Die Vernichtung des Begehrens - MN 38
nacherzählt von Horst aus Gelnhausen
letzte Änderungen im November 2018

So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene im Jeta-Hain des Anathapindika bei Savatti auf. Zu dieser Zeit vertrat der Bhikkhu Sati die Ansicht: "Ich habe den Dharma so verstanden, dass es ein und dasselbe Bewusstsein ist, das dieses Leben durchläuft und von Geburt zu Geburt weiterwandert." (Anmerkung des Nacherzählers: Dies klingt natürlich sehr nach der Ansicht des Hinduismus von der Seelenwanderung, nur dass die Seele jetzt Bewusstsein heißt. Eine ähnliche irrige Meinung ist auch heute leider noch in manchen buddhistischen Kreisen verbreitet.)

Andere Bhikkhus versuchten, Sati von dieser irrigen Ansicht abzubringen, doch leider ohne Erfolg. Daher unterrichteten sie den Buddha über die Behauptung des Bhikkhu Sati. Also ließ der Buddha dem Sati durch einen Boten ausrichten, er möge zum Erhabenen kommen.

Als Sati dann beim Buddha war, fragte der: "Sag mal, stimmt es, dass du die Ansicht vertrittst, dass es ein und dasselbe Bewusstsein ist, das dieses Leben durchläuft und von Geburt zu Geburt weiterwandert." Sati antwortete: "Ja, Erhabener, genauso habe ich den Erhabenen verstanden."

Der Buddha fragte weiter: "Was ist das, jenes Bewusstsein, von dem du redest."

"Ehrwürdiger Herr, es ist das, was spricht und fühlt und hier und da die Resultate guter und schlechter Taten erfährt."

Der Buddha antwortete hierauf ungewöhnlich heftig: "Du fehlgeleiteter Mensch, habe ich nicht immer und immer wieder dargelegt: Getrennt von Bedingungen gibt es keine Entstehung von Bewusstsein. Folglich entsteht das Bewusstsein in Abhängigkeit von ganz konkreten Bedingungen. Da sich diese Bedingungen jedoch im Zeitablauf ständig ändern, kann das Bewusstsein bei einer Geburt nicht dasselbe sein wie bei einer anderen. Bewusstsein ist dynamisch, nicht statisch, es ist ein Prozess, kein Ding!"

Nach dieser Ermahnung saß Sati mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf da. Der Buddha aber wandte sich an die anderen Mönche. "Gibt es hier noch andere, die der Ansicht sind wie Sati?"

Die Bhikkhus beeilten sich, das zu dementieren: "Nein, ehrwürdiger Herr, getrennt von Bedingungen gibt es keine Entstehung von Bewusstsein."

Der Erhabene stellte fest: "Gut, Bhikkhus, dass ihr den Dharma so versteht; dass jeder Bewusstseinsmoment von Bedingungen abhängig ist." Vorsichtshalber nahm der Buddha dies jedoch noch einmal zum Anlass, die bedingte Entstehung des Bewusstseins detailliert zu erläutern. 

"Ihr Bhikkhus, das Bewusstsein wird nach seiner Entstehensart unterschieden, denn es ist immer Bewusstsein von irgendetwas. Wenn das Auge eine Form erblickt, entsteht Sehbewusstsein, hört das Ohr einen Klang, so entsteht Hörbewusstsein, auf die gleiche Art entstehen Riechbewusstsein, Schmeckbewusstsein, Tastbewusstsein und - wenn der Geist ein Objekt erkennt - entsteht Geistbewusstsein.

