklich!”
„Meint Ihr, dass Eure Frau von einem Dämonen besessen ist?”
„Ich gla... glaube scho... schon, und die Leute sa... sagen es. Ich habe schon a.... alles ve... versucht, ich fü... fürchte es muss ein Dä... Dä... Dämon aus der a... alten Reli... ligion sein, de... denn wir hatten schon Brah... Brah... Brahmanen hier, die für e... er... erfolgreiche Dä... Dämonenaus... austreibungen be... bekannt s... sind, aber es hat ni... ni... nichts geholfen.”
„Und sie vermuten, es ist ein Dämon aus dieser alten Religion?”
„Ich bin mir fa... fast sicher!”
„Dann braucht man eindeutig einen Dämonenaustreiber, der ein Spezialist ist für diese alte Religion! Ihr sagtet, Eure Großeltern hätten samstags nicht gearbeitet. Haben sie diesen Tag womöglich Sabbath genannt!”
Jetzt war Jagan wie elektrisiert: „Woher wi... wisst Ihr das, ich habe noch kei... keinen Mensch... Menschen außer mei... meinen Gro... Großeltern je... je... jemals die... dieses Wo... Wort sagen gehört!”
„Ja, was glaubt Ihr denn, warum ich hier bin? Ich komme doch nicht von ungefähr. Habt Ihr denn jemals zuvor eine buddhistische Nonne gesehen?”
„N... Nein, noch n... nie. A.. Aber ich ha... habe schon da... davon ge... gehört!”
„Ich glaube, werter Herr Jagan, ich kann Euch helfen. Ich kenne einen Mann aus dem Land, aus dem Eure Vorfahren kommen...”
„Aus Ä... Ä... Ägypten?”
„Ihr kennt den Namen Ägypten3, das ist interessant. Auf jeden Fall könnte ich dafür sorgen, dass dieser Mann hierher kommt. Er hat in seiner alten Heimat bereits zahllose Dämonen ausgetrieben. Ich möchte sogar sagen, er ist vermutlich der weltweit erfolgreichste Dämonenaustreiber!”
„Ja, A... Amita, ma... macht das bi... bitte, ich bin be... be... bereit ihm und Eu... Euch je... jeden Prei... Preis zu za.. za..zahlen, wenn er e... er... erfolgreich ist.”
„Ich bin eine buddhistische Nonne, ich nehme sowieso kein Geld. Und dieser Dämonenaustreiber, er nannte sich im Land der alten Religion Jesus, hier ist er als Īsā bekannt, und als ich ihn kennenlernte war er auch buddhistischer Mönch – er hieß damals Devamitta – er hat mich überhaupt erst auf den Pfad des Buddha gebracht, der nimmt bestimmt auch kein Geld – jedenfalls nicht für sich. - Etwas ganz anderes: Kennt Ihr eigentlich die Familie die dort hinten4 wohnt?”
„Ja, ich gla... glaube der Ma... Mann heißt Jee... Jeevan, er hat eine Frau und me... me... mehrere Ki... Kinder, einer ist, gla... glaube ich weg... weg... weggezo.. gezogen.”
„Da seid Ihr nicht wirklich gut informiert. Es stimmt zwar, dass Kinder weggezogen sind, aber die einzige verbliebene Tochter ist letztes Jahr im See umgekommen, als sie fischen wollte. Das kann ihr Vater nämlich nicht mehr. Er hatte einen Unfall und ist verkrüppelt, seine Frau pflegt ihn, kann sich aber nicht gleichzeitig um die Landwirtschaft kümmern, sodass beide im nächsten Winter verhungern müssen.”
„Selbst... Selbst...verstä... verständlich w... werde ich dafür so... so... sorgen, dass sie a... alles haben, wa... was sie brau... brauchen, wenn der Dä... Dä.. Dämonenaus... austreiber E... Er... Erfolg hat.”
„Und im Falle des Misserfolgs werdet Ihr das auch tun, dafür erhalten Ihr nach dem Tod das Land der beiden. So wie Ihr es den beiden vor vielen Jahren vorgeschlagen haben.”
„Ich ge... gelobe es! A... A... Aber sagt, woher wisst Ihr das a... alles: von der a... alten Re... Re.. Religion, von Ä... Ä... Ägypten, von meinen Na... Nachbarn, ja sogar von diesem Dä.. Dä... Dämonen...aus... austreiber.”
„Ich bin in Kontakt mit dem, was größer ist als wir Menschen, mit dem Göttlichen, dem Transzendenten, mit dem, was keinen Namen hat.”
