Der Wachstumskritiker - MN 75
nacherzählt von Horst aus Gelnhausen
letzte Änderungen im Dezember 2018

Als diese Geschichte geschah, war der Erhabene im Lande Kuru bei einer Stadt der Kurus namens Kammāsadhamma auf einer Grasstreu in der Feuerkammer eines Brahmanen, der zum Bhāradvāja-Klan gehörte.

An diesem Tage ging der Wanderasket Māgandiya, während er zum Zwecke körperlicher Ertüchtigung wanderte, zur Feuerkammer des Brahmanen. Dort sah er eine Grasstreu vorbereitet, und fragte den Brahmanen: "Für wen ist diese Grasstreu in Meister Bhāradvājas Feuerkammer vorbereitet worden? Es scheint das Bett eines Mönchs zu sein."


Der antwortete: "Meister Māgandiya, da gibt es den Mönch Gotama, den Sohn der Sakyer, der ein vollständig Erleuchteter, ein Erwachter, ein Erhabener ist. Dieses Bett ist für jenen Meister Gotama vorbereitet worden."

Da sprach der Wanderasket: "In der Tat, Meister Bhāradvāja, es ist ein schlimmer Anblick für uns, wenn wir das Bett jenes Zerstörers von Wachstum, Meister Gotama, sehen." (Anmerkung des Erzählers: Dieses Zitat ist wörtlich übernommen. Es scheint so, dass es schon damals eine Wachstumsdiskussion gab, dergestalt, dass manche das "Immer-mehr-Habenwollen" kritisierten und der Genügsamkeit das Wort redeten, wie der Buddha, während der Mainstream der Sinnengier verfallen war.)

Der Wanderasket hatte gesagt: "In der Tat, Meister Bhāradvāja, es ist ein schlimmer Anblick für uns, wenn wir das Bett jenes Zerstörers von Wachstum, Meister Gotama, sehen."

Der Brahmane
Bhāradvāja entrüstete sich darüber: "Gib acht, was du sagst, Māgandiya! Viele gebildete Adelige, gebildete Brahmanen, gebildete Haushälter und gebildete Mönche haben volles Vertrauen zu Meister Gotama, und sind von ihm im edlen wahren Weg, im Dhamma, das heilsam ist, geschult worden."

Es heißt der Erhabene habe dies mit seinem Himmlischen Ohr gehört und, als er zu seiner Lagerstatt kam, fragte er seinen Gönner: "Bhāradvāja, hattest du irgendeine Unterhaltung mit dem Wanderasketen Māgandiya über diese Grasstreu?"

Dem Brahmanen standen vor Schreck darüber, dass der Buddha davon wusste, die Haare zu Berge, doch bevor er sich rechtfertigen konnte, tauchte auch der
Wanderasket Māgandiya auf.  Der Erhabene sagte zu ihm:

"Māgandiya, das Auge ist in Formen verliebt, liebt Formen, erfreut sich an Formen; jenes Auge ist vom Tathāgata gezähmt und kontrolliert worden, und er lehrt das Dhamma für dessen Kontrolle. Geschah es in Bezug darauf, dass du sagtest: 'Der Mönch Gotama ist ein Zerstörer des Wachstums'?"

Wahrheitsgemäß bejahte der Wanderasket die Frage des Buddha. Wie üblich wurden nach dem Auge und den Formen, die dieses sieht, auch die anderen Sinnesorgane durchdekliniert. Danach ging die Geschichte weiter, indem der Buddha Fragen an den Wanderasketen richtete:

"Was meinst du, Māgandiya? Da hat sich vielleicht jemand früher mit Formen, die mit dem Auge erfahrbar sind, die erwünscht, begehrt, angenehm und liebenswert sind, die Begierde hervorrufen, vergnügt. Bei einer späteren Gelegenheit, nachdem er den Ursprung, das Verschwinden, die Befriedigung, die Gefahr und das Entkommen von dieser Gefahr in Bezug auf die Formen der Wirklichkeit entsprechend kennt, könnte er das Begehren nach Formen überwunden haben und ohne Durst, mit befriedetem Geist verweilen. Was würdest du zu ihm sagen, Māgandiya?" - "Öh, nichts, Meister Gotama, da würde ich gar nichts zu sagen."

Und auch dieses wurde durch die anderen Sinnesorgane durchdekliniert. Danach spricht der Buddha über seine persönliche Erfahrung: "Māgandiya, früher, als ich ein Leben zu Hause führte, vergnügte ich mich mit allen Sinnenbegierden. Ich hatte drei Paläste, einen für die Regenzeit, einen für den Winter und einen für den Sommer. Ich hielt mich die vier Monate der Regenzeit über im Regenzeit-Palast auf,  und vergnügte mich mit Musikern, die alle Frauen waren."

