Der gezähmte Elefant - MN 125
nacherzählt von Horst aus Gelnhausen
letzte Änderungen im November 2018

Zu jenem Zeitpunkt hielt sich der Erhabene wieder einmal im Bambushain bei Rajagaha auf, dort wo die Eichhörnchen gefüttert werden. Zu dieser Zeit saß ganz in der Nähe der Novize Aciravata in seiner Waldhütte, wo ihn der Prinz Jayasena aufsuchte. Der Prinz sprach den Novizen an. "Meister Aggivesana, es wäre gut, wenn Ihr mich den Dharma lehren würdet."

Der Novize, sah sich als nicht kompetent hierzu an und wehrte ab:
"Ich kann dich den Dhamma nicht lehren, Prinz, so wie ich es gehört und auswendig gelernt habe. Denn wenn ich dich den Dhamma lehren würde, so wie ich es gehört und auswendig gelernt habe, würdest du die Bedeutung meiner Worte nicht verstehen, und das wäre ermüdend und beschwerlich für mich."

Doch der Prinz bat erneut darum, und so lehrte der Novize Aciravata Prinz Jayasena den Dhamma, so wie er es gehört und auswendig gelernt hatte. Nachdem er gesprochen hatte, sagte Prinz Jayasena zu ihm: "Es ist unmöglich, Meister Aggivessana, es kann nicht geschehen, dass ein Bhikkhu, der umsichtig, eifrig und entschlossen weilt, Einspitzigkeit des Geistes erlangen kann." Dann erhob sich Prinz Jayasena von seinem Sitz und nahm Abschied.

Etwas unzufrieden mit dem Verlauf dieses Gespräches suchte der Novize den Buddha auf und erzählte ihm, was vorgefallen war. Doch der Erhabene erklärte ihm, woran es lag, dass der Prinz sich so sperrte, er sagte:

"Aggivessana, wie ist es möglich, dass Prinz Jayasena, der inmitten von Sinnesvergnügen lebt, der Sinnesvergnügen genießt, der von Gedanken an Sinnesvergnügen zerfressen wird, der vom Fieber der Sinnesvergnügen verbrannt wird, der auf die Suche nach Sinnesvergnügen erpicht ist, jenes wissen, sehen, verwirklichen oder ausüben könnte, was durch Entsagung gewusst, durch Entsagung gesehen, durch Entsagung erlangt, durch Entsagung verwirklicht werden muss? Das ist unmöglich."


Angenommen, Aggivessana, es gäbe einen hohen Berg und zwei Freunde, Heiner und Bernd, die würden sich dem Berg nähern. Nachdem sie ihn erreicht hatten, würde Heiner unten am Fuß des Berges zurückbleiben, während Bernd zum Gipfel klettern würde. Dann würde Heiner, der am Fuß des Berges zurückblieb, zu Bernd sagen: 'Nun, mein Freund, was siehst du?' Und Bernd würde erwidern: 'Ich sehe liebliche Grünanlagen, liebliche Wiesen und liebliche Teiche.' Darauf ruft Heiner: 'Es ist unmöglich, Freund, es kann nicht geschehen, dass du liebliche Grünanlagen, liebliche Wiesen und liebliche Teiche siehst.'

Jetzt würde
Bernd zum Fuß des Berges heruntersteigen, seinen Freund am Arm nehmen und ihn veranlassen, zum Gipfel des Berges zu klettern. Nachdem er ihm einige Augenblicke gewährt hatte, um Atem zu schöpfen, würde er fragen: 'Nun, Heiner, was siehst du, während du auf dem Gipfel des Berges stehst?' Und der würde erwidern: 'Ich sehe jetzt auch liebliche Grünanlagen, liebliche Wiesen und liebliche Teiche.' Auf den Widerspruch zwischen seiner früheren Aussage und der jetzigen aufmerksam gemacht, erklärt Heiner: 'Weil ich von diesem hohen Berg in der Sicht behindert war, sah ich nicht, was es zu sehen gab.'

