Horst, der Mensch: Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum wohl aller Wesen – Geschichte eines europäischen Buddhisten - Stand 22.1.2020


Szene 071 – Guhyloka – der geheime Ort - 2003



Seit gut sieben Jahren fühlte ich mich der buddhistischen Gemeinschaft Triratna zugehörig, seit drei Jahren war ich Mitra, seit zwei Jahren im Ordinationsprozess und in zwei, drei Jahren, so hoffte ich, ordiniert zu werden. Männer, die in Europa in der Triratna-Tradition ordiniert werden, begeben sich normalerweise auf ein Viermonats-Retreat nach Guhyaloka und werden dort ordiniert. Da dieser Zeitpunkt nicht langfristig planbar ist und ich damals auch Klassenlehrer in zwei Schulklassen war, wäre für mich eine Ordination dort nicht in Frage gekommen, sondern nur die Kurzvariante von zwei Wochen, was gewiss schade gewesen wäre.

Aber ich hatte von Freunden, die bereits in Guhyaloka waren, sei es zu einem Ordinationsretreat oder zuds einem Arbeitseinsatz, von dem ganz besonderen Flair dieses Ortes in den Bergen Spaniens gehört. Lutz, ein Mitra aus Minden, der mit mir eine Studiengruppe besuchte, hatte uns in einem Diavortrag Guhyaloka vorgestellt. Er war dort zu einem Arbeitsretreat, in dem sie Meditationshütten für Einzelklausuren gebaut hatten. Daher stand mein Entschluss fest: eine solche Einzelklausur wollte ich machen. Bereits ein Jahr zuvor hatte ich daher eine Hütte dort für zwei Wochen gebucht, für die Herbstferien, die in den beiden letzten Oktober-Wochen dea Jahres 2003 lagen: die Meditationshütte Dharsendo (Bild).


Am 16. Oktober ging es los, morgens früh mit der Bahn. Da ich aus Klimaschutzgründen Flugreisen nach Möglichkeit vermeide – im letzten Vierteljahrhundert sogar mit vollem Erfolg – war das doch eine längere Bahnreise, die in einem Tag gar nicht zu schaffen ist. Ich hatte daher eine Übernachtung in Barcelona eingeplant, am 17. sollte es dann weiter gehen. Also fuhr ich über Basel, Genf und Lyon nach Barcelona, wo ich am Abend eintraf.

In der katalanischen Metropole ist es sehr schwierig, eine günstige Unterkunft zu bekommen, und so hatte ich stundenlang im Internet gesucht, bis ich etwas Passendes gefunden hatte – leider am entgegen gesetzten Ende der Stadt. Ich war bereits seit 5 h morgens unterwegs, und um 22 h am Abend kam ich endlich an der Herberge an – und stand vor verschlossener Tür. Als es mir nach einiger Zeit gelang, Kontakt mit der Vermieterin aufzunehmen, erfuhr ich, ich sei einen Tag zu früh dran, und der Fensterladen schloss sich wieder – endgültig. Ich sah auf meiner Reservierung nach: tatsächlich, da stand das Datum von morgen. Bei dem Reservierungsprogramm im Internet musste man dummerweise das Anfangs- und Enddatum bei jedem Versuch erneut eingeben – und es waren mindestens 20 Versuche bis ich fündig geworden war, immer musste ich eingeben vom 16.10.2003 bis 17.10.2003. Irgendwann, vielleicht beim 37. Mal muss ich wohl eingegeben haben haben, vom 17.10....

Also erneut anderthalb Stunden mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln zurück zum Hauptbahnhof, wo ich um Mitternacht ankam. Der Bahnhof hat nachts geschlossen, Öffnung: um 5 h morgens. Etwa 200 Leute lagerten auf den Straßen ringsum und warteten auch auf die Bahnhofsöffnung am Morgen. Ich legte mich ebenso auf den Gehsteig, konnte jedoch nicht einschlafen. Dann meldete sich mein Darm. Also ging ich die restliche Nacht auf und ab, erst in der Hoffnung, eine äußerst abgelegene Ecke zu finden – oder vielleicht sogar ein öffentliches WC oder eine offene Gaststätte - um mich zu erleichtern. Fehlanzeige. Überall Leute, die auch nicht schlafen konnten. Also mit Gänsehaut, Schüttelfrost und krampfhaft zusammengepetztem Schließmuskel bis 5 h ausharren, dann der Run mit Gepäck in den Bahnhof aufs WC. Welche Erleichterung nach einer peinvollen Nacht!