"Bei einer späteren Gelegenheit, überwand ich das Begehren nach Sinnesvergnügen, und ich verweile ohne Durst, mit einem Geist, der inneren Frieden hat. Ich sehe andere Wesen, die nicht frei von Sinnesbegierde sind, die vom Begehren nach Sinnesvergnügen verzehrt werden, die vor Fieber nach Sinnesvergnügen brennen, die in Sinnesvergnügen schwelgen, und ich beneide sie nicht, auch ergötze ich mich nicht daran. Warum ist das so? Māgandiya, weil es eine Freude gibt, abseits von Sinnesvergnügen, abseits von unheilsamen Geisteszuständen, welche himmlische Glückseligkeit übertrifft. Da ich mich an jenem erfreue, beneide ich nicht, was geringer ist, auch ergötze ich mich nicht daran."

"Angenommen, Māgandiya, es gäbe einen Leprakranken mit Wunden und Blasen an den Gliedern, der, von Würmern zerfressen, mit den Fingernägeln den Schorf von seinen wunden Stellen kratzte und seinen Körper zur Erleichterung über einer Grube mit brennender Holzkohle einbrannte. Dann würden seine Freunde einen Arzt herbeischaffen, um ihn zu behandeln. Der Arzt würde Medizin für ihn zubereiten, und der Mann von der Lepra geheilt, er würde gesund und glücklich sein, unabhängig, sein eigener Herr, in der Lage zu gehen, wohin es ihm beliebt. Dann würden ihn zwei starke Männer an den Armen packen und in Richtung einer Grube mit brennender Holzkohle schleppen. Was meinst du, Māgandiya? Würde dieser Mann seinen Körper drehen und winden?"

"Ja, Meister Gotama, denn die Berührung jenes Feuers ist in der Tat schmerzhaft."

"Was meinst du, Māgandiya? Ist die Berührung jenes Feuers nur jetzt schmerzhaft, heiß und sengend oder war die Berührung jenes Feuers auch früher schon schmerzhaft, heiß und sengend?"

"Meister Gotama, die Berührung jenes Feuers ist jetzt schmerzhaft und sie war auch früher schon schmerzhaft. Als jener Mann ein Leprakranker war, mit Wunden und Blasen an den Gliedern, waren seine Sinne beeinträchtigt; daher, obwohl die Berührung des Feuers in Wirklichkeit schmerzhaft war, nahm er sie fälschlicherweise als angenehm wahr."

"Ebenso, Māgandiya, war die Berührung von Sinnesvergnügen in der Vergangenheit schmerzhaft und heiß; in der Zukunft wird die Berührung von Sinnesvergnügen schmerzhaft und heiß sein; und jetzt in der Gegenwart ist die Berührung von Sinnesvergnügen schmerzhaft und heiß. Aber die Wesen, die vom Begehren nach Sinnesvergnügen verzehrt werden, die vor Fieber nach Sinnesvergnügen brennen, haben Sinne, die beeinträchtigt sind; daher, obwohl die Berührung der Sinnesvergnügen in Wirklichkeit schmerzhaft ist, nehmen sie sie fälschlicherweise als angenehm wahr."

An dieser Stelle äußerte der Erhabene einen Vers:
"Das größte Gut ist die Gesundheit,
Nirwāna ist das größte Glück,
Der beste Pfad ist der Achtfache,
Der sicher zum Todlosen führt."

Nach diesen Worten sagte der Wanderasket Māgandiya zum Erhabenen: "Es ist wunderbar, Meister Gotama, es ist erstaunlich, wie gut jenes von Meister Gotama ausgedrückt worden ist:

'Das größte Gut ist die Gesundheit,
Nirwāna ist das größte Glück.'