Jetzt sank Jagan, dieser mächtige Mann, den sie den `König´ nannten, vor ihr auf die Knie.
Amita sah es mit Wohlgefallen, zumindest Jagan hatte sie in ihren Bann gebracht, aber sie sagte: „Steh auf Jagan, es ist gleich Mittag. Buddhistische Nonnen dürfen nach der Mittagsstunde nichts essen.”5
„Aber na... natürlich,” sagte er, „wir können all... allerdings nicht ins Ha... Haus zum E... E... Essen gehen, da ist Sita, ge... gehen wir zusammen zu Anup, do... dort be... bekommen Sie etwas zu e... essen, E... E... Ehrwürdige. Wie la... lange wird es denn dau... dauern, bis die... dieser Ma... mann angereist ist?”
„Wann wäre es Ihnen denn recht?
„So... Sobald wie mö... öglich!”
„Gut, sagen wir morgen!”
„Sie sind wi... wi... wirklich mit mä... mä.. mächtigen Gö... Gö... Göttern im Bu... Bunde, E... Ehrwürdige.”
Amita sah ihn auf diese unvergleichliche Art an, die ausdrückte, dass seine Huldigung durchaus angemessen war. Dann gingen sie auf Anups Haus zu, doch plötzlich erscholl eine schrille Stimme: „Verdammt nochmal Jagan, du nichtsnutziger Kerl, wo steckst du denn jetzt wieder? Soll ich etwa heute allein speisen, du unheilvoller Kerl?”
„I... I... Ich m... m... muss d... d... dann mal...”
„Schon in Ordnung, bis morgen”, verabschiedete sich Amita.
Sie aß mit Anup, dessen Frau und zwei Kindern zusammen und man unterhielt sich noch etwas, dann machte sich Amita fröhlich auf den Heimweg.
Dort angekommen stellte sie fest, dass Jesus tatsächlich mit dem Netz ungefähr 20 Fische gefangen hatte, diese waren inzwischen getötet und Ajala und er nahmen die Fische aus.
„Was um Himmels Willen wollt ihr mit all den Fischen machen?”
„Nun wir fangen gleich damit an für jeden von uns einen zu braten, wir wollten auf deine Rückkehr warten...”
„Ich werde auf keinen Fall einen Fisch oder irgendein anderes fühlendes Wesen essen, kein Rind, kein Huhn, keinen Mensch, kein Schwein und auch keinen Regenwurm! Ich folge schießlich der Lehre des Buddha!” sagte sie mit einem mißbilligenden Blick auf Īsā. „Im Übrigen hast du morgen ein Termin bei Jagan, um den Dämon seiner Frau auszutreiben.”
Ajala schaute sie ängstlich an: „Und was passiert, wenn das nicht gelingt? Dann werden sie doch bei uns die Schuld suchen, das kann schlimm enden!”
„Īsā wird schon Erfolg haben. Hoffe ich – trotz der Fische! Jagan hat mir übrigens zugesagt, auch im Falle eines Misserfolgs auf dein Vertragsangebot, dass du ihm nicht unterbreiten konntest, sondern nur seiner Frau, einzugehen: Lebenslängliche Versorgung für euch beide und dafür geht das Land nach eurem Tode an Jagan.”
„Das hast du alles heute Vormittag erreicht Amita?” Ajala musste sich vor Überraschung setzen.
„Einer muss sich ja schließlich um eure Zukunft kümmern, während ihr unschuldige Fische tötet!” Allen war klar, dass sie ihre Ernährung wohl etwas modizieren mussten, wenn Amita jetzt hier offensichtlich das Kommando übernommen hatte.
Īsā versuchte Amita wieder zu versöhnen: „Also diese Fische hier, jedenfalls die 18 die jetzt nicht gegessen werden, werde ich hinterher trocknen, und die werden auch noch gegessen werden, jedenfalls von Ajala und Jeevan. Ich esse ab heute keine Tiere mehr – versprochen.”
„Das ist auch dein Glück, Īsā, sonst nehme ich deinen Heiratsantrag nicht an!”
Īsā war verdutzt. „Ich habe doch noch gar keinen gestellt.”
„Na, dann wird es aber Zeit!” sagte die Frau, die noch das Nonnengewand trug, stemmte die Arme in die Hüften und sah Īsā ebenso erwartungsvoll wie streng an.
Als er seine kurzzeitige Verwirrung überwunden hatte, kniete Īsā neben dem Bett von Jeevan nieder und bat diesen: „Lieber Jeevan, ich möchte dich um die Hand der Tochter des Hauses bitten.”