Ich nahm den ersten Schnellzug von Barcelona nach Alicante, dann mit der Regionalbahn von dort nach Vila Joiosa. Dort sollte ich am Nachmittag von einem Geländewagen des Retreatzentrums abgeholt werden. Vila Joiosa ist eines dieser typischen Touristenstädtchen an der spanischen Küste, im Sommer total überlaufen, jetzt - Mitte Oktober - allmählich zur Ruhe gekommen.

Ich verbrachte die Zeit damit, zunächst die Uferpromenade abzugehen und in den noch geöffneten Restaurants die Preise zu vergleichen. Gegen Mittag hatte ich mir einen Überblick verschafft und setzte mich auf die sonnige Terrasse einer Pizzeria. Ich aß etwas, trank etwas und las etwas.

Irgendwann nahmen am Nebentisch zwei andere Ausländer Platz und unterhielten sich auf Englisch. Ich schappte Satzfetzen auf: „... after the airport … back to Vila Joiosa...a German Guy... solitary in Guhyaloka“

Ich war wie elektrisiert: die sprachen von mir! Tatsächlich, es stellte sich heraus, dass es die Leute waren, die mich Stunden später hier am Bahnhof abholen sollten.

Also wurde umdisponiert und ich fuhr mit den beiden im Geländewagen zunächst zum Flugplatz von Alicante, wo noch ein Brite abgeholt wurde, anschließend ging es in die Berge, wo wir 36 Stunden nach meiner Abreise in Großauheim ankamen. Die Fahrt ging in ein abgelegens Tal, das zur Hälfte dem Triratna-Orden gehört, die andere Hälfte gehört einer obskuren katholischen Organisation, ich glaube dem Opus Dei.gl

Am Eingang begrüßte uns ein Schild in Catalan: „Gujaloka – el mon secret – Comunitat monastic Budista“ - Guhya-loka, die Welt im Verborgenen – klösterliche buddhistische Gemeinschaft“.

Heute (und am letzten Tag in zwei Wochen) war ich jeweils zum Abendessen bei den Bewohnern dieser klösterlichen Gemeinschaft zu Gast. Die übrige Zeit würde ich allein im Schweigen mit Meditieren, Reflektieren, Hausarbeit und Spaziergängen verbringen. Ich bekam eine Einweisung, lernte, wie ich mich versorgen sollte und welche Gefahren durch Unwetter, Schlangen, Skorpione und bei Bergwanderungen mich erwarteten.

Was ich zunächst am problematischsten fand, war die Wasserversorgung. Es gab kein fließendes Wasser. In einigen 100 m Entfernung befand sich eine Zisterne, in der Regenwasser aufgefangen wurde, das als Trinkwasser diente. Da dieses Wasser dort moantelang in der sommerlichen Hitze im Freien gestanden hatte, nahm ich mir vor, nur abgekochtes Wasser zu trinken. Auf dem Dach von Dharsendo, meiner Hütte, befand sich ein Betonzylinder, in den vor einiger Zeit Wasser aus der Zisterne nachgefüllt worden war. Man bedeutete mir, ich solle versuchen, mit diesem Wasser auszukommen.

pfadAlso stieg ich als erstes auf das Dach, um meinen Wasservorrat zu inspizieren, ich wollte wissen, wie viel Wasser mir täglich zur Verfügung stünde. Dafür musste ich den Zylinder ausmessen. Da ich kein Maßband bei mir hatte, nahm ich mit einem Karopapier maß. Die Kantenlänge eines Kästchens beträgt 5 mm. Ich maß die Höhe des Wasserstandes im Zylinder, den Durchmesser, versuchte mir die Zylinderformel abzuleiten und stellte fest: wenn die Verdunstung des Wassers nicht mehr als 2 % pro Tag beträgt, müsste ich für die zwei Wochen täglich etwa 9 l Wasser zur Verfügung haben, zum Trinken, zum Kochen, zum Abwaschen, für die Körperpflege zum Putzen, die Toilettenspülung etc. neun Liter! Ganz schön ambitoniert. Für wie selbstverständlich wir doch allmählich absolut nicht selbstverständliche Dinge, die Versorgung mit ausreichend Trinkwasser etwa, halten.