Auch wir haben dieses Gedicht schon von früheren Wanderasketen in der Tradition unserer Lehrer gehört, und wir stimmen dem zu, Meister Gotama." Dabei hatte er jedoch den zweiten Teil weggelassen und damit verkannt, dass nur der Edle Achtfache Pfad zum Nirwāna führt. Und daher musste der Buddha ihn erneut aufklären:

"Māgandiya, angenommen, es gäbe einen blind geborenen Mann, der würde einen Mann mit gutem Augenlicht sagen hören: 'Meine Herren, gut ist in der Tat ein weißes Tuch, hübsch, fleckenlos und sauber!' und der Blinde würde sich auf die Suche nach einem weißen Tuch machen. Dann würde ihn ein Mann mit einem schmutzigen, besudelten Kleidungsstück so betrügen, indem er sagte: 'Guter Mann, hier ist ein weißes Tuch für dich, hübsch, fleckenlos und sauber.' Und der Blinde würde es annehmen und anziehen, und würde solche Worte der Zufriedenheit äußern: 'Meine Herren, gut ist in der Tat ein weißes Tuch, hübsch, fleckenlos und sauber, so wie das meine!' Was meinst du, Māgandiya? Als jener blind geborene Mann jenes schmutzige, besudelte Kleidungsstück anzog, und, weil er damit zufrieden war, und äußerte: 'Meine Herren, gut ist in der Tat ein weißes Tuch, hübsch, fleckenlos und sauber, so wie das meine!' - handelte er so, weil er wusste und sah, oder aus Vertrauen in den Mann mit dem guten Augenlicht?"

"Ehrwürdiger Herr, er würde so gehandelt haben, ohne zu wissen und zu sehen, aus Vertrauen in den Mann mit dem guten Augenlicht."

21. "Ebenso, Māgandiya, sind die Wanderasketen anderer Sekten blind und ohne Schauung. Sie kennen Gesundheit nicht, sie sehen Nirwāna nicht, und doch äußern sie dieses Gedicht so:

'Das größte Gut ist die Gesundheit,
Nirwāna ist das größte Glück.'

Dieses Gedicht wurde von den früheren vollständig Erleuchteten jedoch so geäußert, achte bitte auf den entscheidenden Unterschied:

'Das größte Gut ist die Gesundheit,
Nirwāna ist das größte Glück,
Der beste Pfad ist der Achtfache,
Der sicher zum Todlosen führt.'

Jetzt ist die erste Hälfte allmählich unter Weltlingen geläufig geworden. Und obwohl dieser Körper, Māgandiya, Quell des Leidens ist, sagst du in Bezug auf diesen Körper: 'Dies ist jene Gesundheit, Meister Gotama, dies ist jenes Nirwāna.' Du besitzt nicht jene edle Schauung, Māgandiya, mit deren Hilfe du Gesundheit kennen und Nibbāna sehen könntest."

Der Buddha hielt dann noch einen Vortrag übr die Grundzüge des Dharma. Da bemerkte der Wanderasket, dass er bislang in der Tat nur nach Hörensagen gegangen war, der Buddha jedoch die Dinge richtig sah und lehrte, und so äußerte er:

"Ich habe folgendes Vertrauen in Meister Gotama. Meister Gotama ist fähig, mich das Dhamma auf eine Weise zu lehren, dass es mir möglich wird, Gesundheit zu kennen und Nirwāna zu sehen."

"Dann, Māgandiya, verkehre mit aufrechten Menschen. Wenn du mit aufrechten Menschen verkehrst, wirst du das wahre Dhamma hören. Wenn du das wahre Dhamma hörst, wirst du dem wahren Dhamma gemäß üben. Wenn du dem wahren Dhamma gemäß übst, wirst du für dich selbst wissen und sehen: 'Dieses sind Krankheiten; aber diese Krankheiten hören ohne Überbleibsel auf. Mit dem Aufhören meines Anhaftens ist das Aufhören von Werden; mit dem Aufhören von Werden ist das Aufhören von Geburt; mit dem Aufhören von Geburt hört Altern, Tod, Sorge, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung auf. So ist das Aufhören dieser ganzen Masse von Dukkha.'"

26. Nach diesen Worten sagte der Wanderasket Māgandiya: "Großartig, Meister Gotama! Großartig, Meister Gotama! Das Dhamma ist von Meister Gotama auf vielfältige Weise klar gemacht worden, so als ob er Umgestürztes aufgerichtet, Verborgenes enthüllt, einem Verirrten den Weg gezeigt oder in der Dunkelheit eine Lampe gehalten hätte, damit die Sehenden die Dinge erkennen können. Ich nehme Zuflucht zu Meister Gotama, zum Dhamma und zur Sangha der Bhikkhus. Ich würde gerne unter dem Erhabenen in die Hauslosigkeit ziehen, ich würde gerne die Ordination erhalten."

Und so wurde der Wanderasket Māgandiya nach der üblichen Probezeit ordiniert. Er praktizierte ernsthaft und wurde so zu einem weiteren Heiligen, einem Arahant, er erreichte endgültiges Nirwāna.

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