Jeevan war gerührt: „Wie gerne ich das tue, sie ist das Beste, was uns je widerfahren ist, und ich bin sicher, sie wird auch das Beste sein, was dir passieren kann.”
Doch Amita schaute noch immer streng: „Īsā, du hast noch etwas vergessen!” Und als er auf sie zuging, schüttelte sie leicht den Kopf und deutete mit einem vorsichtigen Fingerzeig in die Richtung von Ajala. Sofort besann sich Īsā, machte kehrt und kniete auch vor Ajala nieder, um um die Tochter des Hauses anzuhalten. Das tat er, obwohl er noch nie gehört hatte, dass man eine Frau um die Hand der Tochter des Hauses bitten müsse; es schien sich hier gerade einiges zu ändern, auch was die Rolle der Frau betraf. - Ajala fand ähnliche Worte der Rührung, wie zuvor ihr Mann, als sie zustimmte.
Dann aßen sie gemeinsam das Hochzeitsmahl: Fisch für die Brauteltern, Gemüseeintopf für das Brautpaar. Danach stand Amita als erste auf, sie verbeugte sich vor den „Eltern” und sagte mit einem süffisanten Schmunzeln: „Gestattet ihr, dass wir uns jetzt zurückziehen?” Selbstverständlich nickten die beiden.
„Īsā, komm mit nach draußen an das Ufer des Sees, dort darfst du mir dann die Nonnenrobe ausziehen.”
Es war ein sonniger Tag, ein warmer Abend und eine milde Nacht. Die beiden blieben bis zum Frühstück draußen. Und in den Zeiten, in denen sie sich körperlich erholten, sprachen sie durch, wie sie am nächsten Tag vorgehen wollten, denn von dem Verlauf der Dämonenaustreibung würde es abhängen, ob sie hier bleiben konnten, wo sie sich innerhalb von nur zwei Tagen wohlig eingerichtet hatten und an denen so viel geschehen war.
Sie hatten den Ablauf des nächsten Tages so weit es ging geplant. In einem Punkt hatte sich Īsā gegen Amitas anfänglichen Widerstand durchgesetzt, Amita war der Meinung, dass sie nach dieser Nacht auf keinen Fall jemals wieder die Nonnenrobe tragen durfte. Īsā hatte darauf bestanden, dies zumindest am folgenden Tag noch einmal zu tun, denn erstens gab es ihrem Auftreten ein würdigeres Aussehen und zweitens hatte sie sich dort gerade als Nonne mit internationalen Verbindungen eingeführt. Wenn sie einfach am nächsten Tag ihren Liebhaber anschleifte, ging der Zauber des Äußerlichen, der auch notwendig war, verloren.
„Aber Īsā”, hatte sie gesagt, „morgen bist du die Hauptperson, wenn einer in Robe erscheint, dann du!”
„Nein, nein, meine Liebe. Du hast dort als entschiedene Nonne mit besten internationalen Verbindungen einen tiefen Eindruck hinterlassen, den dürfen wir nicht erschüttern. Ich mache zwar vom Aussehen her nichts her, aber ich werde durch meine Worte und durch meine Handlungen überzeugen.”
„Du verwendest besondere Worte?”
„Du hast offensichtlich den Eindruck erweckt, dass du mich aus einem fernen Land herzauberst. Dabei setze ich an, ich werde zunächst in fremden Sprachen reden. Jagan und Sita werden am Klang mitbekommen, dass es sehr unterschiedliche Sprachen sind, die ich beherrsche, das Hebräische, das Griechische, das Aramäische, Latein und schließlich: Prakrit.”
„Aber es ist defintiv das letzte Mal, dass ich die Robe anziehe und auch das nur für einen guten Zweck: für die Dämonenaustreibung. Und hinterher verheimlichen wir auch niemals mehr, dass wir ein Paar sind.”
Das
war
für Īsā das Stichwort ihr das noch
ein weiteres Mal in dieser Nacht zu beweisen.
Fußnoten
1 Das Wort Jagan heißt „König“, man nannte ihn wohl so, weil sein Hof der größte Grundbesitz weit und breit war.
3 Natürlich kannte Amita diesen Namen nicht, sie kannte sich ja mit der Geschichte des jüdischen Volkes nicht aus, sie wusste nur ganz wenig, was ihr Devamitta vor zehn Jahren auf dem Weg nach Bodh Gaya über seine alte Heimat gesagt hatte, daher kannte sie auch den Ausdruck `Sabbath´.