Nun gut, für die Toilette braucht man nicht viel Wasser. Das links ist die Toilette. Man stellt sich auf die beiden den Füßen nach empfundenen Steine, entfernt das Teil mit dem Stil rechts, das der Abdeckung der Sickergruppe00 dient, platziert sein Gesäß so über dem dann offenen Loch, dass man möglichst nicht den Rand verschmutzt und bemüht sich gut zu treffen. Gelingt das, braucht man gar kein Wasser. Würde man hingegen alles Wasser, was in eine solche Gießkanne passt, verwenden, hätte man mehr als eine ganze Tagesration an Wasser verbraucht – also nix mehr mit trinken, kochen, spülen, waschen...

Hier rechts sieht man meinen Schreibtisch mit der Gaslampe (Elektrizität gibt es nicht), meinen Schrein und mein Bett.

ds1Da ich Spinnen als äußerst unangenehm empfinde und die Hütte natürlich nicht dicht ist, hatte ich befürchtet, das jedes Krabbeln auf mir in der Nacht eine Panik auslösen könnte. Daher ging ich jeden Abend meinen Raum ab und suchte die Spinnen – etwa 10 bis 15 pro Tag. Mittels einem Pappdeckel und einem Glas fing ich sie und brachte sie in einige Entfernung von meiner Hütte. Außerdem hatte ich mir einen ganzen Vorrat an Kerzen mitgebracht. Da jede dieser Kerzen fünf Stunden brennt, kam ich pro Nacht mit drei Kerzen aus. Alle vier Stunden steckte ich eine neue Kerze an und konnte so sehen, wann immer mich etwas in der Nacht beunruhigte – was ich sehr beruhigend fand.ds2

Das Bild rechts zeigt mein Bett, den Ofen, den ich nie anmachte, obwohl es abends und nachts hier in den Bergen (800 m) schon empfindlich kühl wurde, dazwischen befindet sich mein Meditationssitz, gegenüber dem Schrein (Bild oben).

Allerdings stellte sich die Meditationspraxis anfangs sehr mühsam an. Nun gut, ich hatte die letzte Nacht in Großauheim höchstens vier Stunden und die Nacht darauf in Barcelona gar nicht geschlafen. Dass mein erster und zweiter Tage noch von Schläfrigkeit durchdrungen war, verwunderte mich kein bisschen. Aber das war nicht einmal mein Hauptproblem.

Das Problem, das sich einstellte, war vielmehr ein ganz anderes, etwas, von dem ich gedacht hatte, ich hätte es längst hinter mir gelassen. Das Problem war eine Frau. Oder besser: nicht die Frau war das Problem, sondern mein Denken, meine Sehnsucht, etwas ganz Merkwürdiges war geschehen.

Seit einem Jahr bot ich vierzehntäglich Meditationsabende in meiner kleinen Mansardenwohnung an (vgl. Szene 057: Der 4-Stufen-Plan). Am Freitagmorgen war ich von Großauheim Richtung Guhyaloka gestartet. Am Donnerstagabend hatte ich noch einmal einen Meditationsabend abgehalten, wie üblich mit sehr kleiner Besetzung, außer mir zwei oder drei Leute, darunter eine neue Person, ich nenne sandrasie hier Sandra. Sandra kam schon eine Stunde früher, wollte mit mir reden. Sie hatte schon Kontakt zu Triratna, hatte während ihres Studiums in England bei Triratna meditiert und hatte auch bereits ein Retreat in Kühhude (das Retreatzentrum habe ich in Szene 046 vorgestellt) absolviert. Und sie hatte etwas ganz Besonderes an sich: sie war sehr offen, sehr rezeptiv, hörte zu, und erzählte auch viel von sich, und sie hielt dabei beständig Augenkontakt. Sie ging auch nicht, wie das viele Frauen tun, auf Distanz, sie stand ganz nah, sah mir in die Augen beim Reden. Und diese sehr junge Frau, ich hatte sie auf vielleicht 22 geschätzt, und hätte sie nicht von ihrem Studium erzählt, vermutlich auf noch jünger, ging mir einfach nicht aus dem Sinn. Nicht wenn ich meditierte, auch auf dem Weg nach Spanien im Zug nicht und auch nicht, wenn ich zu Bett ging und versuchte zu schlafen.

