Horst, der Mensch: Der verschlungene Pfad in Richtung eines Lebens zum wohl aller Wesen – Geschichte eines europäischen Buddhisten - Stand 14.1.2020

Szene 035 – ROBIN WOOD - 1983



Es war die große Zeit der Öko-Bewegung. Lange hatte die offizielle Politik das Thema Ökologie stiefmütterlich behandelt, doch zu Beginn der 80er Jahre drang es mit Macht durch. Ich war inzwischen Mitglied der Grünen, seit einigen Wochen auch einer der drei SprecherInnen der „Grünen“ Hanau und am 6. März 1983 war die Bundestagswahl, bei der diese Partei erstmals ins Bundesparlament gelangten.

Unmittelbar vor der Bundestagswahl machte eine neue Öko-Organisation bundesweit auf sich aufmerksam, die bis dahin eigentlich noch völlig unbekannt war: die gewaltlose Aktionsgemeinschaft ROBIN WOOD, eine Greenpeace-Abspaltung, die sich erst Ende 1982 gegründet hatte. Kurz vor der Bundestagswahl besetzten ROBIN-WOOD-Mitglieder die Schornsteine von sechs Großkraftwerken in Deutschland. „Schornsteine sind große Fahnenmasten“, so sagten sich die ROBIN-WOOD-Aktivisten, „und sie warten nur darauf, dass dort große Transparente mit den Forderungen der Umweltschützer aufgehängt werden“. Damals, so muss man wissen, gelangten die Abgase noch ungefiltert in die Luft. Nicht nur Kohlendioxid wurde emittiert, sondern auch zahlreiche andere Stoffe. Allein im Kraftwerk Staudinger, nur 2 km von meiner Wohnung entfernt, wurden jedes Jahr über 10 Millionen Kilogramm Schwefel in die Atmosphäre geblasen. Dieses reagierte mit dem Wasser in der Atmosphäre zu schwefliger Säure und in einem weiteren Umwandlungsprozess zu Schwefelsäure. Die Schwefelsäure im Niederschlag war verantwortlich für den Sauren Regen, der unter anderem den Wald schädigte. Die feinen Würzelchen der Bäume wurden zerfressen, die Bäume starben ab, Waldsterben war das Schlagwort, unter dem dies zusammengefasst wurde.

In der Tat gelang es binnen eines Jahrzehnts, die Ursachen weitgehend abzustellen. Dies geschah jedoch nicht von allein, dazu war es vielmehr nötig, dass die neue Partei der Grünen in die Parlamente kam und die Altparteien sich genötigt sahen zu handeln. Und dafür wiederum war Öffentlichkeitsarbeit nötig. ROBIN WOOD war praktisch einer der PR-Dienstleister der Ökobewegung.

Ich war elektrisiert, als ich von dem gelungenen Coup der Öko-Kämpfer vor der Bundestagswahl hörte. Bei nächster Gelegenheit trat ich dem Verein bei. Auch erkundigte ich mich, ob es weitere Mitglieder in meiner Nähe gab. Im ganzen Main-Kinzig-Kreis mit seinen 400.000 Einwohnern gab es außer mir damals nur eine Frau, die bei ROBIN WOOD Mitglied war. Wir trafen uns und überlegten, wie wir auch durch spektakuläre Aktionen das Thema Waldsterben in unserer Regionen puschen könnten. Um UnterstützerInnen zu rekrutierten, fragte ich bei den Versammlungen der GRÜNEN, wer sich noch beteiligen möchte. Unser Ziel war: eine erste Aktion im Main-Kinzig-Kreis noch im Jahre 1983. Und selbstverständlich konnte unser Ziel nur heißen: das Kraftwerk Staudinger der Preußischen Elektrizitäts Aktiengesellschaft (PREAG). Diese Firma musste sich übrigens inzwischen umbenennen, um ihr negatives Image abzustreifen, der Laden nennt sich jetzt E.ON.

