Horst, der Mensch: Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum Wohl aller Wesen – Geschichte eines europäischen Buddhisten - Stand 29.1.2020

Szene 075 – Die alternative Bürogemeinschaft - 1987-1993



Wir schreiben das Jahr 1987, zwei Jahre zuvor war ich in den Kreistag eingezogen, es war die erste Fraktion der Grünen im Kreistag des Main-Kinzig-Kreises, wir mussten bei Null anfangen. Eine erste Aufgabe, die die neue sechsköpfige Fraktionsgemeinschaft – außer mir Heidi, Rolf-Dewet, Hartmut, Monika und Matthias - mir zugewiesen hatte, war, mich um Räumlichkeiten zu kümmern. So hatte ich für uns eine Fraktionsgeschäftsstelle im Hanauer Stadtteil Steinheim gefunden, in der Altstadt direkt am Main. Dort hatten wir zwei große Räume und unser Anspruch war es, dort nicht nur als Grüne zu tagen, sondern auch Initiativen aus der links/grün/alternativen Szene zu vernetzen und für diese eine Anlaufstelle zu sein. Dieser Gedanke blieb jedoch Theorie. Unsere Steinheimer Geschäftsstelle war genau das, als was sie firmierte: eine Fraktionsgeschäftsstelle.

Drei Jahre früher war ein ähnliches Projekt erfolgsversprechender verlaufen. Wir hatten 1982 gerade die Grünen in Hanau gegründet, damals mietete ich in der Begegnungsstätte Tümpelgarten, einen Bürgerhaus im Hanauer Problemstadtviertel Tümpelgarten, einen Raum für die Grünen Hanau an. Dieser Raum – Elmar (vgl. Szene 019) und ich hatten je einen Schlüssel für den Raum und das Bürgerhaus – wurde tatsächlich für die Venetzung von Initiativen genutzt. Hier trafen sich nicht nur die Hanauer Grünen, sondern unterschiedliche Gruppierungen aus dem uns nahestehenden Spektrum. An einem Tag pro Woche waren wir als Grüne dort versammelt, an einem anderen Tag traf sich hier die von mir ins Leben gerufene Gruppe ROBIN WOOD Hanau, an einem weiteren Tag die IUH (eine Initiative gegen die Hanauer Nuklearbetriebe), mitunter diente der Raum auch für Treffen mit Gewerkschaftlern, Verkehrsinitiativen wie dem ADFC usw.

Und im Jahr 1987 hatten wir unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl das EnergieWende-Komitee und als dessen Trägerverein die Koordinaton EnergieWende Main Kinzig e. V. gegründet. Unser Anspruch war, alle an einer EnergieWende im Main-Kinzig-Kreis interessierten Gruppen und Personen zu vernetzen und so eine EnergieWende von unten zu organisieren: Graswurzelarbeit. Genau zu diesem Zeitpunkt, zum 1. April 1987 zogen die Mieter im Erdgeschoss meines eigenen Hauses im Großauheimer Auwanneweg aus. Ich hatte daher die Idee, man könnte diese Räume für das nutzen, was uns mit der Steinheimer Fraktionsgeschäftsstelle nicht gelungen war: eine Adresse für die Vernetzung von Initiativen und ökologisch und sozial engagierten Vereinen zu bilden. In Steinheim war die Hürde für viele Gruppen zu hoch gewesen, sich unter der Adresse einer Partei zu treffen und sich dadruch vereinnahmt zu fühlen. Genau das sollte hier anders werden, so meine Idee. Allerdings war dafür die Miete aufzubringen, immerhin 600 DM monatlich (incl. Nebenkosten). Es standen dort fünf Zimmer und der geräumige Flur zur Verfügung. Ich selbst war in verschiedenen Initiativen aktiv, Eli war auch in mehreren Bürgerinitiativen. In der gleichen Straße, dem Auwanneweg, wohnte weiterhin noch Erich, ein sehr aktiver linksorientierter Mensch, Mitglied bei den Grünen, der unter anderem mit einigen anderen ähnlich ausgerichteten Menschen ein Zeitungsprojekt – die neue hanauer zeitung – gestartet hatte, und Erich war auch in einer Gruppe mit dem Namen „Radikale Linke“ aktiv.

Also lud ich Erich ein, und wir drei (mit Eli also) sondierten, ob es eine Möglichkeit gäbe, eine Bürogemeinschaft für Gruppen aus dem links-grün-alternativen Spektrum zu bilden. Und siehe da, nachdem das in allen Gruppen besprochen war, konnte das Projekt starten. Großer Vorteil davon war, dass aus jeder der verschiendenen beteiligten Gruppen mindestens eine aktive Person in unmittelbarer Nähe (nicht mehr als 200 m) von der neuen Adresse des Alternativmilieus entfernt wohnte. Im April nahm die „Bürogemeinschaft Großauheim“ ihre Arbeit auf. Der größte Raum war der Sitzungsraum, hier konnten sich Gruppen bis zwölf Personen bequem treffen, notfalls auch ein paar Leute mehr.

