Honigkuchen - MN 18
nacherzählt von Horst aus Gelnhausen
So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene im Land der Sakyer bei Kapilavatthu in Nigrodhas Park auf.
Nach seiner Almosenrunde betrat er den großen Wald und setzte sich am Fuße eines Bilva-Setzlings nieder, um den Tag zu verbringen.
Da kam Dandapani, der Sakyer, der zur körperlichen Ertüchtigung umherwanderte, auf den Buddha zu und fragte: „Na, du Mönch, welche Lehre verkündest du?“ Das entsprach absolut nicht der indischen Höflichkeitsetikette, sondern war ziemich provokativ, zumal Dandapani vermutlich wusste, wen er vor sich hatte. Immerhin war es in dem Landstrich, dessen Prinz der spätere Buddha einst war und es war unmittelbar bei der Stadt, in der der Buddha aufgewachsen war. Offensichtlich kannte auch der Buddha den Wanderer namentlich. Trotz dieses Affronts antwortete der Buddha ihm höflich.
„Freund, ich lehre, dass man mit niemandem in der Welt streitet; dank meiner Lehre muss ich nicht mehr an Sinnenvergnügen haften und bin frei von Verwirrung, von Kummer und von Begehren nach jeglicher Art von Dasein.“
Dandapani machte einige abwertende Gesten und ging dann auf seinen Wanderstab gestützt weiter.
Nachdem er seine Meditation beendet hatte, ging der Buddha zu Nigrodhas Park, wo die anderen Mönche lagerten, und erzählte ihnen, was vorgefallen war. Da fragte einer der noch nicht sehr erfahrenen Mönche:
„Aber was ist das für eine Lehre, nach der man mit niemandem in der Welt streitet; dank derer man nicht mehr an Sinnenvergnügen haftet und frei ist von Verwirrung, von Kummer und von Begehren nach jeglicher Art von Dasein.“
Der Erhabene antwortete: „Wenn man jede Form von Begierde, von Unwissenheit und von Abneigung überwunden hat, dann gibt es kein begriffliches Ausufern mehr und all die Konzepte, die daraus entstehen. Dann ist Befreiung erlangt.“
Da der Mönch nicht mehr nachfragte und um keine Erläuterung mehr bat, begab sich der Buddha in seine Unterkunft.
Nun sahen sich die unerfahrenen Mönch gegenseitig an und fragten einander, ob sie das begriffen hätten. Es stellte sich heraus, dass keiner von ihnen etwas damit anfangen konnte, also beschlossen sie einen der Ordensälteren, den ehrwürdigen Maha Kaccana, der auch in Nigrodhas Park weilte, zu befragen.
Maha Kaccana zeigte sich verwundert: „Das war ungeschickt von euch, ihr hättet den Buddha fragen sollen, keiner hätte es euch besser erklären können, ihr wisst doch: wer nicht fragt bleibt dumm!“
„Gewiss, Freund Kaccana, das war ungeschickt von uns, aber jetzt sind wir ja bei dir und fragen, weil wir nicht dumm bleiben wollen!“
Kaccana bestätigte, dass das sicher das Beste war, was sie jetzt tun könnten, und er erläuterte ihnen:
Wenn da sichtbare Formen sind und ein Auge ist da, so entsteht Sehbewusstsein; das Zusammentreffen dieser drei nennt man Kontakt (phassa). Bei Kontakt tritt unmittelbar eine Empfindung (vedana) auf. In Abhängigkeit von Kontakt und Empfindung entsteht Wahrnehmung (saññā). Was man wahrnimmt, darüber denkt man nach. Unweises Nachdenken nennt man geistiges Ausufern (papañca) und eben daraus konstruieren wir Konzepte. Geprägt von diesen Konzepten begegnen wir dann entsprechenden Formen, die wir in der Vergangenheit, der Zukunft oder der Gegenwart erblicken. Wir haben ein Vorurteil ausgebildet, das unsere Wahrnehmung trübt und unser Verhalten determiniert. Das, was ich eben fürs Sehen erlätert habe, gilt natürlich genau so für die anderen Sinneswahrnehmungen Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und geistige Eindrücke.
Alle diese Konzepte entstehen jedoch aufgrund unseres Habenwollens, unserer Abneigung und somit aufgrund von bestimmten geistigen Projektionen. Wenn jedoch nichts gefunden wird, woran man sich ergötzen könnte, was man willkommen heißen könnte und woran man sich festhalten könnte, dann ist dies das Ende der Neigung zu Begierde, der Neigung zur Abneigung, der Neigung zum Zweifel, der Neigung zum Dünkel, der Neigung zu Begierde nach Werden, der Neigung zu Unwissenheit; dies ist das Ende des Gebrauchs von Knüppel und Waffe, von Streit, Zank, Streitgesprächen, Anschuldigungen, Gehässigkeit und falscher Rede; hier hören diese üblen unheilsamen Zustände ohne Überbleibsel auf. So, Freunde, wenn ihr wollt, könnt ihr beim Erhabenen nochmals nachfragen, ob das so stimmt.
Die Mönche waren erfreut über diese Belehrung, fragten aber sicherheitshalber beim Buddha nochmals nach.
Dieser sagte: „Maha Kaccana ist weise, genau das hat es bedeutet und so solltet ihr es euch merken."
Jetzt sagte Ananda zum Erhabenen: „Eine sehr schöne Lehrrede, die geht mir runter wie Honigkuchen. Ich werde sie mir merken und weitergeben, wie sollten ich diese Lehrrede dann nennen?“
Da lachte der Buddha: „Aber Ananda, du hast die Antwort doch eben selbst gegeben: Nenne sie Honigkuchen-Lehrrede!“
Mir gefällt neben dem Inhalt und der Art, wie eine alltägliches Erlebnis aufbereitet wird, vor allem die implizite Darlegung von spirituellen Stufen:
Der Buddha, der dies alles verwirklicht hat.
Der Ordensältere, der dies vermutlich nicht verwirklicht hat, aber es verstanden hat und selbst darlegen kann.
Ananda, der es verstanden hat, aber so nicht hätte formulieren können, aber das Gehörte gern weitergibt.
Die Mönche, die zwar noch ziemlich am Anfang stehen, aber gerade aus dem Stadium des Nichtfragens in das des Fragens eingestiegen sind.
Dandapani, der dumm und frech ist und es auch bleiben will.