"Genauso ist Prinz Jayasena behindert, gehemmt, blockiert und umzingelt, von einer noch größeren Masse als dieser - von der Masse der Unwissenheit."

"Und wie," fragte der Novize, "muss man es dann erklären, damit es einem anderen, Unwissenden, verständlich ist?"

Der Buddha lächelte und sprach: "So wie ich es auch gewöhnlich mache: mit Gleichnissen. Ich gebe dir jetzt ein Beispiel. Angenommen ein König sagt zu seinem Elefantenmeister: 'Besteige den Elefanten des Königs, gehe in den Wald, und fange einen Waldelefanten.' Der Elefantenmeister
besteigt den Elefanten des Königs, geht in den Wald, und wenn er einen Waldelefanten sieht, bindet er ihn am Hals des Elefanten des Königs, also an einem seiner Artgenossen an. Der Elefant des Königs führt ihn auf das freie Feld. Auf diese Weise gelangt ein Waldelefant heraus auf das freie Feld; normalerweise giert der Waldelefant nach dem Wald und wäre nicht einfach herausgekommen.

Dann pflanzt der Elefantenbändiger einen großen Pfosten in die Erde und bindet den Waldelefanten daran fest, um seine Erinnerungen und Absichten des Waldlebens zu bezähmen, um seinen Kummer, seine Erschöpfung und sein Fieber über das Verlassen des Waldes zu dämpfen, um ihm Gewohnheiten einzuschärfen, die zu den Menschen passen."

"Dann richtet sich der Elefantenbändiger an den Elefanten, mit Worten, die sanft, gefällig und liebenswert sind, die zu Herzen gehen, höflich sind. Wenn der Waldelefant mit solchen Worten angesprochen wird, hört er zu, passt er genau auf und strengt seinen Geist an, um zu verstehen. Als nächstes belohnt ihn der Elefantenbändiger mit Grasfutter und Wasser. Wenn der Waldelefant das Grasfutter und Wasser von ihm annimmt, weiß der Elefantenbändiger: 'Jetzt wird der Elefant des Königs am Leben bleiben.'

"Dann dressiert ihn der Elefantenbändiger so weiter: 'Heb auf, leg hin!'  'Geh vorwärts, geh zurück!' 'Stehe auf, setze dich hin!' Wenn der Elefant des Königs den Befehlen seines Bändigers, aufzustehen und sich hinzusetzen, gehorcht und seine Anweisungen befolgt, dann dressiert ihn der Elefantenbändiger in der Aufgabe weiter, die man Unerschütterlichkeit nennt. Er bindet ein riesiges Brett an seinen Rüssel; ein Mann mit einer Lanze in der Hand sitzt auf seinem Nacken; Männer mit Lanzen in der Hand umringen ihn von allen Seiten; und der Elefantenbändiger selbst steht vor ihm und hält einen langen Lanzenschaft. Während der Elefant in der Aufgabe der Unerschütterlichkeit dressiert wird, bewegt er sich nicht. Der Elefant des Königs ist in der Lage, Speerstiche zu ertragen, Hiebe von anderen Lebewesen, und den donnernden Klang von Trommeln, Pauken und Trompeten. Nachdem er so geübt ist, ist er des Königs würdig, würdig in den Diensten eines Königs zu stehen."

Genauso, Aggivessana, erscheint da ein Tathāgata in der Welt, ein Erwachter. Er lehrt den Dhamma, der gut am Anfang, gut in der Mitte und gut am Ende ist, mit der richtigen Bedeutung und der richtigen Ausdrucksweise, er enthüllt ein heiliges Leben, das äußerst vollkommen und rein ist."

Ein Haushälter hört den Dhamma, zieht die gelbe Robe an und zieht vom Leben zu Hause fort in die Hauslosigkeit. Auf diese Weise gelangt ein edler Schüler heraus auf das freie Feld; denn Götter und Menschen gieren noralerweise nach den fünf Strängen sinnlichen Vergnügens."