Zwei Räume mietete die nhz (neue hanauer zeitung) an, ein weiterer Raum war offiziell der Raum unseres noch immer bestehenden Vereinigung Rationelle Stenografie, von dort koordinierte Eli die Gruppen, denen sie angehörte, und der zweitgrößte Raum war der der Koordination EnergieWende, der mein Arbeitsraum für die Koordination verschiedener Initiativen war. Damit gab es drei Mieter, jeder Mieter war ein Verein, und in diesen Vereinen jeweils eine Person, die dort dafür verantwortlich war.

Im ehemaligen Badezimmer wurde die Badewanne abgedeckt, darauf standen jetzt verschiendene Kleingeräte: Laminiergerät, Bindemaschine, Schneidegerät und ein Kühlschrank, außerdem jede Menge Getränkekisten. Bei den Sitzungen wurden Getränke konsumiert, und diese waren für 1,50 (0,33l-Flaschen) bzw. 2 DM (Bier) erhältlich. Auf diese Weise wurde ein Teil der Kosten für die Miete erwirtschaftet. Im Flur standen unter anderem das Telefon und das Faxgerät sowie der Kopierer. Diese Geräte wurden gemeinsam genutzt, wozu es jeweils ein Benutzerbüchlein gab, in das die Anzahl der Kopien bzw. Gebühreneinheiten für die Telekommuikation eingetragen wurden. Telefon und Fax gehörten der Koordination, die Abrechnung übernahm ich, der Fotokopierer gehörte der Vereinigung Rationalle Stenografie und wurde von deren Geschäftsführerin abgerechnet.

Eigentlich sollte auch einmal im Quartal der Nutzerrat tagen, das funktionierte jedoch bald nicht mehr und statt dessen traten inoffizielle Absprachen zwischen Erich, Eli und mir.

Gruppen, die sich im ÖkoBüro Hanau trafen, waren – die Aufzählung ist jetzt sicher unvollständig: nhz, Koordination EnergieWende, Vereinigung Rationelle Stenografie, Bürgerliste Umwelt Großauheim, ÖkoBuddhistischer Arbeitskreis, Christliche Frauen für das Leben, ROBIN WOOD, Radikale Linke, Verkehrsclub Deutschland und Fahrgastbeirat Hanau/Main-Kinzig.

Im Jahr 1991 bekam die Bürogemeinschaft noch eine besondere Aufgabe. Der erste Golfkrieg war ausgebrochen, die USA hatten den Irak (der zuvor Kuwait besetzt hatte) angegriffen, was der Friedensbewegung neuen Auftrieb gab. Überall versuchten sich Friedensaktivisten zu vernetzen – das war allerdings noch in einer Zeit ohne Internet und ohne Handys. Also entstanden in vielen Städten sog. Golfkrieg-Informationsbüros, in denen unabhängige Informationen gesammelt und weitergegeben wurden. In dieser Zeit war das regionale Golfkrieg-Informationsbüro in der Bürogemeinschaft Großauheim – und es war rund um die Uhr - 24 Stunden täglich - besetzt.

In den Jahren 1992 und 1993 war der Anfangselan etwas ermattet, insbesondere gab es Schwierigkeiten mit der Abrechnung, die von verschiedenen Vereinen vorgenommen wurde. So stellte sich heraus, dass der Stenoverein zwar die Einnahmen für die Fotokopien eingesteckt hatte, allerdings davon seine Raummiete bezahlt hatte, anstatt Rücklagen für den Kauf eines neuen Kopierers (ca. 8000 DM) zu bilden. Weiterhin konnte die nhz nicht mehr zwei Räume finanzieren.

fest

1Ich hatte einen Plan für eine – heute würde man sagen: Bürogemeischaft 2.0. In Zukunft sollten alle finanziellen Sachen von nur einem Verein, der Koordination e.V. (sprich: von mir) erledigt werden, denn dabei hatte es bislang keine Probleme gegeben, meine Buchführung lag für alle klar sichtbar offen. Die nhz würde einen ihrer beiden Räume aufgeben, den ich privat übernehmen würde: als mein persönliches Arbeitszimmer. Ich war sowieso fast die ganze Zeit in der Büroetage, denn meine Wohngemeinschaft – Ehe konnte man kaum noch sagen – mit Eli lief immer schlechter. Und um den Neuanfang der Bürogemeinschaft auch im Namen deutlich zu machen, nannten wir uns von nun an ÖkoBüro Hanau.

Das Bild links zeigt die Wandbemalung über meinem neuen Arbeitsplatz im ÖkoBüro Hanau. Das oberer Bild entstand bei einem Sommerfest des ÖkoBüro Hanau im Garten des Anwesens.


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