Immer, wenn ich mich in Meditation setzte, kehrte sie in meinen Geist zurück, aus dem ich sie doch zu vertreiben versuchte. ICH WILL MEDITIEREN! Und nicht tagträumen! Als ich am dritten Tag endlich zugeben musste, dass die Versuche, sie zu negieren, zu verdrängen, nicht funktionierte, nahm ich mir vor zu untersuchen, was da in mir vorging.

Ich musste feststellen, dass es in mir so etwas wie eine ungestillte Sehnsucht gab. Es waren jetzt sieben Jahre her, dass Eli die faktische Trennug von mir vollzogen hatte. Wir lebten zwar noch im gleichen Haus und unterhielten uns auch miteinander. Ich konnte mich mit Eli trefflich über die politische Lage, über die Firmenpolitik des Volkswagenkonzerns und die Gefahren des Neoliberalismus unterhalten. Aber es war absolut unmöglich, sich mit ihr über so etwas wie Gefühle zu unterhalten, über etwas sehr Persönliches, da wurde sofort abgeblockt.

Ich beschäftigte mich an diesem Dienstagnachmittag sehr intensiv mit dem, was da in meinem Inneren vorging und stellte drei Dinge fest, die Ursache meiner Sehnsucht waren: (1) Ich brauche jemanden, mit dem ich mich wirklich unterhalten kann, offen und ehrlich über alles, auch über Persönliches, jemand der mir zuhört, mir feed-back gibt, der offen ist, sich auch wirklich selbst öffnet und so Vertrauen schafft. Diese Empfindung hatte ich am Donnerstag zuvor bei Sandra erstmals seit sehr, sehr langem, vielleicht erstmals überhaupt, gehabt. (2) Mir fehlt Zärtlichkeit. Selbst zu der Zeit, als meine Ehe mit Eleonore äußerlich noch intakt war, gab es so gut wie nie liebevolle Zärtlichkeit, Vertrautheit, die auch ein Aspekt von Offenheit, von Sich-Öffnen-Können ist. Und (3) hatte ich wohl auch das Kapitel Sexualität noch nicht völlig hinter mir gelassen.

Das waren die drei Punkte, die zu meiner Unruhe in den letzten Tagen geführt hatten. Und sie waren genau in der Reihe wichtig, wie ich es oben beschrieben habe: (1) offene Kommunikation, (2) Zärtlichkeit und (3) Sexualität.

Da das nunmehr geklärt war, wusste ich, dass ich nach meiner Rückkehr nach Deutschland diese drei Punkte würde in Angriff nehmen müssen. Ich würde versuchen eine Person zu finden, die mindestens mein Hauptbedürfnis (tiefe Kommunikation), möglichst auch den zweiten Punkte (Zärtlichkeit) abdeckte und vielleicht sogar noch eine Möglichkeit für den letzten Punkt bot. Da das nun geklärt war, und da Sandra – so sah ich das – für einen über 50jährigen Mann bestimmt nicht die adäquate Bezugsperson sein konnte, musste ich sie nicht mehr in meinem Geist haben.

stupaEs hat tatsächlich funktioniert. Von nun an verlief die Meditation so, wie ich das erwartet, wie ich das erhofft hatte. Ich hatte meinen Frieden gefunden.