Dann schult ihn der Tathāgata weiter: 'Komm, Bhikkhu, sei sittsam, sei vollkommen im Verhalten, und indem du den Schrecken im kleinsten Fehler siehst, übe dich, indem du die Übungsregeln auf dich nimmst.'

Wenn der edle Schüler sittsam ist, vollkommen im Verhalten, dann schult ihn der Tathāgata weiter: 'Komm, Bhikkhu, beschütze deine Sinnestore. Wenn du mit dem Auge eine Form siehst, klammere dich nicht an ihre Eizelheiten und ihr gesamtes Erscheinungsbild. Da üble, unheilsame Geisteszustände der Gier und der Trauer in dich eindringen könnten, wenn du den Sehsinn unkontrolliert lässt, übe dich in dessen Kontrolle, beschütze den Sehsinn, beschäftige dich mit der Kontrolle des Sehsinns. Ebenso verfahre mit den anderen Sinnen.

Aggivessana, wenn der edle Schüler seine Sinnestore beschützt, dann schult ihn der Tathāgata weiter: 'Komm, Bhikkhu, mäßige dich im Essen. Mit weiser Betrachtung solltest du Nahrung zu dir nehmen, weder zum Spaß, noch zur Berauschung, noch zur Verschönerung, sondern nur, um diesen Körper am Leben zu erhalten.

Wenn der edle Schüler im Essen gemäßigt ist, dann schult ihn der Tathāgata weiter: 'Komm, Bhikkhu, widme dich der Wachsamkeit. Am Tage läutere deinen Geist beim Auf- und Abgehen und Sitzen von hinderlichen Geisteszuständen. Während der ersten und dritten Nachtwache läutere deinen Geist beim Auf- und Abgehen und Sitzen von hinderlichen Geisteszuständen. In der mittleren Nachtwache solltest du dich auf der rechten Seite niederlegen, achtsam und wissensklar, nachdem du dir die Zeit zum Aufstehen eingeprägt hast.

Aggivessana, wenn sich der edle Schüler der Wachsamkeit widmet, dann schult ihn der Tathāgata weiter: 'Komm, Bhikkhu, sei von Achtsamkeit und Wissensklarheit erfüllt. Handle wissensklar beim Hingehen und Zurückgehen; handle wissensklar beim Hinschauen und Wegschauen; handle wissensklar beim Beugen und Strecken der Glieder; handle wissensklar beim Essen, Trinken, Kauen und Schmecken; handle wissensklar beim Entleeren von Kot und Urin; handle wissensklar beim Gehen, Stehen, Sitzen, Einschlafen, Aufwachen, beim Reden und Schweigen.'

Wenn der edle Schüler Achtsamkeit und Wissensklarheit besitzt, dann schult ihn der Tathāgata weiter: 'Komm, Bhikkhu, ziehe dich an eine abgeschiedene Lagerstätte zurück, jetzt beginnen wir mit der gezielten Meditationspraxis.' Und dann eben beginnt die Übung, die fünf Meditationshindernisse zu überwinden. Wenn er dies gemeistert hat, dann geht es darum, die meditativen Vertiefungen zu erreichen, schließlich gehen wir zu Einsichtspraktiken über. Diese führen letztendlich zum völligen Erwachen, zum Nirwana, zur Heiligkeit.

Aggivessana, wenn der Elefant des Königs gut gezähmt und wohl diszipliniert stirbt, dann wird er als alter Elefant, der einen gezähmten Tod gestorben ist, betrachtet. Genauso, Aggivessana, wenn ein Bhikkhu mit vernichteten Trieben stirbt, dann ist er als Heiliger gestorben ist."

Das ist es, was der Erhabene sagte. Der Novize Aciravata war zufrieden und entzückt über die Worte des Erhabenen.


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