4 Amita zeigte auf das Haus des Jeevan in der Ferne.
5 Hatte Amita
Jagan bisher
mit „Ihr“ und „Herr Jagan“ angeredet, so wechselte sie jetzt,
nachdem sie ihm gezeigt hatte, dass sie in Wirklichkeit die
Mächtigere, die Höherstehende war, zur vertraulicheren Anrede.
Erläuterungen
Aśoka – (304 – 232 v.u.Z.) - indischer Kaiser, der das große Land einte. Er trat, nachdem er sah, was seine blutigen Schlachten angerichtet hatten, zur Lehre Buddhas über, half bei der Verbreitung des Buddhismus, richtete soziale Institutionen (für Menschen und Tiere) ein, propagierte vegetarisches Leben, stellte Säulenedikte mit den Lehren Buddhas auf und entsandte buddhistische Lehrer u.a. nach Athen, Alexandria und Antioch (diese Stadt lag dort, wo Mittelmeer, Syrien und die Türkei heute aufeinanderstoßen), also dort, wo sich im 1. Jhd. u. Z. die erste christliche Gemeinde unter Petrus, Paulus und Barnabas gründete.
Bhārat Gaṇarājya – (Sprache: Hindi) indische Bezeichnung für Indien
Bodh-Gaya – Stelle, an der der Buddha sein Erwachen erreichte. Das Wort ist zusammengesetzt aus bodh- (Erwachen, Erleuchtung) und Gaya (Name der nahegelegenen Stadt)
Brahmā – einer der Hauptgötter des Hinduismus, er gilt dort als der Schöpfer. Der Buddhismus kennt keinen Schöpfergott.
Brahmanen – eine der Kasten im Hinduismus, nur Brahmanen dürfen religiöse Rituale vollziehen
Brahmanismus – indische Religion, in der (u.a.) einen Brahman (Gott) verehrt wird. Der B. heute als Hinduismus bezeichnet.
Dharma – hier gewöhnlich die Bezeichnung für die Lehren des Buddha. Das Wort bedeutet Wahrheit, (Natur-)Gesetz, Wissenschaft, Lehre.
Kaste – die indische Gesellschaft wird gemäß der hinduistischen Religion in streng voneinander abgetrennte Kasten eingeteilt, die wichtigsten Kasten sind die Brahmanen (Sanskrit: ब्राह्मण, Priester), kṣatriya (Sanskrit: क्षत्रिय, Adel, Krieger, Beamte) und die vaiśya (Sanskrit: वैश्य = Kaufleute, Händler, Großgrundbesitzer) und śūdras (Sanskrit शूद्र, = Arbeiterklasse incl. Handwerker), darunter stehen die Dalits (Kastenlose, Unberührbare). Auf diese Art schuf der Hinduismus eine Apartheidsgesellschaft mit einer arischen Mittel- und Oberschicht, und einer indigenen Bevölkerung, die man nicht einmal berühren durfte; so sollte eine Rassenvermischung verhindern werden.
Kṣatriya
(Sanskrit:
क्षत्रिय)
höchste indische Kaste, umfasst Adel,
Krieger,
Beamte
Sabbath - jiddisch Schabbes ist im Judentum der siebte
Wochentag, ein Ruhetag, an dem keine Arbeit verrichtet
werden soll. Seine Einhaltung ist eines der Zehn Gebote.
Er beginnt am Vorabend und dauert von Sonnenuntergang am
Freitag bis zum Eintritt der Dunkelheit am folgenden
Samstag, denn im jüdischen Kalender dauert der Tag vom
Vorabend bis zum Abend des Tages – nicht von
0 bis 24 Uhr. Dies ist abgeleitet aus dem
Schöpfungsbericht, dort heißt es „und es war Abend und
es war Morgen, ein Tag“.
Zoroaster – Anhänger des Zoroastrismus
Zoroastrismus bzw. Zarathustrismus (auch: Mazdaismus oder Parsismus ist eine Religion, die von Zarathustragestiftet wurde. Der Begriff wurde vermutlich erst im 19. Jahrhundert n. Chr. gebräuchlich. Die Religion Zarathustras, die auf sehr alten indoarischen Traditionen und Überlieferungen fußt, entstand zwischen 1800 und 600 v. Chr. Ihre Herkunft ist umstritten. Sie breitete sich etwa im 7. bis 4. Jahrhundert v. Chr. im iranischen Kulturraum (von Gemeinschaften im östlichen Kleinasien und in Mesopotamien über Persien bis zum zentralasiatischen Raum) aus. (nach: Wikipedia 21.1.2024)
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