In unmittelbarer Nähe von Dharsendo, etwa 400 m entfernt, lag dieser Stupa, ein buddhistisches Ehrenmal und ein Ritualplatz in dem die Asche eines großen tibetischen Dharma-Lehres liegt, von Dhardo Rinpoche, der von 1915 bis 1990 in Tibet und - nach der Besetzung durch China - in Indien lebte. Er war gewissermaßen der Hauptlehrer von Sangharakshita, dem Ordensstifter von Triratna.

Dieser Ort wurde zu meinem Ritualplatz. Täglich unternahm ich eine 1-Mann-Pro-zession von Dharsendo zur Stupa, trug eine Kerze, eine Buddhafigur und Räucherstäbchen mit mir, umrundete den Stupa in Gehmeditaion und rezitierte dazu entweder etwas, das wir die „Zufluchten und Vorsätze“ nennen, ein buddhistisches Bekenntnis, und ethische Vorsätze, oder aber Mantras.pig

Leider wurde die Anlage gegen Ende meiner Zeit in Guhyaloka von Wildschweinen ziemlich stark verwüstet, sie suchten offensichtlich in den Beeten nach Wurzeln (Tulpenzwiebeln?), so dass dieser wunderschöne Ort zumindest zwischenzeitlich einen sehr traurigen Anblick bot. (Bild rechts)

Apropos Wildschwein. Bei einer meiner Wanderungen in der Umgebung hatte ich eine Wirbelsäule gefunden. Der Rest des Wirbeltieres war vom Zahn der Zeit – oder von Raubtieren – verschlungen worden. Vermutlich handelte es sich um die Wirbelsäule eines Wildschweines. Auf jeden Fall war sie in der Größe und Form in etwa so, wie eine menschliche Wirbelsäule. Dies brachte mich auf die Idee einer Leichenfeldbetrachtung. Darunter versteht man eine Meditation, bei der man sich eine Leiche in verschiedenen Zerfallsstadien vorstellt und sich dabei vergegenwärtigt: von gleicher Art bin auch ich, auch ich werde dieses Schcksal haben. Das ist eine sehr intensive Betrachtung des Phänomens Vergänglichkeit (anicca).

Zweimal machte ich eine solche Leichenfeldbetrachtung und hielt dabei diese Wirbelsäule in meinen Händen. Das erste Mal bei Tag, das zweite Mal in der Nacht bei Mondschein im Freien (sehr kalt). Das war eine äußerst tiefe, sehr erschütternde Erfahrung, von der ich froh bin, sie gemacht zu haben. Allerdings stellte ich auch nach der zweiten Meditation fest, dass ich dies nicht zu meiner Hauptpraxis machen möchte, denn es verdüstert doch etwas den Geist. Im Gegensatz dazu ließen meine Streifzüge durch die wildromantische Region Orxeta mein Herz höher schlagen und meine Dankbarkeit voll aufblühen, auf diesem wunderschönen Planeten mit den Elementen Erde, Wasser, Luft und Wärme leben zu können.

Was ich als etwas problematisch in Guhyaloka empfand, war die Ernährungssituation. In Dharsendo hatte in eine Küchenzeile, und in den Schränken befand sich alles, was man braucht und was sich gut lagern lässt: Nudeln, Reis, Cornflakes, Tee - solche Sachen. Außerdem gab es zweimal wöchentlich eine Versorgung mit frischem Gemüse. Eine Plastiktonne – so wie man die Mülltonnen in England hat - befand sich unweit von Dharsendo am Weg. Darin wurde von der Community (der klösterlichen Gemeinschaft) Gemüse angeliefert, immer dienstags und freitags; an diesen Tagen fuhr jemand mit den Land Rover zum Einkaufen. Und dieses Gemüse war immer sehr reichlich. Es war eine große Herausforderung, das zu kochen und nicht verderben zu lassen. Zuhause kochte ich gar nicht, ernährte mich von selbstgebackenem Brot mit einem veganen Aufstrich und Rohkost-Salat. Hier aber war Kochen angesagt. Ich kochte also einen großen Eintopf für drei Tage. Und da er so lecker schmeckte, aß ich ihn im Laufe des ersten Tages auf – es war ja noch soooo viel Gemüse da! Am nächsten Tag lief das dann so ähnlich. Es war also schon eine ziemlich Fressorgie. Und das wurde auch nicht dadurch besser, dass meine Spaziergänge durch Mandelhaine führten, deren Mandeln niemand mehr erntete (außer mir).