So wie für das Bewusstsein gilt das Prinzip der bedingten Entstehung auch für Nahrung. Es gibt vier Arten von Nahrung für ein Lebewesen, das bereits in Erscheinung getreten ist. Welche vier? Da gibt es erstens physische Speise als Nahrung, zweitens Kontakt, drittens geistiges Wollen und vierten Bewusstsein. Jede dieser vier Arten von Nahrung hat Begehren (tanhā) als Ursprung. Aber in Abhängigkeit wovon entsteht Begehren? Begehren entsteht in Abhängigkeit von Empfindung (vedanā). Empfindung wiederum entsteht in Abhängigkeit von Kontakt (phassa). Kontakt entsteht in Abhängigkeit von der Sechssinnengrundlage (āyatana). Die sechsfache Sinnengrundlage entsteht in Abhängigkeit von Name und Form (nāma-rūpa). Name und Form haben das Bewusstsein als Grundlage (viññāna) und dieses Bewusstsein hat die (karmischen) Gestaltungskräfte als Grundlage (sankhāra), diese Gestaltungskräfte wiederum entstehen in Abhänigkeit von Unwissenheit, von Verblendung von unseren Projektionen (avijja)."

Der Buddha entwickelt diese Sache in Fragen an und Antworten von den Mönchen noch weiter ins Detail und fasst anschließend zusammen: Gut, ihr Mönche, daraus kann man den Schluss ziehen, dass wenn dieses nicht existiert, jenes nicht entsteht, dass mit dem Aufhören von jenem auch dieses aufhört. Das bedeutet, dass wenn die Unwissenheit beendet ist, auch die Gestaltungen aufhören, wenn die Aufhören, hört das Bewusstsein auf, damit dann auch die sechsfache Sinnengrundlage, damit Kontakt. Ohne Kontakt keine Empfindungen, ohne diese kein Begehren, ohne das kein Anhaften und damit auch kein Werden, ohne Werden kommt es zu keiner Geburt und ohne Geburt nicht mehr zu Krankheit, Alter, Sorge, Kummer und Tod.

Und nun noch einmal zu dem Punkt des Mönchs Sati. Wenn wir diese Erkenntnis zur Grundlage nehmen, Gab es uns dann in der Verganghenheit?" - "Nein, ehrwürdiger Herr."

"Wird es uns in der Zukunft geben?" - "Nein, ehrwürdiger Herr."

"Was bedeutet das dann für die Gegenwart: Bin ich? Bin ich nicht? Wie bin ich? Wo wird dieses Wesen hingehen?" - "Nein, ehrwürdiger Herr, diese Fragen machen dann keinen Sinn."

Da aber die Wiedergeburtsfrage des Sati noch unausgesprochen im Raum stand, erläutert der Buddha auch noch das Leben, angefangen von der Empfängnis bis zur Reife:

"Ihr Bhikkhus, die Empfängnis eines Embryos im Schoße der Mutter findet statt, wenn drei Bedingungen zusammenkommen: Wenn die sexuelle Vereinigung von Vater und Mutter stattfindet, wenn die Mutter ihre fruchtbaren Tage hat, und das (nicht-materielle) Wesen, das wiederentstehen soll, anwesend ist.

Nach der Geburt wächst dieses Wesen heran, spielt mit Holzklötzen, mit Fahrzeugen und macht Purzelbäume. Wenn es zum Jugendlichen heranreift, genießt es das Leben mit den fünf Strängen des Sinnenvergnügens. Auf diese Weise kann der Daseinskreislauf immer und immer weitergehen.

Es besteht aber auch die Möglichkeit der Beendigung des Daseinskreislaufes, indem diese Person sich entschließt den Dharma zu praktizieren."

Der Buddha erläutert dann noch das heilige Leben, wie an vielen anderen Stellen auch.
(vgl. hierzu z. B. Furcht und Schrecken - MN 4)

Ihr Bhikkhus, behaltet diesen Pfad zur Befreiung durch das Vernichten des Begehrens im Gedächtnis. Aber der Bhikkhu Sati, hat sich im gewaltigen Netz des Begehrens, in der Fußangel des Begehrens verfangen.

Es wird gesagt, dass die Bhikkhus entzückt waren von der Rede des Buddha, vermutlich außer dem Bhikkhu Sati, der allerdings ohne diese Zurechtweisung nicht die Chance gehabt hätte, den Weg zur Befreiung zu finden.


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