Damals waren die wichtigsten Medien noch die Zeitungen. Die Weihnachtsausgabe erscheint am 24. Dezember, was in diesem Jahr auf einen Samstag fiel. Viele Leute nutzten das lange Weihnachtswochenende um irgendwann in die Zeitung zu schauen. Also musste der Artikel zu unserer Aktion in dieser Ausgabe erscheinen, so konnte ich unsere neuen AktivistInnen überzeugen. Dazu musste die Meldung top-aktuell sein, andererseits mussten die Zeitungen auch zuvor Bescheid wissen, um Reporter vor Ort zu haben, Fotos zu schießen - und sie mussten auch eine Ahnung haben, worum es ging, damit sie dementsprechend genügend Platz für die Meldung ließen, denn verständlicher Weise wurde ein großer Teil der Weihnachtsausgabe der Zeitung schon vorher hergestellt, die Reporter wollten im Weihnachtsstress nicht auch noch die umfangreiche Weihnachts-Zeitungsausgabe herstellen müssen. Der beste Zeitpunkt für die Aktion war also am Vormittag des 23. Dezember, einem Freitag.

Was wir allerdings nicht leisten konnten, war - wie an anderen Orten - die Schornsteine zu besetzen, dazu hatten wir nicht die Leute mit den entsprechenden bergsteigerischen Fähigkeiten. Wir mussten also eine hinreichend spektakuläre Aktion am Boden machen.

Im Vorfeld schaltete sich auch die Bundeszentrale von ROBIN WOOD ein, denn die fürchteten, dass es einen Imageschaden geben könnte, wenn wir irgendetwas Unüberlegtes machten oder nicht genug Kenntnisse über unser Zielobjekt hätten. Aber schließlich bekamen wir grünes Licht.

Am 22. Dezember liehen wir uns einen LKW und fuhren in den Rodenbacher Wald. Ein uns bekannter Förster hatte den Tipp gegeben, dass dort viele tote Nadelbäume in einer passenden Größe lägen. Da die Aktion zu Weihnachten war und es ums Waldsterben ging, wollten wir dem Kraftwerksbetreiber, der PREAG, zu Weihnachten einen toten Wald (aus abgestorbenen Fichten) schenken, um zu verdeutlichen wohin ihre Aktivitäten führen.

waldeDie Aktion verlief reibungslos. Die Presse war vorab informiert worden, dass sie um 9.00 h von uns einen Tipp bekäme, wo sie sich einzufinden hätten. Eine halbe Stunde später würde die Aktion steigen. Natürlich war es keine große Überraschung, dass die Aktion am Kraftwerk stattfinden würde. Vermutlich wussten auch die Leute von PREAG inzwischen Bescheid, sie hatten ihr Werksgelände dicht gemacht. Aber wir wolten ja gar nicht aufs Gelände. Vor dem Zaum bauten wir unseren toten Wald auf, übergaben die Presseeklärung. Der Weihnachtsmann mit Gasmaske erschien (in Wirklichkeit war es eine Weihnachtsfrau namens Monika), eines unserer Kinder (Kohlrübchen, im Bild ganz in Blau) sagte dem Weihnachtsmann ein aufs Waldsterben umgedichtetes Weihnachtsgedicht auf („Von drauß´ vom Walde komm ich her, ich muss euch sagen, es stinkt gar sehr...“)

Es war keine überaus spektakuläre Aktion, aber eine nette Sache und wir waren zumindestens regional in aller Munde.

Es folgten zwei weitere Jahre mit zahlreichen phantasievollen Aktionen imgrimm Rhein-Main-Gebiet. Im April verhüllten wir das Hanauer Brüder-Grimm-Denkmal, um zu zeigen, wie viel Schwefel Staudinger emittiert. Hier bekamen wir allerdings von der ROBIN- WOOD-Bundesversammlung einen auf den Deckel, weil wir auch die Bildzeitung eingeladen hatten (immerhin ein 30x30 cm großes Bild auf Seite 2 des Massenblattes!).

Aber nicht nur das Kraftwerk Staudinger hatten wir auf dem Schirm, sondern auch die Autoindustrie. Vor den OPEL-Werken in rüRüsselsheim ließen wir einen großen Rüsselwurm laufen (im Bild bei der Aufstellung). Unter dem 30 m langen Wurmkörper aus schwarzer Folie waren unsere AktivistInnen, die den Wurmkörper mit Hoola-Hoop-Reifen stabilisierten. Der Rüsselsheimer Rüssel-wurm hatte vorne einen Rüssel, mit dem er an Opel-Fahrzeugen schnüffelte und feststellte, dass diese noch immer nur ohne Abgas- Katalysator angeboten wurden. Am Denkmal von Georg von Opel befestigten wir an dessen Allerwertesten einen großen Katalysator mit der Aufschrift: OPEL sorge endlich für reinere Abgase!

An anderer Stelle werde ich über weitere Aktionen von ROBIN WOOD Hanau berichten.


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