Wunderschön waren die Abende. Die Sonne ging über dem tiefblauen Meer unter, und bei Dunkelheit sah man in der Ferne – etwa 30 km – die Stadt Alicante mit ihren Lichtern. Hier oben, in Guhyaloka, wähnte ich mich an einem entrückten, an einem himmlischen Ort, und da unten war diese merkwürdige Welt mit ihrer Geschäftigkeit und ihrer Geschaftlhuberei. Ich nannte diese entfernt Welt der Menschen den „Planet Samsara“ die Welt gewöhnlichen mondänen Treibens, die mir nie so weit weg vorkam wie hier in Guhyaloka, in dem verborgenen Ort.

So verbrachte ich meine Zeit mit Meditieren, Hausarbeit und einem täglichen ausführlichen Spaziergang von drei Stunden in der Sonne des frühen Nachmittags.

Ein denkwürdiges Ereignis war noch, dass ich eines Abends, nachdem ich bereits alle Spinnen nach draußen getragen hatte und mich gerade im Schein meiner Kerze zu Bett begeben wollte, tatsächlich noch eine kleine Spinne fand, diesmal oben auf meinem Bettgestell, dort wo mein Kopf zu liegen kam. Ich fing also auch dieses Tier und wollte es gerade heraustragen. Dann sagte ich mir, dass ich jetzt doch nicht noch einmal nach draußen wollte, denn es war stockfinster und regnete. Ich behielt also die Spinne im Glas auf dem Tisch, abgedeckt durch ein Pappdeckel. Am nächsten Morgen, nachdem ich mich angekleidet hatte, wollte ich das Tier nach draußen tragen. Ich nahm das Glas und wunderte mich: Nanu, warum hat denn diese Spinne zehn Beine? Und warum vorne zwei so große mit kleinen Greifzangen? Aha, das ist keine Spinne. Dann hatte ich wohl einen Skorpion im Bett - aber nur einen kleinen.

Ich las schnell im Handbuch nach und fand, wo sich Skorpione am wohlsten fühlen. Aha, an großen Steinen. Also brachte ich den Skorpion nach draußen, etwa 20 m von Dharsendo entfernt befand sich ein sehr großer Stein, ein Felsen. Dort setze ich ihn ab. Hier wird er sich sicher wohler fühlen als in einem weichen Bett!

cBeim Abschiedsessen am letzten Tag in der Community (Bild) wurde ich gefragt, ob es denn irgend welche Probleme gegeben hätte, vielleicht mit Schlangen oder Skorpionen.

Horst: „No, not at all. - Oh, that´s not quite correct. There had once been a scorpion, but a very small one, a baby scorpion.“

OM: „Oh, a scorpion. What kind of scorpion? A black or a white one?“

Horst: „No, not black, not white, something like a bit brownish, I think.“

OM: „Brownish? Hmm. Perhaps: nearly transparent?“

Horst: „Yes, that´s it: nearly transparent!“

OM: „Oh, that´s what we call the white one. It´s poison is deadly.“

Horst. „Well, I don´t think it was this dangerous. It was only a baby scorpion, you know?“

Es war eine sehr intensive Zeit, eine gute Einzelklausur. Ich liebe Einzelklausuren und habe seitdem viele solche Solitaries unternommen, die meisten davon in Deutschland und davon wieder die meisten im Meditationsraum am Obermarkt, einige auch in einem Haus in Heenes, einem Ortsteil von Bad Hersfeld. Das Haus gehört Sandra. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Zum Abschluss von Guhyaloka nur noch zwei Bilder: Meine Terrasse in Dharsendo, hier wurde es mitunter nachmittags 20 Grad warm. Unten die Bibliothek des Retreatzentrums von Guhyaloka; das kleine Bild zeigt die Retreathütten des Ordinationsretreats, in jeder dieser Hütten kommen dann zwei Männer unter.


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