Horst, der Mensch: Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum wohl aller Wesen – Geschichte eines europäischen Buddhisten - Stand 21.1.2020

Szene 068 – Der k+k-Bahnhofsvorsteher - 2011



Es ist eine der Geschichten, die sich während meiner großen Pilgerwanderung 2011 abspielte. Ich war in diesem Jahr bereits von Gelnhausen bis nach Ljubljana gelangt, ein Marsch von gut 1200 km. An diesem Tag, dem 50. Wandertag meiner Pilgerreise, war ich bereits 30 km gegangen, als ich die ersten Vororte der slowenischen Hauptstadt Ljubljana erreichte und als Regen einsetzte. Daher beschloss ich, nicht noch bis zum Hauptbahnhof durch die Stadt zu laufen, sondern von diesem Vorort (Sentvid) aus mit dem Zug zurück nach Kranj zu fahren, wo ich mein Quartier für diese Woche hatte.

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Sentvid hat einen schönen kleinen alten Bahnhof, der noch genau so aussah, wie zu der Zeit, als er für die kaiserlich-königliche Eisenbahn von Österreich-Ungarn gebaut wurde. Nach einigem Suchen fand ich auch den Fahrkartenverkäufer, Stellwerksleiter und Bahnhofsvorsteher in einer Person, ein couragierter junger Beamter. Er versuchte mir wortreich auf Slowenisch etwas zu erklären, bis ich ihn mit der Bitte unterbrach: „Can you please say it in English?“ Was ihm mit einiger Mühe auch gelang: „Today we have problems with… with…“ - „somewhat“ schlug ich vor, doch ihm fiel ein womit „…with trains.“

Es ergab sich, dass er nicht sagen konnte, wann heute überhaupt Züge fahren würden.

But there will be a train to Kranj today?“ fragte ich vorsichtig geworden.

Yes, definitely, I´ll get a train for you – somehow!” versprach er im Brustton der Überzeugung und verkaufte mir eine Fahrkarte zu 2,44 €. Da ich es nicht eilig hatte und man unter einem Vordach auf einer Bank im Trockenen sitzen konnte, begann ich die Sache zu genießen.

Ein Zug mit alten Bundesbahn-Liegewagen stand etwas verloren im Bahnhof herum, die Reisenden wussten auch nicht, wie ihnen geschah, und ich erinnerte mich an eine Klassenfahrt 1976, als wir hier in der Nähe einmal mit einem Zug festsaßen. Damals fehlte den jugoslawischen Eisenbahnern eine Rangierlok und sie nahmen einfach die Lok unseres D-Zugs – mit allen neun Personenwaggons dazu - als Rangierlok. Auf diese Art fuhren wir damals insgesamt sechs Stunden im Bahnhof herum, immer einige Dutzend Meter weit in die eine und dann wieder in die andere Richtung.

Diesmal war es etwas anderes, aber weil die Einsatzleitung den Lokführer wohl immer noch nicht telefonisch erreichen konnte, musste der Bahnhofsvorsteher, die Fernschreiben dem Lokführer vorbei bringen. Dann kam der Zugführer oder Schaffner des Zuges, um sich beim Lokführer zu erkundigen, was jetzt Sache sei.

Anschließend musste der Bahnhofsvorsteher noch einmal vorbei kommen um dem Lokführer die Zugbegleitpapiere abzustempeln, wofür er sich allerdings erst im Bahnhof seine rote Bahnhofsvorstehermütze holte, denn das Abstempeln ist ein hoheitlicher Akt, versteht sich.

Mit derlei kurzweiliger Betrachtung verbrachte ich die Zeit und hatte mich bereits darauf eingestellt, dass das ein langer Nachmittag werden würde.

Doch plötzlich ging alles viel schneller als gedacht. „I´m catching your train“, erläuterte der resolute Bahnhofsvorsteher, und den nächsten Zug, der kam, stoppte er, indem er eine weitausladende wiederholte Bewegung mit seiner roten Mütze machte – und der Intercity Belgrad-München hielt tatsächlich auf dem kleinen Vorortbahnhof von Sentvid. Der Vorsteher instruierte den Lokführer, ich müsse nach Kranj gebracht werden und so konnte ich in dem ziemlich überfüllten Zug neben der Toilette stehend mitfahren.

Ich möchte nicht versäumen, mich bei dieser Gelegenheit von Herzen bei dem ebenso jungen wie resoluten Bahnhofsvorsteher aus Ljubljana-Sentvid für die kreative Lösung von Problemen bedanken!


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